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Kommentar: Migrationspolitik
Verweis auf Europa hilft nur bedingt

Vor dem Gipfel im Kanzleramt wurde unter anderem gefordert, die EU-Migrationspolitik zu reformieren. Doch der Verweis auf die EU helfe nur bedingt, meint Carolin Born. Denn die EU-Länder seien seit Jahren über Migrations- und Asylpolitik zerstritten.

Ein Kommentar von Carolin Born |
Gerettete Geflüchtete stehen dicht aneinander gedrängt am Bug eines Schiffes.
Vor der Küste Griechenlands aus Seenot gerettete Geflüchtete: Dass sich die 27 EU-Staaten beim ewigen Streitthema Migration einigen, sei unwahrscheinlich, kommentiert Carolin Born. (AFP / Costas Metaxakis)
An diesem Mittwoch (10. Mai) ist die Migration das Thema in Berlin – doch auch im Kanzleramt ist man sich darüber bewusst: Alleine lösen kann Deutschland die Probleme sowieso nicht. Wer Migration stärker steuern will, der braucht Brüssel. Insofern ist es richtig, wenn es auch um Fragen wie Asylverfahren an Außengrenzen geht. Nur: Der Verweis auf Europa hilft nur bedingt.

Reform der EU-Migrationspolitik nicht in Sicht

Denn die 27 EU-Länder sind seit Jahren zerstritten in der Migrations- und Asylpolitik. Damit es mit einer Reform klappt, müsste die EU das Wort Solidarität, das auch Kanzler Olaf Scholz bei seiner Europarede in Straßburg beim Thema Migration mehrfach bemühte, wirklich mit Leben füllen. Zum Beispiel bei beschleunigten Asylverfahren bereits an den EU-Außengrenzen, wenn Menschen nur wenig Aussicht auf Schutz haben – der Vorschlag, hinter den sich Innenministerin Nancy Faeser gestellt hat. Blendet man die rechtlichen Bedenken einmal aus, dann ist klar: Es ist kaum daran zu denken, dass Ersteinreiseländer wie Italien oder Griechenland auch bereit sind, diese Aufgabe zu übernehmen.
Im Moment wehren die Mittelmeerländer die Asylsuchenden mitunter gewaltsam ab. Oder: Wenn diese es über die Grenze geschafft haben, behandeln die Länder sie so schlecht, dass die Menschen nicht bleiben wollen. Oft lassen sie Migranten einfach weiterziehen in andere Länder. Die laut beklagte Sekundärmigration innerhalb der EU ist auch eine Folge davon, dass man die Ersteinreiseländer jahrelang allein gelassen hat.

Frankreich und Italien streiten über Migrationspolitik

Wenn man nun einen gemeinsamen Ansatz verfolgen will, muss man diese Länder entlasten. Doch zuletzt waren nur noch eine Handvoll EU-Mitgliedsstaaten bereit, überhaupt Asylsuchende aufzunehmen, im Rahmen einer freiwilligen Solidaritätserklärung. Frankreich wollte eigentlich verhärtete Fronten aufweichen – als Zugpferd – und hat sich jüngst wieder mit Italien überworfen – im Streit über die Migrationspolitik.
Statt zu zeigen, dass es gehen könnte, wurde unfreiwillig genau das Gegenteil bewiesen: Dass sich immer mehr EU-Länder mit Händen und Füßen dagegen wehren, anderen europäischen Staaten Asylsuchende abzunehmen.

Grenzverfahren und Verteilung

Damit aber die in Deutschland diskutierten Grenzverfahren eine realistische Möglichkeit sind, braucht es eine faire Verteilung. Wenn Italien oder Griechenland keine Gewissheit darüber haben, ob die Flüchtlinge mit Aussicht auf Schutz wirklich weiterverteilt werden und, noch wichtiger, ob die Rückführung der abgelehnten Asylbewerber gelingt, dann wird es mit ihnen solche Verfahren nicht geben.
Dass sich die Staaten beim ewigen Streitthema Verteilung einigen, ist unwahrscheinlich – und selbst wenn, besteht das Risiko, dass sich Ungarn und Polen erneut weigern – diesmal wohl auch mit dem Argument, dass sie viele Ukrainer aufgenommen haben.
Außerdem braucht es Abkommen, die sicherstellen, dass Migranten mit negativem Bescheid wirklich zurückgenommen werden – im Gegenzug beispielsweise für legale Migrationsmöglichkeiten. Offenbar hat man mit den Drittstaaten außerhalb der EU nicht besonders gut verhandelt: Deutschland hat gerade einmal ein Migrationsabkommen mit Indien.
Von Berlin bis Brüssel tut man sich schwer mit der Solidarität – eine europäische Lösung ist notwendig, aber leider nicht in Sicht.