Die Zukunft von Olympia
Kommentar: Macht die Sommerspiele größer!

Obwohl die Olympischen Sommerspiele das größte Sportfest der Welt sind, fehlen wichtige Sportarten, kommentiert Matthias Friebe. Die Spiele sollten daher ein Weltsporterbe erschaffen – und im Sinne der Nachhaltigkeit zwischen mehreren Orten rotieren.

Ein Kommentar von Matthias Friebe |
Das Boot mit dem Deutschen Team vor dem Eiffelturm auf der Seine. Die Mannschaften aus Algerien, Albanien und Südafrika sind ebenfall auf diesem Boot.
Das Boot mit dem Deutschen Team vor dem Eiffelturm auf der Seine. Die Mannschaften aus Algerien, Albanien und Südafrika sind ebenfall auf diesem Boot. (IMAGO / Ulmer / Teamfoto / Michael Kienzler)
Macht die Spiele größer! Schon jetzt sind sie kaum fassbar groß: Über 10.000 Sportlerinnen und Sportler aus aller Welt, mehr als 300 Entscheidungen, das alles in 16 sehr kompakten Tagen.
Das hier ist trotzdem ein Plädoyer für Sportarten, die fehlen. Ein Plädoyer für die Rückkehr von Baseball oder Karate, genauso ein Plädoyer für die Aufnahme von Padel, Beachhandball, Sumo oder auch Tanzen bei Olympia, um nur einige zu nennen. Macht die Spiele größer und länger!
Cricket wird schon 2028 olympisch werden. Das IOC erschließt damit einen gigantischen Markt, was Sponsoren- und TV-Interesse angeht. Die olympische Gelddruckmaschine wird noch besser laufen.

Regionale Sportarten aus Asien, Afrika und Südamerika

Aber die Werte dahinter sind ja immer noch nicht falsch. Identitätsstiftend über Generationen, manchmal völkerverbindend, nach eigenem Anspruch sogar friedensstiftend.
Deswegen hier die Vision: Olympische Spiele, bei denen der Sport im Vordergrund steht, die Lust an Bewegung und Wettkampf – und auch Sportarten mit einbeziehen, die traditionell vor allem regional, vielleicht nur in Asien, Afrika und Südamerika verankert sind.
Traditionsreiche Sportarten, die nur von wenigen gewonnen werden können, gibt es auch jetzt schon. Beim Dressurreiten muss man dafür nicht mal sehr weit gucken.

Drei Wochen? Ein ganzer Monat?

Neben Weltkultur- oder Weltnaturerbe könnte man so ein Weltsporterbe schaffen, ein wirklich allumfassendes sportliches Messen auf dem Globus – für so viel Pathos kann sich bestimmt auch der ein oder andere Berufs-Olympia-Funktionär begeistern.
Wer Olympia vergrößert, der muss zwangsläufig die Spiele verlängern. Und hier kommen wir zum nächsten Vorteil. Aus 16 Tagen könnten drei Wochen werden oder ganz groß mit IOC-Pathos gedacht: ein ganzer Monat des Weltsports, alle vier Jahre.
Dadurch könnte der Zeitplan entzerrt werden, mehr Fläche bieten für Sportarten, die eben nicht im Fokus stehen wie der Fußball. Und die Handballer, Fußballerinnen, Badminton-Spieler – sie wären die lästigen Spiele vor der Eröffnungsfeier los. In Paris waren acht von zwölf Rugby-Teams schon ausgeschieden, bevor das Feuer überhaupt brannte. Aberwitzig!

Ein Austragungsort pro Region

Mit etwas mehr Ruhe im Zeitplan könnte man auch die Teilnehmerfelder moderat erhöhen, sodass nicht wie im Handball bei nur zwölf Teilnehmern für viele europäische Topteams die Qualifikation die weit größere Hürde als das Turnier selbst ist.
Die Frage, die jetzt unweigerlich kommt: Wer will das ausrichten und bezahlen? Hier kommt Teil zwei des Vorschlags. Was für Winterspiele sogar schon mal überlegt wurde, könnte ja auch im Sommer Sinn ergeben: ein Rotationssystem.
Pro Kontinent oder Region wird ein fester Austragungsort geschaffen, der nach so und so vielen Olympiaden wieder dran ist.

Bleibende Orte des Sports

Also zum Beispiel: Paris, Los Angeles, Rio de Janeiro, Peking, Sydney, Kapstadt, vielleicht noch Doha. Und dann geht es wieder von vorne los.
Das wäre nachhaltiger, würde immense Baukosten sparen, weiße Elefanten wären Geschichte. Allenfalls alle 25-30 Jahre müssten die Arenen auf den neuesten Stand renoviert werden. Und mit diesem Konzept würden große Orte geschaffen, die – und das ist dem IOC ja auch immer wichtig – für Tradition und Emotion gleichermaßen stehen.
Sportliche Sehnsuchtsorte, die aber, weil regelmäßig wiedergenutzt, greifbarer sind und sich nicht im Staub der abgebauten Gerüststangen von provisorischen Tribünen nach zwei Wochen Spielen auflösen.

Nur eine Utopie

Was es natürlich immer neu braucht, sind Olympische Dörfer. Aber auch hier könnte man aus der Not eine Tugend machen. Sozialer Wohnungsbau dürfte in keiner Metropole der Welt schlecht ankommen.
Bevor aber endgültig der Vorwurf der Naivität kommt: Ja, das ist eine Utopie, die am System scheitern wird. An Funktionären, die ständig neue Vergaben und neue Orte brauchen – aus Selbsterhaltung und weil neue Märkte so verdammt lukrativ sind. Und es würde wohl auch daran scheitern, dass man sich auf den Kontinenten nicht einigen könnte. Warum Peking und nicht Tokio? Wirklich Paris oder doch das historische Athen?
Es wäre eine völlig neue Idee von Olympia, aber vielleicht ist sie ja einen Gedanken wert, in einer (Sport)-Welt, die sich nicht nur schneller dreht, sondern die von Kriegen, Krisen und Klimawandel ohnehin extrem bedroht ist.