Kommentar zur Werteunion
Noch eine Ich-Partei

Die rechtskonservative Werteunion mit ihrem Vorsitzenden Hans-Georg Maaßen will eine Partei werden. Damit hat sie am Wochenende die Abspaltung von CDU und CSU eingeleitet. Noch eine Partei eines gekränkten Machtmenschen, kommentiert Henry Bernhard.

Ein Kommentar von Henry Bernhard |
Hans-Georg Maaßen mit schwarzen Mantel kommt die Treppe hoch.
Der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen wehrte sich gegen seinen CDU-Parteiausschluss. Nun gründet er mit der Werteunion seine eigene Partei. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
Noch eine Partei! Noch eine Partei eines gekränkten, eitlen Machtmenschen, der sich mit seiner früheren Partei überworfen hat. Nach Alexander Gauland, Bernd Lucke, Frauke Petry, Sahra Wagenknecht. Wer erinnert sich noch an die Namen der Parteien der Ex-AfD-Vorsitzenden? Nun also Hans-Georg Maaßen, der noch immer Mitglied der CDU ist und sich bislang gegen einen Rauswurf vehement gewehrt hat.

Zwischen AfD und CDU

Wo will die Werteunion hin? Wie auch schon die schnell gescheiterten „Blaue Partei“ Frauke Petrys und die „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ Bernd Luckes will sie das Feld zwischen AfD und CDU bespielen. Da die AfD seit ihrer Gründung beständig nach Rechtsaußen wandert, ist dort genug Platz. Und da Hans-Georg Maaßen seine bisherige Partei, die CDU, bereits im „links-grünen Lager“ verortet, macht er da ein besonders weites Feld für politische Manöver aus.
Maaßen gibt sich als Traditionalist, als Bewahrer der CDU von Adenauer und Kohl, und verkennt dabei, dass nicht nur die 60er-, sondern inzwischen auch die 80er-Jahre vorbei sind. Dass die Partei, deren baldige Gründung von ein paar Hundert meist älteren Männern und wenigen Frauen in Erfurt beschlossen wurde, mit dem Rüstzeug der Vergangenheit den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sein wird, ist fraglich. Aber im Wahlkampf werden Hoffnungen verkauft und nicht Gewißheiten.

Kein Erbarmen mit Schwachen

Die Werteunion verspricht ein „Umsteuern in fast allen zentralen Politikbereichen“. Eine Innenpolitik mit harter Hand, eine rigide Sozialpolitik mit wenig Erbarmen für Schwächere. Eine enorm restriktive Zuwanderungspolitik, in der Minderjährige „keine Sonderbehandlung“ erfahren sollen. Und einen Assimilationsdruck für Zuwanderer.
Immerhin, ein entscheidender Unterschied besteht zur AfD: Man bekennt sich zur westlichen Gemeinschaft und auch zur NATO. Starke Positionen gegen einen Kulturrelativismus, der westliche Werte aufweicht, sind kombiniert mit einer generellen Ablehnung, ja Anfeindung des Islams, wo doch politischer Islam, Islamismus das Problem ist. Hier nähert sich die Werteunion mit ihrem aktuellen Positionspapier wieder der AfD an.
Aber die Leute um Maaßen, Maaßen selbst, haben auch kein wirkliches Problem mit der AfD. Mit einem offenen Bekenntnis gegen alle Brandmauern und mit einer Ablehnung aller Positionen links von sich, die man für „sozialistisch“, wenn nicht für „kommunistisch“ oder „linksextrem“ hält, scheint klar, wem die Werteunion zukünftig zur Seite stehen wird. Und wenn die AfD bei kommenden Landtagswahlen zunächst im Osten an die Mehrheit der Parlamentssitze knapp heranreichen sollte, dann würde die „Werteunion“ wohl kaum zögern, ihr zur Macht zu verhelfen.

Aus "konservativ" wird "reaktionär"

Man hat ja auch keine Probleme damit, wenn sich Vorstandsmitglieder auf Treffen mit AfD und Identitären tummeln, auf denen Deportationspläne für Ausländer und Unerwünschte ventiliert werden. An dieser Stelle wird aus „konservativ“ „reaktionär“. So antwortete denn auch ein Vorstandsmitglied nach der entscheidenden Sitzung auf dem Wege zur Partei in Erfurt auf die Frage, was die Werteunion von der AfD unterscheide: Dass man keinen Björn Höcke habe. Mehr fiel ihm nicht ein. Es scheint also, dass der freie Raum zwischen Werteunion und CDU nicht viel kleiner ist als der zwischen AfD und CDU.
Vielleicht findet sich ja noch eine neue Partei für die Lücke. Wird die Werteunion Erfolg haben, in die Parlamente kommen? Der Zeitplan bis zu den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen, Brandenburg im September ist extrem ambitioniert. Es wäre eine Meisterleistung, Organisation, Finanzierung, Listenaufstellung pünktlich auf die Reihe zu bekommen und überhaupt anzutreten.
Wenn die Werteunion in die Parlamente kommt – und mit ihr auch noch die vor wenigen Tagen gegründete Wagenknecht-Partei, dann könnte das die endgültige Abkehr von den Gewissheiten der Parteienlandschaft der alten Bundesrepublik und der eingespielten Koalitions-Arithmetik sein, die schon jetzt immer wieder an ihre Grenzen kommt. Hier könnten die Populisten von Rechts und Links, die Konservativen und Reaktionären die Verhältnisse zum Tanzen bringen. Auch, wenn dazu ein Marsch aus alten Zeiten gespielt wird.

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Henry Bernhard
Henry Bernhard wurde 1969 geboren und wuchs in Weimar auf. Er studierte Politik, Publizistik, VWL und Völkerrecht in Göttingen. Seit 1990 arbeitete er fürs Radio, davon 20 Jahre ausschließlich an langen Radiofeatures. Sein Schwerpunkt lag dabei auf historischen Themen – Geschichten aus dem geteilten Deutschland und aus dem "Dritten Reich", von gescheiterten Kommunisten und zurückgekehrten Juden, von Überlebenden und Verlierern der Geschichte. Nach einem Ausflug zum Fernsehen ist er seit 2013 Landeskorrespondent von Deutschlandradio in Thüringen.