US-Militär-Leak
Kommentar: App statt Abhörsicherheit

Die US-Regierung bespricht einen Angriff auf den Jemen im Signal-Gruppenchat. Der Leak macht klar, wie gefährlich die "Effizienz" genannte Geringschätzung von Vorsichtsmaßnahmen ist: Entlassungen mit drastischen Folgen und App statt Abhörsicherheit.

Ein Kommentar von Doris Simon |
US-Präsident Donald Trump sitzt mit Verteidigungsminister Pete Hegseth im Oval Office.
Hat Trumps Regierung Angriffspläne auf Huthis im Jemen über einen Signal-Chat besprochen? US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (r.) soll in dem Chat gewesen sein. (picture alliance / Sipa USA / Sipa USA)
Kein Wunder, dass der Journalist zuerst dachte, jemand wolle ihn auf die Schippe nehmen: Was hatte er in einem Gruppenchat zu suchen, in dem höchste US-Militär- und Sicherheitsverantwortliche einen Angriff auf den Jemen besprechen? Aber es war kein Schwindel, amerikanische Bomben trafen die Huthis so, wie in den Textnachrichten angekündigt.
In Trump-freundlichen Medien und Posts winden sich seither die Unterstützer des US-Präsidenten, um die peinliche Geschichte zu banalisieren: Jeder habe doch schon mal den Falschen per E-Mail oder SMS angeschrieben. Aber hier gehts nicht um Bürotratsch. Der Gruppenchat wirft ein Schlaglicht auf die Stümperei, die Gedankenlosigkeit und die Geringschätzung von Vorsichtsmaßnahmen durch Menschen, die mit dem Schutz ihres Landes betraut sind und von denen auch im Rest der Welt eine Menge abhängt.

Als gefährliche Anfänger blamiert

Verteidigungsminister Hegseth redet immer von seiner militärischen Erfahrung. Hätte er sie, dann wäre er in seinen abhörsicheren Raum zu Hause oder im Pentagon gegangen, um US-Piloten und andere am Angriff Beteiligte nicht in Gefahr zu bringen. Aber der frühere Fox-Moderator ist ein arroganter Dilettant, der nach Bekanntwerden des Leaks alle Energie darauf verwendete, den Journalisten zu verleumden und alles zu leugnen. Zumindest Mike Waltz, der Nationale Sicherheitsberater oder die anwesenden Geheimdienstchefs hätten auf das Einhalten der Sicherheitsvorschriften bestehen müssen.
Es ist kein Geheimnis in Washington, dass US-Regierungshandys das ausgemachte Ziel Nummer eins chinesischer Hacker sind. Aber Geheimdienstkoordinatorin Tulsi Gabbard ist offenbar derzeit voll damit beschäftigt, drakonische Maßnahmen zu planen gegen alle Mitarbeitenden, die Informationen nach außen leaken. Und es war der Nationale Sicherheitsberater des Präsidenten, der den Journalisten in den Gruppenchat eingeladen hatte. Es passt nicht zum Präsidenten, der Amerika wieder großartig machen will, wenn seine Leute sich vor aller Welt als gefährliche Anfänger blamieren. Aber Trump setzt darauf, dass er und seine Umgebung über die entsprechenden Medien schon dafür sorgen werden, dass die Dramatik hinter der Sicherheitspanne viele US-Bürger nie erreichen wird.

Verschlüsselte App für Angriffsplanungen

Umso mehr passt die Geschichte des Gruppenchats in das Dauerrauschen von vorgeblicher Effizienz dieser US-Regierung und von Musks DOGE: Nicht lange fackeln mit dem umständlichen Weg über den Kongress oder den Rechtsweg. Stattdessen chaotische Kürzungen und Entlassungen mit dramatischen Folgen. Oder eben praktisch-schnelle Messenger-Nachrichten anstelle immer in den Keller zu müssen in den abhörsicheren Raum. Eine verschlüsselte App soll reichen für Angriffsplanungen, die in jedem Fall Menschenleben kosten: Die Hybris in dieser US-Regierung zwei Monate nach dem Amtsantritt von Donald Trump ist nicht nur für US-Bürger beunruhigend.
Über die letzten Wochen haben die langjährigen Partner in Europa und der Welt schmerzhaft begriffen, dass man dem großen Verbündeten welt- und handelspolitisch nicht mehr über den Weg trauen kann. Jetzt haben sie auch Einblick in den Umgang der US-Verantwortlichen mit entscheidenden militärisch-geheimdienstlichen Informationen bekommen. Nichts daran ist gut.