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Kommentar zur Lage der SPD
Kanzler Scholz muss Führungsstärke zeigen

Bundeskanzler Olaf Scholz habe derzeit viele Baustellen, kommentiert Frank Capellan zur SPD-Klausur. Es knirsche in der Ampel, Koalitionspartner forderten ihn heraus - und die erfolgreiche Innenministerin Nancy Faeser könnte bald eigene Wege gehen.

Ein Kommentar von Frank Capellan |
Olaf Scholz beim Pressetermin zur Klausur der SPD-Spitze zum Jahresauftakt im Willy-Brandt-Haus. Berlin, 08.01.2023
Führungsstärke habe Scholz in seinem ersten Jahr als Kanzler oft vermissen lassen, kommentiert Frank Capellan (picture alliance / Geisler-Fotopress / Frederic Kern)
Vielleicht braucht Olaf Scholz ja doch keinen neuen Kommunikationsberater. Vielleicht reicht es ja auch, sich ab und zu Franziska Giffey ins Haus zu holen. Die Regierende Bürgermeisterin kommt als Wahlkämpferin zur SPD-Klausur und kontert mit Bravour das Berlin-Bashing der CSU. Angesichts der Angriffe gegen ihre Integrationspolitik redet sie sich in Rage: „Sage mir Deinen Vornamen und ich sage Dir, wer Du bist!?! – So läuft das nicht!“ schimpft Giffey. „Das diskreditiert all diejenigen, die einen anderen Namen haben als Karl, Wilhelm und Klaus oder auch Lars!“
Dem SPD-Lars, Lars Klingbeil, gefällt das. Er kann nur hoffen, dass Giffeys Esprit zieht. Eine Niederlage in Berlin zum Auftakt eines wichtigen Wahljahres wäre eine kleine Katastrophe für den Parteivorsitzenden, für den Kanzler sowieso.

Es knirscht in der Ampel

Scholz hat einige Baustellen. Es knirscht in der Ampel. Mit der Lieferung des Schützenpanzers Marder ist das Waffenthema mitnichten abgeräumt, sein grüner Vize Robert Habeck und Außenministerin Anna-Lena Baerbock hätten nichts gegen eine baldige Lieferung des Kampfpanzers Leopard, auch FDP-Chef Christian Lindner hat Scholz öffentlich dazu aufgefordert, seiner Führungsrolle gerecht zu werden und Entscheidungen der Verbündeten schneller herbeizuführen. Eine Last ist es da für den Kanzler, sich auch noch mit Christine Lambrecht herumschlagen zu müssen. Die Verteidigungsministerin macht Scholz immer wieder angreifbar.
Ein kleiner Trost ist es da, dass er mit Nancy Faeser eine starke Innenministerin im Kabinett hat. Gleichermaßen konsequent reagiert sie auf Angriffe von Reichsbürgern und Silvesterchaoten – heute gerade wieder mit Blick auf eine überfällige Waffenrechtsreform. Faeser könnte er als Ministerpräsidentin nach Hessen verlieren, spätestens wenn ihre Kandidatur klar ist, muss er die Schwachstelle im Verteidigungsministerium schließen.

Es wird ein wichtiges Wahljahr

Unruhe im Kabinett dürfte es auch an anderer Stelle geben: Grüne und FDP streiten darüber, wie der von der SPD ausgerufene Infrastrukturturbo ausfallen soll, mehr zugunsten der Schiene oder der Straße. Und auch bei der Atomkraft lässt die FDP nicht locker.
In einem wichtigen Wahljahr ist also Führungsstärke gefragt, die der Kanzler in seinem ersten Jahr so oft vermissen ließ. Und weil Scholz eben nicht Giffey ist, täte auch ein wenig Kommunikationsberatung ihm und seiner SPD ganz gut.
Frank Capellan, Hauptstadtstudio
Frank Capellan, geboren 1965 im Rheinland, studierte Publizistik, Neuere Geschichte und Politikwissenschaften, Promotion an der Universität Münster. Nach einer Ausbildung bei der Westdeutschen Zeitung folgte ein Volontariat beim Deutschlandfunk, dem er bis heute treu geblieben ist. Zunächst Moderator der Zeitfunk-Sendungen, unter anderem der Informationen am Morgen; seit vielen Jahren als Korrespondent im Hauptstadtstudio tätig, dort u. a. zuständig für die SPD und Familienpolitik.