Die Aufregung ist groß über Elon Musk und Mark Zuckerberg. Die Aufregung ist aber noch lange nicht groß genug - und leider geht sie am Kern des Problems vorbei. Ja, Musk hat massiv zur Wiederwahl Donald Trumps beigetragen. Über „X“ mischt er sich brachial in Deutschland ein, in Großbritannien, Italien und anderswo.
Und ja, Zuckerberg hat den Meta-Konzern auf Trump-Kurs gebracht. In der Begründung für den Verzicht auf Faktenchecks bei Facebook und Instagram in den USA verneigt er sich tief vor dem künftigen Präsidenten und auch vor Musk. Es ist zum Fremdschämen, wie er deren politisches Framing übernimmt und Codes der globalen neuen Rechten nachspricht.
Musk und Zuckerberg sind zwei der Tech-Milliardäre, die sich früher eher liberal gaben. Zuckerberg sperrte einst sogar Trumps Facebook-Konto. Zu der Riege gehört auch Amazon-Chef Jeff Bezos, seit elf Jahren Eigentümer der „Washington Post“. Jetzt hat die Zeitung den Abdruck einer Karikatur verweigert, die Bezos und andere beim Kniefall vor Trump zeigt.
Tech-Konzerne auf Trump-Kurs
Die Tech-Riesen, zu denen auch die Google-Mutter Alphabet oder Apple gehören, sind weder für Transparenz bekannt noch für nennenswerte Steuerzahlungen. Sie kämpfen normalerweise hart, auch mit Regierungen. Mit Trump wollen sie sich nicht wieder anlegen oder zumindest jetzt nicht.
Vieles wäre anders gekommen, hätte Kamala Harris die Wahl gewonnen. Die Progressiven und die Mitte nicht nur in den USA müssen sich fragen, warum sie an Zustimmung verloren haben. Erfolge von Nationalisten und Populisten in den noch freien Gesellschaften kann man nicht nur mit der radikal veränderten Medienlandschaft erklären - aber doch zu einem beachtlichen Teil.
Die von Bezos kontrollierte „Washington Post“ wirbt weiter mit dem Motto „Democracy dies in darkness“. Demokratien sterben aber auch durch mächtige, gierige Monopole. Ob Musk in einer Springer-Zeitung veröffentlichen darf, ob bei Facebook ein wenig auf Fakten gecheckt wird oder nicht - das ändert nicht viel. Und auch der Abschied der Anständigen vom Twitter-Nachfolger „X“ hat überwiegend Symbolwert. Musks Ansichten darf jeder und muss niemand beachten. Seine Macht aber gehört eingehegt, so wie jede Macht.
Zu viel Macht über den Rohstoff Information
Die Plattformen sind zu groß geworden. Ihre Algorithmen schüren Desinformation, Aufregung und Hass, um aus Reichweite und Werbung Geld zu machen. Wir können uns im freien Teil der Welt keine Oligarchen leisten, die den Rohstoff Information kontrollieren wie einst Fürsten, Kriegsherren und ihre Finanziers. Die Tech-Konzerne müssen deshalb notfalls zerschlagen werden.
Das mag man für unrealistisch halten, obwohl es in der Geschichte Vorbilder dafür gibt und auch wenn Brüssel und Washington im Kartellrecht geübt sind. Die Drohung sollte aber nicht vom Tisch. Vor allem gilt es jetzt, härter denn je demokratisch legitimierte Regulierung durchzusetzen. Die Konzerne und ihre Heerscharen von Anwälten dürfen nicht mehr mit dem bizarren Argument durchkommen, anders als Redaktionen seien Plattformen nicht für die Inhalte verantwortlich. Es ist ganz einfach: Wer Lügen oder Hass verbreitet, muss dafür geradestehen und sollte daher in wirksame Prävention investieren. Das allerdings kostet dramatisch mehr als ein paar Faktenchecks.
Nicht nur die EU, wir alle müssen handeln
Die informationssteuernden Algorithmen sind potenzielle Massenvernichtungswaffen. Sie müssen offengelegt, kontrolliert und verändert werden. Wir sollten uns zudem den Aufbau gemeinnütziger, vielleicht öffentlich-rechtlicher sozialer Netzwerke vornehmen. Worauf wartet die EU noch?
Letztlich sind staatliche Mittel jedoch begrenzt. Wir alle sind verantwortlich. Viele Menschen verschenken leichtfertig Daten und verbreiten gedankenlos die abstrusesten Posts weiter. Erschreckend viele können Nachrichten nicht mehr von Meinung oder Werbung unterscheiden. Dabei ist Medienkompetenz überlebenswichtig geworden, für einzelne und für die Gesellschaft. Sie muss in der Schule unterrichtet und in den Familien gelebt werden. Wenn wir uns selbst nicht genug kümmern, dann sollten wir nicht mit dem Finger auf andere zeigen, wenn Demokratien sterben.