"Der DFB muss seriöser Anwalt und Dienstleister für den Fußball sein." Mit diesem Anspruch hat sich Fritz Keller für das Amt des DFB-Präsidenten beworben. Was 2019 eine Floskel war, ist jetzt eine Farce. Keller wollte einen Kulturwandel. Jetzt ist er es, der als Präsident seinen Vize während einer Sitzung als "Freisler" bezeichnet.
Keller ist damit nicht nur an seinen eigenen Ansprüchen gescheitert. Er hat auch das letzte bisschen moralische Autorität verloren. Diese moralische Autorität bräuchte er aber, um weiter DFB-Präsident zu sein. Denn seine faktische Macht ist durch die DFB-Strukturreform ohnehin seit Amtsantritt stark eingeschränkt.
Die Richtlinienkompetenz für den Präsidenten wurde aufgehoben, die Aufgaben sollten besser verteilt werden. Gemeinsam, wie Rainer Koch 2019 immer wieder betont hat. Koch ist seit 2013 DFB-Vizepräsident. Zwei Präsidenten-Stürze hat er miterlebt, immer hatte er danach mehr Macht. 2015 tritt Wolfgang Niersbach wegen der Sommermärchen-Affäre zurück. 2019 folgt Reinhard Grindel, als bekannt wird, dass er Zusatzeinkünfte nicht angegeben und eine Luxus-Uhr angenommen hat.
Medienberater stach Informationen durch
Recherchen der Süddeutschen Zeitung und der BILD zeigen: Dass die Informationen über Grindels Zusatzeinkünfte 2019 an den Spiegel gelangen, liegt offenbar an dem kaum bekannten Medienberater Kurt Diekmann. Der brüstet sich in einer Mail an den Spiegel-Redakteur: "Chapeau! Mit dieser Grosskalibersalve habt (haben wir) die Munitionskammer des Grinch erwischt." Der Grinch ist diesem Fall Grindel.
Brisant daran: In den Jahren zuvor hatte Diekmann immer wieder Kontakt zu: Rainer Koch. Und nur Tage nach dem Rücktritt Grindels erhält Diekmann einen hochdotierten Vertrag beim DFB. Ein Vertrag, nach dem Keller laut SZ selbst fahnden musste, weil Generalsekretär Friedrich Curtius und Koch ihn vor dem Chef geheim halten wollten. Solche Konstrukte in Verbindung mit vielen Leaks an die Presse, die Keller schlecht aussehen lassen – das sieht nicht nach gemeinsamer Arbeit, sondern nach Intrigen aus.
Das Glück für Koch und Curtius: Aus einem dahin genuscheltem "Freisler" ist in der breiten Öffentlichkeit leichter ein Skandal zu machen, als aus diesen komplizierten Verbindungen. Die Eignung von Koch und Curtius für hohe Positionen im deutschen Fußball stellt das trotzdem in Frage.
Curtius zahlt für Wikipedia-Artikel
Zumal Curtius zudem mehr als 15.000 Euro an eine Agentur bezahlt haben soll, um seinen eigenen Wikipedia-Artikel zu schönen.
Ein Rücktritt Kellers ohne einen Rücktritt von Koch und Curtius – er würde die Lage des DFB also nicht verbessern, womöglich sogar verschlechtern.
Die Folgen des Machtkampfes sind jetzt schon zu sehen: Das Profi-Lager rund um die professionell geführte Deutsche Fußball Liga hat weiter an Einfluss gewonnen. Dafür leiden die Amateurvereine – weil ihr Lobbyverband mit sich selbst beschäftigt ist. Das wissen auch einige Landesverbände. "Eigentlich brauchen wir ein komplett neues Führungsgremium", sagt der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Verbandes. Das "eigentlich" kann man streichen.