Krawalle in Southport
Kommentar: Erste große Herausforderung für die Labour-Regierung

Nach der Messerattacke in Southport kommt es zu heftigen Ausschreitungen, befeuert durch rechtsradikale Gruppen. Großbritanniens neuer Premier Keir Starmer muss nun zu seinem Wort stehen - und die Täter zur Verantwortung ziehen.

Ein Kommentar von Christine Heuer | 05.08.2024
Polizeibeamte stehen brüllenden Demonstranten während einer Demonstration gegen Einwanderung vor dem Holiday Inn Express in Rotherham, South Yorkshire, gegenüber.
Die Ausschreitungen in Großbritannien wurden durch die Lügen rechtsradikaler Gruppen in den Sozialen Medien befeuert. (picture alliance / empics / Danny Lawson)
Hass gesät, Gewalt geerntet. Die rechtspopulistischen Zündler und rechtsradikalen Influencer haben erreicht, was sie wollten: Ein wütender, weißer, überwiegend männlicher Mob randaliert grölend vor Asyl-Unterkünften und Moscheen. Es fliegen Steine; Häuser und Autos werden angezündet, Fensterscheiben zerschlagen. Das Ganze ist mit ordentlich viel Alkohol getränkt. Der Angriff der Zündler auf die Zivilgesellschaft verlief nach Lehrbuch: Sie haben Ressentiments geschürt, Zweifel gestreut und erreicht, dass die Lüge stärker wirkt als die Wahrheit. Alles in der Gewissheit, vom Chaos danach nur profitieren zu können. Nirgends lässt sich leichter Macht erobern als auf den Trümmern alter Ordnungen und Gewissheiten.

Bekannte Rechtsextremisten und Frauenfeinde verbreiten Zweifel

Die da gezündelt haben, sind namentlich bekannt. Stephen Yaxley-Lennon, der sich selbst Tommy Robinson nennt, gehört dazu: Englands bekanntester Rechtsextremist, Gründer der English Defence League, die sich die weiße Vorherrschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Oder Andrew Tate: Englands bekanntester Frauenfeind, dem gerade wegen Vergewaltigung und Menschenhandel der Prozess gemacht wird. Von diesem Schlag sind die Leute, die ihren vielen Followern in den Sozialen Medien vorlügen, der Messer-Attentäter von Southport sei ein Islamist, der auf einem Boot ins Königreich gekommen sei.
Die Polizei dementierte das umgehend: Der 17-Jährige, der drei kleine Mädchen erstochen hat, ist als Kind ruandischer Einwanderer in Wales geboren. Er ist Brite. Die Polizei behandelt den Fall nicht als Terror-Attentat. Doch das ist nicht, was die Randalierer glauben wollen. Immer mehr Zuwanderer, immer weniger medizinische Behandlungen, stagnierende Gehälter bei steigenden Preisen: All das macht auch Britinnen und Briten zu schaffen, die nicht im Verdacht stehen, rechtsextrem zu sein.
Seriöse Politiker versuchen, die Probleme mit Sachpolitik zu lösen. Populisten zeigen lieber mit dem Finger auf einen Schuldigen. Früher war es die EU, heute sind es die Migranten. Und so kam, was kommen musste: Nigel Farage, Englands bekanntester Rechtspopulist, flankierte die Lügen im Internet mit einem Video-Clip, in dem er mit Unschuldsmine fragte, ob die Polizei auch ganz bestimmt die ganze Wahrheit sagt?

Erste Herausforderung für die neue Labour-Regierung

Für die neue Labour-Regierung sind die Krawalle die erste große Herausforderung. Der Premierminister hat angekündigt, alle Beteiligten (auch die Zündler im Internet) würden zur Rechenschaft gezogen. Genau das muss nun auch passieren, damit das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Staat und Gesellschaft nicht weiter erodiert. Als britischer Chefankläger hat Keir Starmer sich einst den Ruf erworben, wenn nötig hart und unbeirrt durchzugreifen. Er könnte der richtige Mann zur rechten Zeit sein, um das Chaos zu beenden. Und denen, die es herbeigeführt haben, Grenzen zu setzen.
Christine Heuer
Christine Heuer, geboren 1967 in Bonn, studierte Germanistik, Philosophie, Geschichte und Anglistik. Sie war für den Deutschlandfunk freie Korrespondenten im Bonner und Berliner Hauptstadtstudio, Landeskorrespondentin in Nordrhein-Westfalen und in der Kölner Chefredaktion Chefin vom Dienst. Heuer war zuletzt Redakteurin in der Abteilung Aktuelles und moderierte viele Jahre lang die Sendung "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Seit 2020 berichtet sie als Korrespondentin aus Großbritannien und Irland.