Kommentar
Die vergiftete Beitragsdebatte beschädigt ARD und ZDF

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll reformiert werden, und das ist auch notwendig. Doch die auf dem Tisch liegenden Pläne werden nicht dabei helfen, den Rundfunkbeitrag zu senken. Deswegen droht ein rundfunkpolitischer Offenbarungseid.

Ein Kommentar von Martin Krebbers |
Aufgebaute Kamera des WDR in einer Fußgängerzone.
Schon lange gibt es Streit um den Rundfunkbeitrag, mit dem die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Sender finanziert wird - doch eine echte Lösung ist nicht in Sicht. (IMAGO / Michael Gstettenbauer)
20 Radiowellen weg, hieß es in den Schlagzeilen, als erste Details zum Entwurf der Rundfunkreform durchsickerten. Die Zahl 20 hält sich bis heute, sie klingt eindrucksvoll und griffig. Doch sie ist falsch.
Wer sich die Mühe macht, nachzurechnen mit dem Schlüssel, den die Länder zugrunde legen, kommt auf 16 Radiosender. Doch die Zahl 20 hält sich bis heute im Diskurs, fast so, als solle all das, was da geplant ist, noch größer wirken, als es ist. Der Reformentwurf für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk also nur ein Scheinriese?
Die 16 Streich-Sender könnten am Ende 16 Kleinstprogramme sein: digitale Nischenangebote wie MDR Tweens, NDR Blue oder BR-Verkehr. Der Einspareffekt dürfte sich in Grenzen halten. Die Auswahl der zu streichenden Sender wollen die verantwortlichen Medienpolitiker den Sendern überlassen.
Man wolle nicht in die Rundfunkfreiheit eingreifen, heißt es dann weihevoll. In Wahrheit duckt man sich weg. Denn: Konkrete Radioprogramme werden von Landesparlamenten in Gesetzen beauftragt. Warum der Auftraggeber diesen dann nicht auch wieder entziehen kann, erschließt sich nicht.

Kein Einspar-Ziel von den Ländern

Auch ein Einspar-Ziel geben die Länder nicht vor. Wie viel soll denn eingespart werden durch die Streichung von Radio- und Fernseh-Spartenkanälen? Und so kommt nun auch die unabhängige KEF, die die Beitragshöhe festlegt, zu dem Schluss: Die angedachten Reformen bringen kurzfristig keinen und mittelfristig nur einen geringfügigen Einspar-Effekt.
Eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags lässt sich so kaum verhindern. Genau das stört manche Länderchefs wie Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Rainer Haseloff, der mit Blick auf den Entwurf poltert: Alles ganz nett, aber es reiche nicht. Mit ihm werde es keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags geben.
Denn genau darum geht es ja in dieser Debatte - um den Rundfunkbeitrag. Die KEF hatte eine Erhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro empfohlen, zum 1. Januar. Doch dem müssen alle 16 Landesparlamente zustimmen, und das scheint nach jetzigem Stand ausgeschlossen. Damit bliebe ARD und ZDF keine andere Wahl, als ihr Recht vor dem Bundesverfassungsgericht zu ertrotzen, es wäre ein neuerlicher Scherbenhaufen.
Eine echte Rundfunkreform ist wichtig und notwendig, und ja, die Anstalten müssen schlanker werden und sparen! Dicke Intendanten-Limousinen und fürstliche Ruhegelder sind aus der Zeit gefallen und müssen weg. Doch auch das senkt keinen Rundfunkbeitrag.

Der Beitrag könnte um 1,87 Euro sinken

Die KEF rechnet vor, was wirklich etwas brächte: Um deutliche 1,87 Euro würde der Beitrag sinken, nähme man sogenannte beitragsferne Leistungen aus dem Rundfunkbeitrag heraus, etwa die Landesmedienanstalten, die den Privatfunk beaufsichtigen. Auch Orchester und Chöre könnten über Steuern oder Abgaben finanziert werden. Es blieben 16,49 Euro, die wir als Beitragszahler tatsächlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen. Das wäre ein ehrliches Preisschild.
Doch das wird nicht kommen, genauso wenig wie ein Beitrag, der sich automatisch an der Entwicklung der Verbraucherpreise orientiert. Auf diese Weise ließen sich erbitterte und oft populistisch geführte Beitragsdebatten entschärfen und entpolitisieren - doch auch das lehnen einige Landesparlamente empört ab.

Spürbare Einschnitte und sinnvolle Synergien

Und so bleibt die Beitragsdebatte vergiftet und nicht ehrlich geführt. Das beschädigt den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der für eine informierte und mündige Gesellschaft dringend gebraucht wird.
Ein Scheinriese ist die Reform dennoch nicht, sie enthält durchaus spürbare Einschnitte und schafft sinnvolle Synergien. Den Rundfunkbeitrag aber wird sie nicht senken, und so könnte die Reform spätestens in den Landesparlamenten scheitern - und das wäre ein rundfunkpolitischer Offenbarungseid.