Vorstoß der Ukraine in Kursk
Kommentar: Russland ist nicht unverwundbar

Seit der Annexion der Krim 2014 sei so etwas wie das Vorrücken der Ukraine im russischen Kursk überfällig, meint Thomas Franke. Nur mit Druck lasse sich die russische Armee stoppen, dafür brauche es auch deutsche Waffen - so schmerzhaft das auch sei.

Ein Kommentar von Thomas Franke |
Blick auf ein durch eine ukrainische Rakete zerstörtes Wohngebäude im russischen Kursk. Das Bild wurde von der russischen Staatsagentur Tass zur Verfügung gestellt.
Ein laut Russland durch ukrainische Raketen zerstörtes Wohngebäude im russischen Kursk. Das ukrainische Militär kontrolliert laut Präsident Selenskyj mittlerweile 74 Ortschaften in der Region. (picture alliance / dpa / TASS / Vladimir Gerdo)
Seit 2014, das sind zehneinhalb Jahre, führen Russlands Soldaten Krieg in der Ukraine. Noch länger baut die russische Propaganda die NATO und die EU zu Feindbildern auf, trichtert den Menschen in Russland ein, der Westen wolle sie vernichten. Russland bricht Völkerrecht und stationiert nicht weit von der EU- und NATO-Außengrenze Raketen, die Berlin, Warschau und noch ein paar andere westeuropäische Metropolen erreichen können.
Gleichzeitig greift Russland auf allen nicht militärischen Ebenen an, finanziert extreme Parteien, zerstört den Diskurs in westlichen Demokratien durch falsche und manipulierte Nachrichten und so weiter. Und führende Sozialdemokraten argumentieren immer noch, man dürfe Russland nicht provozieren. Absurd. So wiegt man den Aggressor in Sicherheit.

Kursk zeigt: Russland ist nicht unverwundbar

Seit der Eroberung der Krim vor zehneinhalb Jahren diktiert Wladimir Putin die Regeln. Kein Wunder, dass das Regime von Putin das Gefühl der Unverletzlichkeit hat, zulasten der Ukraine. Die hat nun reagiert. Der Vormarsch in die russische Region Kursk zeigt: Russland ist nicht unverwundbar. Die angefasste Reaktion Putins, die Tatsache, dass Russland Truppen neu aufstellen muss, beweist, dass der Angriff ein Schritt in die richtige Richtung ist. Seit der Annexion der Krim 2014 vor mehr als zehn Jahren ist so etwas überfällig.
Die Gegner des ukrainischen Gegenangriffs argumentieren auch mit der deutschen Vergangenheit. Sie möchten nicht, dass die Ukraine dabei deutsche Waffen einsetzt. Sie fürchten die Konsequenzen einer konsequenten Reaktion. Hätten die vergangenen Bundesregierungen bereits 2014 konsequent gehandelt, gäbe es den Krieg in der Form wahrscheinlich nicht.
Es sind unter anderem die sozialdemokratischen Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel, die nach dem Beginn des Krieges diplomatisch versagt haben. Statt ihre Fehler einzuräumen, behindern führende Sozialdemokraten mit ihren Äußerungen erneut die Verteidigung der Ukraine und verzögern weiter die Sicherung von Europas Zukunft vor einem Angriff aus Russland.

Jede Verzögerung schadet dem Opfer

Der gesellschaftliche Konsens in der Bundesrepublik nach 1945 lautete: Nie wieder Krieg. Das heißt: Von deutschem Boden darf nie wieder ein Krieg ausgehen. Nie wieder bedeutet auch, dass nie wieder jemand einen Vernichtungskrieg gegen jemand anderen führen darf. Wer also ruft: "Der Krieg muss gestoppt werden", der muss die Ukraine stärken. Russland wird seine Truppen nicht ohne maximalen Druck zurückziehen. Jede Verzögerung schadet dem Opfer und bestärkt das Regime in Moskau.
In der Praxis sieht das so aus: Waffen, auch aus Deutschland, helfen, pazifistische Grundsätze durchzusetzen. Es ist schmerzhaft, das anzuerkennen. Wer sich dem aber verweigert, macht sich mitschuldig am immer länger laufenden Krieg Russlands gegen die Ukraine.