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Kommentar zur Panzerdebatte
Das Kanzleramt muss sich bewegen

Um Russland wieder aus den besetzten Gebieten zu vertreiben, brauche die Ukraine viele Waffen, auch Kampfpanzer, kommentiert Sabine Adler. Noch blockiere Berlin bei Leopard-Lieferungen, aber schon wieder sorge Frankreich für Druck auf die Regierung.

Ein Kommentar von Sabine Adler |
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht vor einem Kampfpanzer Leopard 2 nach der Ausbildungs- und Lehrübung des Heeres im Landkreis Heidekreis in der Lüneburger Heide zu Soldaten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einem Kampfpanzer Leopard 2. Der Ukraine will er ihn noch nicht geben. (picture alliance / dpa / Moritz Frankenberg)
Bundeskanzler Scholz hält sich an seinem Satz, Deutschland werde keine Alleingänge unternehmen, fest wie ein Ertrinkender an einer Holzplanke.  Er ist so wenig überzeugend wie seinerzeit die Phrase von der Nordstream-Pipeline als rein privatwirtschaftlichem Projekt. Die Gasleitung ist quasi untergegangen und seitdem von ihr kaum noch die Rede ist, hat die Regierung eine für Deutschland erstaunliche Anpassung an die Realität geschafft. Nämlich Waffen doch in Kriegsgebiete zu liefern, wenn dort die Freiheit und Selbstbestimmung der Verbündeten verteidigt wird.
Obwohl die zurückgelegte Strecke lang war, ist das Ziel noch nicht erreicht, sondern erst, wenn die russischen Besatzer aus der Ukraine vertrieben und die Grenzen wiederhergestellt sind.
Dafür braucht das Land viele Waffen, auch Kampfpanzer, denn im Frühjahr droht eine neue russische Großoffensive. Dass sich jetzt mehrere europäische Nachbarn, allen voran Polen, so auf den Leopard fixieren, liegt dieses Mal nicht daran, dass Warschau wieder einmal gegen Berlin sticheln möchte, sondern weil dieser Panzer nach wie vor zum Besten gehört, was der Westen zu bieten hat.
Viele europäische Länder nutzen ihn, überall hin klappt die Versorgung mit Ersatzteilen und Munition, vermutlich auch bis in die Ukraine. Den Soldaten ein Kampfpanzermodell zu liefern ist allemal logischer als viele unterschiedliche, wie jetzt bei den leichteren Panzern.
Das soll sich bei dem so wichtigen Kampfpanzer nicht wiederholen, zumal die Voraussetzungen dafür stimmen. Nur: Berlin bewegt sich nicht. Da der Leopard hierzulande produziert wird, dürfen die anderen Staaten, die ihn besitzen, ihn erst an Kiew abgeben, wenn der Bundessicherheitsrat, also die Bundesregierung das erlaubt. Hier muss sie jetzt einen Alleingang wagen, ohne kann die kollektive europäische Panzeraktion nicht starten.
Um den Druck auf Berlin zu erhöhen, ist Frankreich vergangene Woche angeblich vorgeprescht, wie die US-Internetzeitung "Politico" schreibt und sich auf einen französischen Spitzenbeamten beruft. Emmanuel Macron hat ohne auf Washington und Berlin zu warten als erster die Lieferung eines westlichen Panzers angekündigt, denn er, der französische Präsident, setzt sich gern an die Spitze, ganz anders als Olaf Scholz, der zwar Führung verspricht, sich dann aber nicht traut. Dabei hätte er nur auf seinen Genossen Michael Roth zu hören brauchen. Der hat schon vor Monaten einen Vorschlag des European Council on Foreign Relations aufgegriffen, ein europäisches Kontingent von Leopard 2 zu entsenden, denn 13 europäische Länder besäßen rund 2000 Stück und könnten welche entbehren.
Nun steht Marcon als Vorreiter da, zumal er die Leopard-Vereinbarung angeblich schon bis zum deutsch-französischen Gipfel am 22. Januar unter Dach und Fach haben möchte. Da soll des 60. Jahrestages des Elysee-Vertrags gedacht werden, der damit kein Dokument für das Museum wäre, sondern eines für gelebte Partnerschaft. Doch dafür braucht es noch Bewegung im Kanzleramt.
Korrespondentin Warschau
Sabine Adler, Journalistin und Buchautorin. Journalistik-Studium Universität Leipzig, danach Sender Magdeburg, radio ffn, Deutsche Welle. Seit 1997 beim Deutschlandradio, u.a. als Russland-Korrespondentin, Leiterin des Hauptstadtstudios. 2011-2012 Leiterin Presse und Kommunikation Deutscher Bundestag. Danach Osteuropakorrespondentin, derzeit Leiterin des Reporterpools.