Kommentar
Die verpasste Chance des TV-Duells

Die Themengewichtung diskutabel, die Kandidatenauswahl nicht fair und inhaltlich zu technisch – das TV-Duell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und dessen Gegenkandidat Friedrich Merz hat die Chance verpasst, Politik zu erklären.

Von Ann-Kathrin Büüsker |
Dass nur Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dessen Gegenkandidat Friedrich Merz von der Union in diesem TV-Duell debatiereten, wurde im Vorfeld stark diskutiert.
Fast ein Drittel der Zeit wurde über Flucht und Asyl diskutiert, während zentrale andere Bereiche des Lebens nicht einmal angesprochen wurden. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
Das sogenannte Kanzler-Duell in ARD und ZDF hat beeindruckende Einschaltquoten erreicht. Im Schnitt schauten deutlich mehr als 12 Millionen Bürgerinnen und Bürger zu – damit könnten die Sender sehr zufrieden sein – wenn es denn nur um die Quote ginge.
In puncto Inhalte aber muss man für den sonntäglichen Fernsehabend deutliche Mängel feststellen. Da wäre zunächst einmal das Setting – die Zweier-Situation, Scholz gegen Merz, spiegelt schlicht nicht die aktuellen Verhältnisse in den Umfragen wider. Es ließe sich argumentieren, dass hier der amtierende Kanzler gegen seinen einzig aussichtsreichen Herausforderer ins Rennen geschickt wurde – und dennoch hinterlässt diese Auswahl ein Geschmäckle. Ja, klar, es wird weitere Formate geben – aber der Sonntagabend wurde definitiv als Höhepunkt des Wahlkampfes inszeniert, was die Einschaltquote widerspiegelt – und hier wirkt die Eingrenzung auf nur zwei Kandidaten schlicht unfair. Dass die Sender trotz umfangreicher Kritik im Vorfeld nichts daran ändern wollten, ist höchst bedauerlich und kostet Vertrauen.

Wer ist der größere Besserwisser

Noch bedauerlicher aber ist, dass die Sendung mit der Lebensrealität der meisten Menschen wenig zu tun hatte. Sowohl in puncto Themen als auch was deren Vermittlung angeht. Über weite Strecken war diese Sendung eine Fachdiskussion, der wohl nur Leute mit Vorwissen wirklich folgen konnten. Statt Politik zu vermitteln, unterschiedliche Positionen herauszuarbeiten, wirkte es, als werde in diesem Format der größere Besserwisser gesucht – Moderatorinnen eingeschlossen. Dabei geht es doch darum, wer als Kanzler die Probleme des Landes lösen soll.
Etwas mehr Lebensrealität und Anschlussfähigkeit sollten dann offenbar die Kurzfragen bringen – in denen aber auch nur gezielt Triggerpunkte abgefragt wurden – etwa wie die Kandidaten es mit dem Gendern halten oder wie hübsch sie Windräder finden. Lösungsansätze für zahlreiche Krisen blieben völlig unbesprochen – Stichwort Mangel an bezahlbarem Wohnraum, bröckelnde Brücken, die Begrenzung der Erderwärmung und die Anpassung an eben jene. 
Sicher – man kann in anderthalb Stunden nur eine begrenzte Zahl von Themen unterbringen. Aber fast ein Drittel der Zeit über Flucht und Asyl zu diskutieren und zentrale andere Bereiche des Lebens nicht einmal anzusprechen, ist eine fragwürdige Themengewichtung. An der auch die Kandidaten proaktiv nichts geändert haben. Nicht nur haben ARD und ZDF mit dem Duell eine Gelegenheit verpasst, die 12 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer aufzuschlauen – wer diese Sendung gesehen hat, musste den Eindruck bekommen, den beteiligten Akteuren ging es mehr um ihre Selbstdarstellung als um die Lösung von Problemen in diesem Land. Und das ist ein fataler Eindruck.