Kommentar
Zu lascher Kampf gegen politische Korruption in Deutschland

Die Maskendeals von Politikern hatten keine juristischen Folgen. Und auch in der Öffentlichkeit ist die Käuflichkeit von politischem Einfluss kaum Thema. Deutschland ist gegen die Aushöhlung der Demokratie durch Korruption zu wenig wehrhaft.

Ronen Steinke | 22.06.2024
Symbolbild: Leerer Plenarsaal des Deutschen Bundestags vor einer offiziellen Plenardebatte
Die Käuflichkeit von politischem Einfluss ist eine schleichende Gefahr für die Demokratie. (picture alliance / Flashpic / Jens Krick)
Ein neuer Verfassungsschutzbericht ist da, der ein weiteres Mal ein düsteres Bild zeichnet. Der Fokus liegt auf Bedrohungen der Demokratie und konkret auf extremen politischen Akteuren, auf Reichsbürgern mit kruden Weltbildern oder auf Islamisten mit apokalyptischem Programm, die an unseren Institutionen rütteln und zum Beispiel Umstürze versuchen wollen.
Dieser Fokus ist wichtig, aber: Die zweite Hälfte des Problems sollte nicht aus dem Blick geraten. Nicht nur von politischen Extremen drohen der Demokratie Gefahren. Ebenso braucht es Wachsamkeit auch gegen Gefahren, die schon lange auch in demokratischen Parteien selbst angelegt sind. Als latentes Problem, das sich mal mehr, mal weniger stark zeigen kann.

Schleichende Gefahr für die Demokratie

Die Käuflichkeit von politischem Einfluss – ein leider großes Thema unserer Zeit – ist eine schleichende Gefahr für die Demokratie. Das ist ein Thema, das medial immer mal wieder kurz aufflackert, wenn es etwa um dubiose Maskendeals von Abgeordneten geht, oder um bemerkenswert hohe Nebeneinkünfte, um größere Parteispenden durch Unternehmen, die damit den Treibstoff für Wahlkämpfe bereitstellen.
Nur ganz selten kommt es mal unter die Lupe der öffentlichen Betrachtung, wenn es ein Abgeordneter zu weit treibt und sich öffentlich mit Vorwürfen konfrontiert sieht. So wie der CDU-Mann Mark Hauptmann, der sich dafür einsetzte, dass einzelne Maskenfirmen Staatsaufträge erhielten – während gleichzeitig eine Spende eines Maskenlieferanten bei seinem CDU-Kreisverband einging. Oder etwa, wenn Abgeordnete des Bundestages Geld aus Aserbaidschan annehmen, getarnt als Werbeanzeigen oder Beratungshonorare – und dann Politik im Sinne Aserbaidschans machen.

Geringer Druck bei der Korruptionsbekämpfung

Es ist verblüffend, wie wenig wehrhaft die Bundesrepublik Deutschland gegen diese Form der Bedrohung, ja der Aushöhlung ihrer Demokratie in einzelnen Fällen ist. Eine Bedrohung, über die man im Verfassungsschutzbericht nichts lesen kann, wohl aber in den Berichten zum Beispiel der Organisation Transparency International.
Es ist erstaunlich, und es ist besorgniserregend: Für die Bekämpfung von politischer Korruption sind nicht Verfassungsschützer, sondern normale Staatsanwaltschaften zuständig. Und der Druck, den diese entfalten, ist beklagenswert gering angesichts dessen, was auf dem Spiel steht.

Korruptionsstrafrecht bei Maskendeals zu zahnlos

Nachdem die Maskendeals aufflogen, gab es letztlich juristisch keinerlei Strafen. Das deutsche Korruptionsstrafrecht war schlicht zu zahnlos. Es ist nun vor Kurzem minimal verschärft worden. Still und leise ist ein neuer Paragraf in Kraft getreten: Paragraf 108f des Strafgesetzbuchs, da geht es um Abgeordnetenbestechung. Aber auch dieser neue Paragraf droht Abgeordneten nur dann mit Strafe, wenn sie eine Geldzahlung mit einem expliziten politischen Auftrag annehmen. Das ist praktisch nie nachweisbar.
Wenn ein Abgeordneter nur allgemein auf der Gehaltsliste zum Beispiel eines Energieunternehmens steht – etwa als Berater oder als Aufsichtsrat – und gleichzeitig im Bundestag munter Energiepolitik im Sinne dieses Unternehmens macht, dann verstößt das weiter gegen kein Verbot. Dabei ist dies hochproblematisch.
Dass der Staat derzeit mehr oder wenig gutgläubig darauf vertraut, dass alle Abgeordneten charakterlich fest genug sind, um sich in ihrer politischen Willensbildung gar nicht durch einen zahlungskräftigen Arbeitgeber in der Wirtschaft beeinflussen zu lassen – nun, ob das klug und umsichtig ist, darüber kann man wohl streiten.

CDU-Abgeordneter Amthor: Lücke ausgenutzt

Ein konkreter Fall, der 2020 bekannt wurde und der rechtlich genau die soeben beschriebene Lücke ausnutzt: Der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor, der Aktienoptionen im Wert von bis zu 250.000 Dollar von einem amerikanischen Unternehmen der Sicherheitsindustrie annahm und gleichzeitig im Bundestag Innen- und Sicherheitspolitik betrieb. Er verstieß damit gegen kein Verbot. Das ist einfach legal in Deutschland. Auch weiterhin. So wenig Abwehrkräfte hat unsere Demokratie an dieser heiklen Stelle.
Hier bräuchte es Wehrhaftigkeit, und es schmerzt zu erkennen, wie weit die Bundesrepublik davon bislang noch entfernt ist.