Kommentar
Thüringens Kommunen rücken nach rechts

Es ist ein Vorgeschmack auf die Landtagswahlen im September: Die AfD hat mehr als ein Viertel der Stimmen bei den Kommunalwahlen in Thüringen gewonnen. Wie es um die Brandmauer gegen rechts bestellt ist, ordnet Henry Bernhard ein.

Von Henry Bernhard | 27.05.2024
Ein Wegweiser mit der Aufschrift "Wahlraum" führt zum Wahllokal in der Realschule "Otto Dix". Zur Kommunalwahl in Thüringen werden unter anderem Bürgermeister, Landräte, Stadträte und Gemeinderäte neu gewählt.
Die Thüringer Landesregierung aus Linken, SPD und Grünen hat bei den Kommunalwahlen vor Augen geführt bekommen, dass das Vertrauen in sie geschwunden ist, so Henry Bernhard. (picture alliance / dpa / Heiko Rebsch)
Es ist keine „blaue Welle“ geworden, wie die AfD sich es erhofft hatte, aber auch kein dünnes Rinnsal. Die AfD hat bei den Kommunalwahlen in Thüringen zwar bislang kein wichtiges Amt in Rathäusern oder Landratsämtern erringen können, hat dazu aber noch die Chance in den Stichwahlen in zwei Wochen. Dann kommt es darauf an, wie die AfD auf der einen, wie CDU und SPD auf der anderen Seite die Anhänger anderer Parteien mobilisieren können, ihren Kandidaten die Stimme zu geben.
Doch schon jetzt ist klar: Die AfD ist nun auch im Kommunalen dabei, das herkömmliche Parteiensystem zu erodieren und die Parlamente nach rechts zu verschieben. Mit starken Zuwächsen wird sie über ein Viertel aller Sitze in Kreistagen und Stadträten besetzen und damit das Errichten von sogenannten Brandmauern immer schwieriger machen.

Arrangieren im Kreistag

In vielen Orten spielt der Abstand zur AfD ohnehin keine Rolle: Man kennt sich, man ist aufeinander angewiesen. „Schlaglöcher kennen keine Parteien“, sagt ein Thüringer Bürgermeister von der CDU. Die CDU-Spitze will sich aber lieber noch nicht äußern, wie sie mit der erstarkten AfD nun umgehen will. „Keine Koalition“, sicher.
So mancher Landrat und Bürgermeister wird sich aber arrangieren müssen, wenn es darum geht, Entscheidungen durch Kreistag oder Stadtrat zu bringen. Zumal die AfD oftmals nicht die einzige Kraft am rechten Rand ist. Da gilt es genau hinzuschauen, was unbedingt sein muss und was sich an Kooperation verhindern lässt. Denn die AfD sieht das Kommunale als Sprungbrett in die große Politik.
Außerhalb der Städte Erfurt, Weimar und Jena ist Thüringen in einer großen Minderheit, mancherorts auch in Mehrheit, stramm rechts unterwegs. Der Diskurs hat sich massiv verschoben. Auf dem Land wird mittlerweile schief angeschaut, wer nicht AfD wählt.
Die Thüringer Landesregierung, eine Minderheitskoalition aus Linken, SPD und Grünen, hat am Sonntag vor Augen geführt bekommen, dass das Vertrauen in sie massiv geschwunden ist. Die Linke hat im Kommunalen 40 Prozent ihrer Wähler verloren. Das ist fast die Hälfte. Und es ist ein Desaster für die Partei, das Ministerpräsident Bodo Ramelow bei der Landtagswahl im September allein durch seine Präsenz und Beliebtheit auch nicht mehr ausgleichen können wird.

Schwierige Verhältnisse im Herbst

Rot-Rot-Grün, das zum Amtsantritt „nicht alles anders, aber vieles besser machen“ wollte, ist krachend gescheitert.
Die Achtungserfolge des Bündnisses Sahra Wagenknecht, die Halbierung der ohnehin schwachen FDP und Grünen lassen erahnen, wie die Mehrheitsverhältnisse im Thüringer Landtag in Zukunft aussehen werden. Wobei von „Mehrheiten“ gar nicht mehr die Rede sein kann, wenn man die klassische Koalitionsarithmetik anwendet.
Die vermutlich zu Koalitionsverhandlungen einladende CDU muss sich dann ganz genau überlegen, ob sie wirklich auf eine Minderheitsregierung setzen will oder nicht lieber doch ein Konstrukt findet, mit dem Thüringen stabil geführt werden kann, ohne den Macht- und Destruktionsspielen der AfD ausgesetzt zu sein.