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Lieferkettengesetz
Endlich zeichnen sich globale Standards ab

2023 tritt das deutsche Lieferketten-Sorgfaltsgesetz in Kraft, eine EU-weite Regelung soll folgen. Dadurch wachse global der Druck, Standards einzuhalten, billige Produktion auf Kosten von Mensch und Umwelt würden teurer, kommentiert Jule Reimer.

Eine Kommentar von Jule Reimer |
Textilfabrik in Dhaka, Bangladesh
Unter welchen Arbeitsbedingungen ihre Produkte entstehen, das müssen größere Firmen mit Sitz in Deutschland künftig besser kontrollieren (picture alliance / NurPhoto / Mamunur Rashid)
Ganz ehrlich: Gefällt Ihnen eine Lederjacke, die preisgünstig gegerbt wurde, wobei die Gerber, zum Beispiel Frauen und Kinder, giftigen Chromvarianten ausgesetzt waren? Vermutlich nicht. Ab dem 1. Januar 2023 tritt deshalb das deutsche Lieferketten-Sorgfaltsgesetz in Kraft. Größere Unternehmen mit Sitz in Deutschland sind dann dazu verpflichtet, ihre Lieferketten auch im Ausland auf Missstände zu überprüfen und dies zu dokumentieren.
Ausbeuterische Kinderarbeit, moderne Varianten von Sklaverei, missachtete Arbeitsschutzstandards, verseuchte Böden und Gewässer – all das darf nicht mehr als unvermeidbar im internationalen Wettbewerb hingenommen werden, wenn es grundlegende Menschenrechte verletzt.

Wehklagen der Unternehmen nicht glaubwürdig

Das Wehklagen mancher Unternehmen und ihrer Interessenverbände angesichts des vermeintlichen zusätzlichen Aufwands ist nicht glaubwürdig. Denn erstens: So streng fällt die deutsche Gesetzesvariante gar nicht aus, eine zivilrechtliche Haftung mit Entschädigung der Opfer beispielsweise ist ausgeschlossen. Zweitens: Jedem global aufgestellten Unternehmenschef und jeder global aufgestellten Unternehmenschefin ist seit Jahren bekannt, dass es sich um unsaubere Abrechnungsmethoden handelt, wenn ein fertiges Produkt egal wo in der Welt als preisgünstig angepriesen wird, aber die wahren Kosten seiner Herstellung – zum Beispiel Gesundheitsschäden oder vergiftetes Wasser – den Menschen am Produktionsstandort aufgedrückt werden.
Denn schon Anfang des Jahrtausends haben die Vereinten Nationen begonnen, Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu erarbeiten – Einhalt auf freiwilliger Basis. Diese sind John Ruggie zu verdanken, dem 2021 verstorbenen UN-Sonderbeauftragten für Unternehmen und Menschenrechte. Ruggie pilgerte damals durch die Chefetagen. In der Regel wurde ihm versichert: „Unser Unternehmen beachtet doch die Menschenrechte“. Daraus entwickelte Ruggie sein Credo und die Prinzipien: Wer Menschenrechte beachtet, kann dann auch Vorgehen und Ergebnisse problemlos öffentlich dokumentieren.
Nichts Anderes setzt die Bundesregierung nun um – nur als Gesetz. Denn freiwillig mochten diverse Unternehmen doch keine Belege für ihr Menschenrechtsengagement liefern, was wiederum die Engagierten benachteiligt. Und jetzt zeichnen sich globale Standards ab.

Billige Produktion auf Kosten von Mensch und Umwelt wird endlich teurer

Die Europäische Union - drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt - wird mit einem EU-weit gültigen Lieferkettengesetz folgen. Von dem alle profitieren – weltweit. Durch die Lieferkettengesetze wächst überall der Druck, Standards auch einzuhalten.
Das deutsche Lieferkettengesetz hilft zudem, auch hierzulande Standards hoch zu halten. Denn es verändert Kostenrelationen zwischen den Regionen. Billige Produktionsmethoden auf Kosten von Mensch und Umwelt werden endlich teurer. Zeit also für einen Paradigmenwechsel: Erst kommt Menschenrecht, dann das Wirtschaftsrecht.
Jule Reimer
Jule Reimer, Redakteurin in der Abteilung Wirtschaft und Gesellschaft des Deutschlandfunk, spezialisiert u. a. auf internationale Handels-, Rohstoff-, Agrar-, Energie- und Umweltpolitik. Studium der Volkswirtschaft und Portugiesisch an der Universität zu Köln, journalistische Ausbildung in der "Kölner Schule" und bei der Deutschen Welle. Kurzzeitkorrespondentenvertretung der ARD für das südliche Afrika. Neben der Leidenschaft für Globalisierungsthemen ein tiefe Zuneigung zur lusophonen Welt. Deshalb immer mal wieder Kommentare zu und Reportagen aus Brasilien, Angola, Mosambik.