Noch Ende Januar hatte Claus Weselsky die Sympathien vieler kritischer Beobachter, auch Bahnreisender, auf seiner Seite. Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL galt als der tapfere Kämpfer für die aufrechten Werktätigen in den Lokomotiven, die sich redlich im Schichtdienst ihr Brot verdienen. Ihm gegenüber die Millionärsriege vom Vorstand der Deutschen Bahn aus der Teppichetage des Bahn-Towers in Berlin-Mitte, die verantwortlich ist für den desolaten Zustand des Staatsunternehmens.
Doch diesen Kredit als edler Ritter für das Gute hat Weselsky nun verspielt. Seine jüngste Volte werden ihm die Bahnkunden nicht so schnell verzeihen. Um den Konflikt zu dramatisieren und unberechenbare „Wellenstreiks“ zu rechtfertigen, gab er in einer Pressekonferenz am Montag ein zentrales Detail aus den Verhandlungen falsch wieder.
Claus Weselsky behauptete, auch die externen Vermittler Thomas de Maizière und Daniel Günther hätten vorgeschlagen, die Arbeitszeit für Mitarbeiter im Schichtdienst lediglich um eine Stunde zu reduzieren, bei vollem Lohnausgleich. Das stimmte nicht. Der Vorschlag der beiden Moderatoren sah vor, die Wochenarbeitszeit bis Anfang 2028 um zwei Stunden abzusenken – also eine 36-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.
Als kritische Journalisten die Ungereimtheit aufdeckten, sprach der Gewerkschaftschef von einem „Denkfehler“. Mittlerweile sagt er, man habe den Vermittlervorschlag ablehnen müssen, weil andere Punkte - wie etwa die Laufzeit des Tarifvertrags - nicht akzeptabel gewesen seien.
Weselsky scheint mit falschen Fakten zu argumentieren
Das „Denkfehler“-Narrativ erscheint wenig glaubwürdig. Es war auffällig, dass Weselsky nach der Pressekonferenz eilends davonlief. Er wollte sich nicht auf weitere kritische Nachfragen von Journalisten einlassen – anders als sonst bei ähnlichen Gelegenheiten. Es scheint, als habe Weselsky den nächsten Streik unbedingt gewollt - und als habe er hier bewusst mit einem falschen Faktum argumentiert.
Gern erwähnt der Mann aus Dresden auch, dass er sich mit 28 anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen bereits auf die 35-Stunden-Woche geeinigt habe. Dabei unterschlägt er immer wieder, dass dies in den Tarifverträgen nur unter einem Vorbehalt gültig wird: wenn nämlich die GDL auch mit der Deutschen Bahn eine entsprechende Einigung erzielt.
Der Gewerkschaftsboss, der sein Gegenüber Martin Seiler, Personalvorstand der Deutschen Bahn, gern als „Lügenbaron“ bezeichnet, hat sich von seiner schwächsten Seite gezeigt - als einer, der mit Manipulationen zum Ziel kommen will.
So wird Weselsky die Öffentlichkeit nicht gewinnen können. Es ist Zeit, dass er sich mit der Deutschen Bahn endlich einigt. Der Kompromiss liegt längst auf dem Tisch.