Kommentar
Den "Grauen Wölfen" mehr entgegensetzen

Der Jubel über den Erfolg der Türkei bei der Fußball-EM ist politisch: Ein Spieler zeigt den „Wolfsgruß“, das Symobol einer rechtsextremen Gruppe. Mehr Prävention und Aufklärung darüber wären wichtig.

Ein Kommentar von Ronny Blaschke | 03.07.2024
Zahlreiche Türken feiern auf dem Kurfürstendamm ausgelassen den Wahlsieg von Recep Tayyip Erdogan bei den Präsidentschaftswahlen in der Türkei. Dabei zeigten viele Teilnehmer den sogenannten "Wolfsgruß" türkischer Rechtsradikaler.
Gängige Geste auch in Deutschland: "Wolfsgruß" von Erdogan-Anhängern in Berlin 2023 (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
Der Fußballer Merih Demiral zeigte beim Achtelfinale seiner türkischen Nationalmannschaft in Leipzig den „Wolfsgruß“, eine Geste der rechtsextremen „Grauen Wölfe“. Doch Demiral war bei weitem nicht der Einzige. Bereits bei den Vorrundenspielen der türkischen Mannschaft in Dortmund und Hamburg hatten etliche türkische Fans die Symbole der „Grauen Wölfe“ gezeigt, auf Tätowierungen, Bannern und Flaggen.
Für viele Menschen in der Türkei und für viele türkischstämmige Menschen in Westeuropa ist der „Wolfsgruß“ ein gängiges Ausdrucksmittel ihres Nationalismus. Der Fußball trägt seit Langem dazu bei, dass diese Symbole normalisiert werden.

Problematischer Hintergrund

Politik, Medien und Fußball sollten aber hinter diese Symbole blicken: Seit dem Ursprung ihrer Bewegung in den 1970er-Jahren verüben die „Grauen Wölfe“ immer wieder körperliche Angriffe, insbesondere gegen kurdische und alevitische Menschen. Seit Jahrzehnten arbeiten die „Grauen Wölfe“ in der Türkei mit der rechtsextremen Partei MHP zusammen.
Diese Netzwerke spielen auch in der deutsch-türkischen Gemeinde eine Rolle. Vor allem im Ruhrgebiet sind die „Grauen Wölfe“ eng vernetzt mit Moscheegemeinen und Kulturvereinen.
Einige lokale Fußballklubs bezeichnen sich als „Turanspor“. Turan gilt als Synonym für ein angestrebtes großtürkisches Reich. In sozialen Medien der Vereine stößt man mitunter auf gewaltverherrlichende und antisemitische Sprüche. Empörung gab es darüber selten.
Die Geste des Fußballers Merih Demiral sollte in Deutschland nun eine überfällige Debatte starten, die in anderen Ländern schon intensiver läuft. In Österreich sind Zeichen der „Grauen Wölfe“ seit 2019 verboten. In Frankreich hatte der Ministerrat die Auflösung der „Grauen Wölfe“ 2020 angeordnet. Trotzdem bestehen dort im Verborgenen alte Netzwerke fort.

Anstoß für eine Debatte über die "Grauen Wölfe"

Und auch in Deutschland gibt es juristische Bedenken: Bei den „Grauen Wölfen“ handelt es sich nämlich nicht um eine zentral organisierte Partei, sondern um eine verzweigte Bewegung mit unterschiedlichen Verbänden und Vereinen.
In jedem Fall sind Aufklärung und Prävention gefragt: In den deutschen Fußballstrukturen gibt es lediglich in Nordrhein-Westfalen eine Meldestelle zu den Diskriminierungen der „Grauen Wölfe“. Doch dieses Projekt wird nur von einer Person betreut und ist zeitlich befristet.
Am Samstag nun spielt die türkische Fußballnationalmannschaft im Viertelfinal der Europameisterschaft gegen die Niederlande. Der Austragungsort ist das Olympiastadion in Berlin, wo die größte türkischstämmige Gemeinde Deutschlands lebt. Dieses Spiel sollte auch ein Anlass sein, um ein Zeichen zu setzen. Gegen die „Grauen Wölfe“.