Kommentar zur Wirtschaftskrise
Bitte etwas mehr Zuversicht

Der angekündigte Stellenabbau bei Thyssenkrupp, VW in der Krise: Droht Deutschland die Deindustrialisierung? Die Lage ist schwierig, aber Angst hilft nicht weiter. Dass das Land Transformation kann, hat es mehrfach bewiesen.

Überlegungen von Birgid Becker |
Blick von der Halde Rheinpreussen auf Duisburg mit Schiffen auf dem Rhein und dem Thyssenkrupp-Werk Bruckhausen.
Thyssenkrupp hat angekündigt, in seiner Stahlsparte tausende Stellen abzubauen: Das schürt Ängste um den Industriestandort Deutschland. (picture alliance / imageBROKER / Stefan Ziese)
Kein Tag ohne Hiobsbotschaft, am Montag die Stellenabbaupläne bei der Stahlsparte von Thyssenkrupp, davor der angekündigte Jobabbau bei Ford, noch davor der aufgekündigte Beschäftigungspakt bei Volkswagen. Es sieht aus, als taumele Deutschlands Wirtschaft und mit ihr Deutschlands Wohlstand dem sicheren Abgrund entgegen. Und tatsächlich, rosig ist die Lage nicht.

Berechtigte Sorge versus lauter Alarmismus

Ein Rezessionswinter steht bevor, Auftragseingänge der Industrie mau, Exportzahlen schwach, und wenn man es besonders düster mag, dann kann man schon erste Vorboten dafür erkennen, dass es mit einer Arbeitsmarktlage nahe der Vollbeschäftigung auch vorbei sein könnte. Und über allem schwebt das Schreckenswort: Deindustrialisierung. Klingt, als würde Deutschland über Nacht zurückgeworfen in eine Art vorindustrielle Agrargesellschaft – oder schlimmer, mit der Landwirtschaft läuft es ja auch nicht mehr.
Das Schwierige an der Lage jetzt ist, die Trennlinie zu finden zwischen berechtigter Sorge und lautem Alarmismus. Ja, es ist richtig, Deutschlands Industrieproduktion sinkt und das schon seit fast einer Dekade. Etwa 30 Prozent der Industrieproduktion stehen unter Druck, neben der Autoindustrie trifft es die energieintensiven Branchen, und ja, die sind wichtig im Land.
Trotzdem lohnt sich ein genaueres Hinsehen. Die Stahlsparte von Thyssenkrupp ist das Gegenteil eines mit Weitsicht geführten Unternehmens. Bei VW, wohlgemerkt der Kernmarke, nicht beim Konzern, klappt notorisch nicht, was andernorts funktioniert – bei BMW zum Beispiel. Fords deutsche Tochter ist ein chronisch schlecht ausgestattetes Stiefkind seiner amerikanischen Konzernmutter. Längst nicht alle Lieferanten von Hiobsbotschaften der vergangenen Tage stehen also exemplarisch für die wirtschaftliche Lage im Land. Hausgemachte Probleme spielen da eine große Rolle.

Die Ampel war schlecht für die Wirtschaft

Trotzdem: Die Lage ist schwierig. Und einen Anteil daran hat, dass die Ampel schlicht und einfach schlecht war für die Wirtschaft. Sie konnte zwar nichts fürs abgestellte Billig-Gas aus Russland, nichts dafür, dass uns die Kundschaft aus China den Rücken kehrt, sie kann auch nichts für den Wahlsieg Donald Trumps, der, wenn er seine Zollpläne über Kanada, Mexiko und China hinaus ausweitet auf Europa, der deutschen Exportwirtschaft noch eine ganz ungeahnte Problemwelle bescheren wird. Aber der Ampel ist einfach jeder Versuch misslungen, die Lage der Industrie zu verbessern. Viel Luft nach oben für die nächste Regierung.
Was nun am wenigsten helfen wird, ist ein vielstimmiger Chor der Angst – oder jene Angstlust, die geradezu genussvoll Untergangszenarien beschwört. Denn: Deindustrialisierung hat keine Zwangsläufigkeit und Transformation – in der Autobranche oder auf dem Weg zur Klimaneutralität - ist nicht zwingend gleichbedeutend mit Wohlstandsverlust. Dass das Land Transformation kann, hat es mehrfach bewiesen. Etwas mehr Selbstbewusstsein und Zuversicht dürften schon drin sein.