Kommentar zur BAföG-Reform
An den wirklichen Problemen der Studierenden vorbei

Der Bundestag hat eine BAföG-Reform beschlossen. Der Höchstsatz steigt auf 992 Euro. Zudem gibt es 1000 Euro zum Studienstart. Doch da wäre mehr drin gewesen, finden Opposition, Studierendenwerk - und auch unserer Autor.

Ein Kommentar von Martin Schütz |
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) im Bundestag
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) war erst gegen eine Bafög-Erhöhung. Nun haben sich die Regierungsparteien gegen sie durchgesetzt. (IMAGO / dts Nachrichtenagentur / IMAGO / dts Nachrichtenagentur)
Die Ampelkoalition hat ein kleines Werk vollbracht. Wieder einmal! Die Reform des BAföG ist nämlich nicht der große Wurf, der längst überfällig ist und für den die Koalitionäre ihn ausgeben möchten.
Es gibt einige gute Ansätze in der Novelle, beispielsweise die einmalige Studienstarthilfe in Höhe von 1000 Euro. Mit ihr können BAföG-Bezieher erste teure Anschaffungen tätigen, wie etwa einen Laptop kaufen. Oder das sogenannte Flexibilitätssemester. Das ermöglicht BAföG-Empfängern, dass sie ein weiteres Semester über die normale Förderdauer Geld erhalten.

Bedürftige Studenten gehen leer aus

Die Regierung packt die wirklichen Probleme der Studierenden nicht an. Denen fehlt das Geld, viele von Ihnen sind von Armut bedroht und das ist deprimierend. Das deutsche Studierendenwerk geht davon aus, dass 37 Prozent der Studierenden in Deutschland prekär leben – also mit weniger als 800 Euro im Monat auskommen müssen. Aber nur gut 11 Prozent beziehen BAföG.
Das bedeutet: Zu viele derjenigen, die erreicht werden sollten – nämlich bedürftige Studierende – gehen leer aus. Und zu niedrig ist auch der neue BAföG-Höchstsatz. Er liegt fast 100 Euro unter dem festgelegten Existenzminimum beim Bürgergeld und das kritisieren Studierendenvertreter zurecht.
Die BAföG-Reform greift zu kurz. Sie verbessert nicht die Bildungschancen junger Menschen, die sich mit wenig Geld eine Zukunft aufbauen müssen. Bildungsgerechtigkeit schafft das leider nicht.

Potenzial nicht ausgeschöpft

Die zuständige Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) steht selbstverschuldet in der Kritik. Zunächst sah sie keinen Grund für eine Erhöhung der BAföG-Sätze. Trotz massiver Kritik von Sozialverbänden und Studierenden und trotz massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten und Mieten.
Jetzt haben die Fraktionen der Ampel-Koalition den BAföG-Reformvorschlag aus dem Hause Stark-Watzinger nachgebessert. Dennoch ist die Entscheidung heute eine vertane Chance, denn auch Teile der Opposition wären nach eigenen Auskünften für eine echte Reform des BAföGs zu begeistern gewesen.

Studierende haben keine hohe Priorität

Also beispielsweise weniger Bürokratie: Noch immer werden die BAföG-Anträge ausgedruckt und langwierig auf Papier bearbeitet. Teilweise warten Antragssteller monatelang, ob sie Geld bekommen oder nicht und das schreckt ab. Oder eine dynamische Steigerung der BAföG-Sätze, die an Inflation oder Rentenerhöhungen gekoppelt sind. Mit dem Ziel, dass sich Studierende trotz geringer eigener Mittel für ein Studium entscheiden und während der Ausbildung nicht existenzielle Sorgen haben müssen.
Jetzt also keine tiefgreifende Neuordnung, sondern nur eine zarte Erhöhung der BAföG-Sätze. Dabei schöpft das Ministerium seine vorhandenen Mittel nicht mal komplett aus. Das macht das deutsche Studierendenwerk fassungslos. Es stellt sich die begründete Frage, ob Studierende Bürger zweiter Klasse sind. Direkt kann das nur die Ministerin beantworten. Sie saß zwar heute im Bundestag auf der Regierungsbank, hat aber nicht zu den Abgeordneten gesprochen. Das vermittelt den Eindruck, dass Studierende bei ihr keine hohe Priorität haben.