
Selten war nach einer Bundestagswahl so viel Ernüchterung zu spüren. Aber das Ergebnis dürfte allen noch mal deutlich gemacht haben, wie ernst die Lage ist. Entsprechend ist es jetzt notwendig, dass sich Union und SPD am Riemen reißen und sich darum bemühen, schnell, aber sorgfältig eine Regierung zu bilden. Eine Regierung, die hält.
CDU, CSU und SPD müssen zusammenfinden, denn es ist die einzige stabile Mehrheit, die möglich ist. Eine Koalition mit der AfD hat die Union – absolut zu Recht – ausgeschlossen. Es ist also gut, dass man schon diese Woche in die Sondierungen gegangen ist. Gerade die geopolitische, internationale Lage lässt es nicht zu, dass Deutschland monatelang nur halb entscheidungsfähig ist.
Zur Koalition verdammt
Aber auch die innenpolitische Lage ist herausfordernd: Es braucht zum Beispiel Konzepte für die Zukunft der Rente und im Bereich der Pflege, bezahlbarer Wohnraum ist knapp und die Wirtschaft schwächelt. Hinzu kommt der Zulauf zu der in Teilen als rechtsextrem eingestuften AfD, die versuchen wird, das Land weiter zu spalten und Ängste zu schüren.
Einfach dürften die Koalitionsverhandlungen aber nicht werden: Einerseits sind beide potenziellen Koalitionspartner zur Zusammenarbeit verdammt – denn niemand dürfte eine instabile Minderheitsregierung oder gar Neuwahlen wollen.
Auch Tonalität wichtig
Andererseits gibt es nach den Wahlergebnissen - die SPD mit einem historischen Tief, die Union unter 30 Prozent - den Druck aus den Parteien, möglichst viel von den eigenen Inhalten durchzusetzen. So hat zum Beispiel die Union sehr hohe Erwartungen beim Thema Migration und Asyl geweckt. Jetzt muss sie - wie auch die SPD - erklären, dass zur Demokratie auch der Kompromiss gehört.
Es wird in den kommenden Tagen und Wochen aber nicht nur um Inhalte gehen. Auch die Tonalität spielt eine große Rolle: Eine vertrauensvolle Regierungsarbeit funktioniert nur, wenn man sich nicht ständig in die Haare kriegt und beschlossene Kompromisse nicht infrage stellt.
"Grüne und linke Spinner" streichen
Da muss die Union an sich arbeiten. Sie hat im Wahlkampf einige Scherben hinterlassen. So was wie „grüne und linke Spinner“ sollte Merz aus seinem Wortschatz streichen – gerade er muss als voraussichtlich zukünftiger Kanzler jetzt einen und nicht spalten. Hier muss er noch einige Meter gut machen, bevor die ihm vertrauen, die er jüngst angegriffen hat.
Aber auch Teile der SPD müssen aufhören, die Union auf eine Stufe mit den Rechtsextremisten der AfD zu stellen. Das ist inhaltlich falsch, polarisiert genauso und verkennt die Notwendigkeit einer demokratischen konservativen Kraft.
Die Verhandlungen zwischen Union und SPD stehen erst am Anfang, aber schon jetzt ist klar: Sie dürfen – trotz aller Herausforderungen - nicht scheitern.