Kommentar
Das Kapern von Songs - eine Strategie der Rechten

Pfingsten auf Sylt: Rassistische Parolen werden auf den Beats eines Popsongs gegrölt. Es ist Ausdruck davon, wie die Ideologie der Neuen Rechten verfängt. Dagegen vorzugehen, ist es an der Zeit, kommentiert Lars Hendrik Beger.

Von Lars Hendrik Beger |
Die Terrasse des Pony-Club in Kampen auf Sylt.
Partystimmung für Neue Rechte: Im Pony-Club auf Sylt hatten Gäste an Pfingsten rassistische Parolen zu einem Popsong angestimmt. (picture alliance / dpa / Lea Sarah Albert)
Die Party auf Sylt ist nicht der erste Fall: Schon im Oktober 2023 kursierten Videos von einem Erntedankfest in Mecklenburg-Vorpommern, es folgten Aufnahmen von Karnevals- oder Faschingsveranstaltungen in Bayern und Nordrhein-Westfalen.
Warum nun ausgerechnet dieses Lied, warum ausgerechnet diese Party, ließe sich fragen. Dabei spielt das überhaupt keine Rolle, denn: Es hätte jedes andere Lied, jede andere Party sein können.

Aneignen, umdeuten, provozieren

Seit Jahrzehnten vereinnahmen Rechtsextreme Popsongs für ihre Zwecke. Lieder, die jeder kennt, werden zum Träger rassistischen oder völkisch-nationalen Gedankengutes. Etwa Songs von Helene Fischer oder Wir sind Helden, die 2014 beim Wahlkampf der NPD gespielt wurden.
Selbst antirassistische Lieder lassen sich instrumentalisieren. So wurde etwa Bob Marleys „Get Up, Stand Up“ bei Demos der von rechts unterwanderten Querdenkern gespielt. Aus einem emanzipatorischen Song über die afrikanische Diaspora wird dann mal schnell eine mitgröltaugliche Parole gegen „Die da oben“.
Aneignen, umdeuten, provozieren – all das sind eigentlich Strategien der Popkultur. Die Neue Rechte hat das erfolgreich erkannt und ist genau deswegen besonders perfide.

Das Ergebnis rechter Metapolitik

Denn während viele Feiernde bei „L’amour toujours“ einen ganz gewöhnlichen Partysong hören, ist er für andere der Soundtrack für rechtsextreme Parolen. Dafür braucht es keinen Strategen, keine zentrale Figur. Es reicht ein viraler Moment und plötzlich landet eine ehemalige NPD-Parole auf einer Tanzfläche im Jahr 2024.
Die Partyfeiernden, die auf dem Sylter Video zu sehen sind, werden sich dafür verantworten müssen. Und das ist auch richtig so. Es kann aber sein, dass diese Menschen nicht zwangsläufig ein stramm rechtsextremes Weltbild haben, wie mindestens ein Partyteilnehmer nun auch öffentlich beteuert.

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Viel mehr liefern sie den Beweis für die Verschiebung dessen, was öffentlich möglich ist. Hitlergruß? Rassistischste Parolen? Kann man nicht nur sagen, sondern sogar ganz ungeniert filmen und teilen.
Was in Sylt, aber auch in anderen Teilen des Landes derzeit passiert, ist das Ergebnis rechter Metapolitik. Rechtsextreme Vordenker wie Martin Sellner oder Götz Kubitschek wollen Unsagbares und Undenkbares in der Breite der Gesellschaft salonfähig machen. Sei es generell Rassismus oder konkret Ideen und Worte wie Remigration oder die Relativierung des Holocaust.

Es braucht mehr Zivilcourage

„L’amour toujours“ von den Tanzflächen zu verbannen, wird nicht reichen. Denn womöglich kursiert schon jetzt der nächste bisher völlig unproblematische Popsong als rechtsextreme Mitgrölvariante in sozialen Netzwerken.
Es geht um mehr: Es geht um die Erkenntnis, dass die Neue Rechte einen Kulturkampf gegen unsere Werte führt, der vor dem Hintergrund möglicher Wahlerfolge beängstigen muss. Es wird Zeit, diesen Kampf anzunehmen und das nicht bloß im Augenblick der Empörung, sondern immer und überall.
Im Kleinen heißt das mehr Zivilcourage, wenn rechtsextreme Parolen gerufen werden. Im Großen heißt es, Rechtspopulismus und rechtsextreme Ideen in die Schranken zu weisen, egal zu welchen Rhythmen.