Archiv

Eingriffe in die Texte von Roald Dahl
Wer Respekt einfordert, sollte selbst auch respektvoll handeln

Der Puffin Verlag hat in der Neuauflage der Bücher von Roald Dahl potenziell verletzende Wörter durch freundlichere ersetzt. Er handele damit gegen die Intention des Autors, der keine pädagogische Mission gehabt habe, kommentiert Maja Ellmenreich.

Ein Kommentar von Maja Ellmenreich |
Roald Dahl trägt ein kariertes Jacket und lacht in die Kamera.
Roald Dahls Ton war bisweilen böse, seine Sprache würzig, die Bilder überzeichnet. Jedem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen war offensichtlich nicht das Ziel des Schriftstellers. (picture alliance / Photoshot)
Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Was der Puffin Verlag mit den Büchern von Roald Dahl angestellt hat, ist ein Paradebeispiel für diese Binsenweisheit.
Gut gemeint ist das Vorgehen ohne Zweifel: Junge Leserinnen und Leser sollen durch Dahls Bücher nicht daran gehindert werden, zu respektvollen, weltoffenen und auf die Chancengleichheit vertrauenden Erwachsenen zu werden.
Zu diesem Zweck wurden etwa Beschreibungen wie „fett“ und „hässlich“ durch freundlichere Adjektive ersetzt; und in einer Aufzählung literarischer Großmeister taucht zum Beispiel nicht mehr Joseph Conrad auf, der die Vorzüge der britischen Kolonialmacht für sich zu nutzen wusste. Jetzt steht seine allseits beliebte Kollegin Jane Austen in dieser Reihe.

Von Dahls Original bleibt nicht viel übrig

Soweit, so gar nicht gut. Denn die wohlmeinende Absicht lässt vom Dahlschen Original nicht mehr viel übrig. Nach den schwerwiegenden Eingriffen steckt in den Büchern nicht mehr drin, was draufsteht.
Roald Dahl hat sie auf dem Papier des 20. Jahrhunderts geschrieben, überschrieben wurden sie nun mit dem Rotstift des 21. Man muss seinen zuweilen bösen Ton nicht mögen, seine überzeichneten Bilder oder seine würzige Sprache. Jedem und allem Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – das war offensichtlich nicht das Ziel dieses Schriftstellers.
Nun aber wird ihm mit der Neuauflage seiner Bücher eine pädagogische Mission untergejubelt, die im Grunde ehrenwert sein mag, aber – noch einmal – nichts mit der ursprünglichen Intention des Autors zu tun hat. Ja, Kinder sollen weder ätzen noch beleidigen, sie sollen andere für ihr Aussehen nicht aburteilen. Und sie sollen bitteschön wissen, dass man Texte aus früheren Zeiten mit dem Bewusstsein von heute anders lesen muss als zu ihrer Entstehungszeit. Das gilt sowohl für die Bücher von Joseph Conrad als auch für die von Roald Dahl.
Die Literatur hat dafür längst Mittel und Wege gefunden: Fußnoten und Randbemerkungen, einleitende und einordnende Begleittexte. Kein Leser, keine Leserin – ob jung oder alt – muss ahnungslos bleiben.
Auch Neudichtungen sind denkbar: zeitgemäße Erzählungen, die auf den Motiven früherer Texte basieren. Oder aber ein Verlag kann auch zu dem Schluss kommen, Titel auslaufen zu lassen, nicht wieder aufzulegen. Alles ist möglich, muss nur entsprechend benannt werden.
Wer mit gutem Grund Respekt einfordert, sollte selbst auch respektvoll handeln: gegenüber Inhalten, gegenüber dem Lesepublikum und gegenüber Autorinnen und Autoren.