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Kommentar zur Trump-Anklage
Ein Prozess, der sich für den Ex-Präsidenten auszahlen könnte

130.000 US-Dollar Schweigegeld hat Donald Trump 2016 an einen Pornostar bezahlt. Ob der Fall für eine Anklage reicht, wurde lange abgeklopft. Nun kommt er vor Gericht. Das verspricht nicht nur wegen eines Kronzeugen spannend zu werden.

Von Doris Simon |
Die Silhouette von Donald Trump bei der Ankunft zu einer Wahlkampfveranstaltung auf einem roten Teppich am Waco Regional Airport in Waco, Texas.
Wahlkampfveranstaltung in Texas: Seit Trump angekündigt hat, er werde verhaftet, fließen mehr Spenden in seine Wahlkampfkasse, Anhänger scharen sich um ihn. (Getty Images / The Washington Post/ Jabin Botsford)
Der Zombiefall - wenn dieser Name in den letzten Jahren fiel, wusste man in New Yorker Staatsanwaltskreisen, es geht um Trumps Schweigegeldzahlung von 2016, verbucht als Anwaltskosten. Zombiefall, weil die Vorgänge über die Jahre immer wieder abgeklopft wurden, ob sie für eine Anklage taugen, mit dem immer selben Ergebnis: zu riskant, nicht geeignet.
So sah es anfangs auch Manhattans Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg. Umso erstaunlicher, dass Bragg den untoten Fall wiederbelebt und jetzt zur Anklage gebracht hat. Vielleicht war der Druck zu groß auf ihn: Seine Kritiker warfen dem Bezirksstaatsanwalt vor, er halte sein Versprechen nicht, er unternehme nichts in Sachen Trump. Sicher ist, dass Bragg mit dieser Klage auf Risiko spielt.

Kronzeuge als Schwachstelle

Die Anklage ist ein kompliziertes Konstrukt, nie zuvor angewendet und ohne Garantie, dass eine Jury den Angeklagten wegen Vorwürfen von Buchhaltungsbetrug und der Verletzung von Wahlkampffinanzierungsregeln verurteilen würde.
Die zweite Schwachstelle ist der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft: Michael Cohen war jahrelang Trumps Mann fürs Grobe, er hat Dinge gefixt, also aufgeräumt, wie auch immer. Er hat wegen Steuerhinterziehung und Lügen unter Eid hinter Gittern gesessen. Nicht jedes Jurymitglied dürfte diesem schillernden Hauptbelastungszeugen glauben, wenn er jetzt seinen früheren Boss beschuldigt.

Prozess nutzt Trump bei den Vorwahlen

Nichts würde Donald Trump bei seinen politischen Ambitionen mehr nutzen als ein Freispruch in seiner alten Heimat, der er den Rücken gekehrt hat und die für viele seiner Anhänger der Inbegriff all dessen ist, was sie ablehnen. Bei den Vorwahlen wird sich der Prozess so oder so auszahlen.
Seit Trump angekündigt hat, er werde verhaftet, fließen mehr Spenden in seine Wahlkampfkasse und Anhänger scharen sich um ihn. Seine republikanischen Mitbewerber raufen sich die Haare. Sie sind zudem gezwungen, Solidaritätsadressen abzugeben, wollen sie die Basis nicht ganz verlieren.
Dabei wäre es ein Treppenwitz, wenn aus der Fülle der Untersuchungen gegen den früheren Präsidenten ausgerechnet die Schweigegeldzahlung an einen Pornostar zu seiner Verurteilung führte: nicht zuerst die Anstiftung zum Umsturzversuch am Kapitol am 6. Januar, nicht der Versuch, Joe Biden den Wahlsieg 2020 in Georgia zu stehlen, nicht das hartnäckige Verstecken streng geheimer Dokumente oder eine der anderen laufenden Untersuchungen.

Trump auffallend nervös und laut

Donald Trump ist immer dann zu seiner ihm eigenen Form aufgelaufen, wenn er sich angegriffen fühlte. Das lieben seine Anhänger an ihm, auch jetzt.
Aber es ist schon auffallend, wie nervös und wild der frühere Präsident in diesen Tagen in den sozialen Netzwerken um sich schießt. Nach Jahrzehnten, in denen sich Trump noch aus jeder rechtlichen Schlinge winden konnte, scheint ihm das Verfahren in Manhattan echte Sorgen zu bereiten. So laut Donald Trump gerade ist, es klingt wie Pfeifen im Wald. In einem Wald voll mit untoten Fällen.