Bürgergeld für Ukrainer
Kommentar: Dobrindt bedient die russische Propaganda

Mit seinen Forderungen zu ukrainischen Flüchtlingen ist CSU-Landesgruppenchef Dobrindt argumentativ auf einer Ebene mit AfD und Sahra Wagenknecht angekommen. Das ist einer konservativen Partei wie der CSU unwürdig.

Ein Kommentar von Gesine Dornblüth | 24.06.2024
Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, gibt ein Pressestatement zu Beginn der Fraktionssitzung der Unionsparteien.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat zuletzt mit Äußerungen gegenüber ukrainischen Flüchtlingen für Aufsehen gesorgt. (picture alliance / dpa / Sabina Crisan)
Alexander Dobrindt spielt mit dem Feuer. Mit seiner platten Formel ,Arbeit oder Abschiebung in die Ukraine' hat sich der CSU-Landesgruppenchef selbst vor den Karren russischer hybrider Kriegsführung gespannt.
Seit 2022 hetzt Russland mit teils frei erfundenen Schauergeschichten gegen geflüchtete Ukrainer. Es stellt sie als Schmarotzer dar, behauptet, Deutschland stehe am Abgrund, weil die Bundesregierung sich um die Geflüchteten kümmere und nicht mehr um die Belange der eigenen Bürger.

Mechanismen der russischen Desinformation

Diese Hetzartikel werden massenhaft über sogenannte soziale Medien verbreitet. Das Ziel ist, die deutsche Unterstützung für die Opfer dieses Krieges zu verkleinern. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Vera Jourová, hat an diesem Montag in der "Süddeutschen Zeitung" noch einmal ausdrücklich gewarnt: Deutschland, Frankreich und Polen seien „extrem unter Druck beim Thema Falschinformationen“.
Russland betreibt Desinformation, es versucht, bestehende Risse in der Gesellschaft zu vertiefen. Es appelliert an Gefühle wie Angst oder Neid. Und nichts Anderes macht auch Alexander Dobrindt.
Dobrindt sollte die Mechanismen der russischen Manipulation und Desinformation kennen. Und er sollte wissen, dass so, wie er die Äußerungen der russischen Propaganda aufgreift und verstärkt, diese wiederum seine Aussagen als Bestätigung für ihre Hetzkampagne gegen Ukrainer nutzen wird. Dobrindt ist damit argumentativ auf einer Ebene mit der AfD und Sahra Wagenknecht angekommen. Das ist einer konservativen Partei wie der CSU unwürdig.

Müde vom Krieg und seinen Folgen

Und: Bisher gibt es keine stichhaltigen Belege dafür, dass die Unterstützung der Menschen hierzulande für ukrainische Geflüchtete eklatant sinkt. Umfragen beziehen sich in der Regel auf Waffenlieferungen oder Ukrainehilfen insgesamt, und da ist die Zustimmung weiterhin groß.
Fragt man Vertreterinnen ukrainischer Organisationen, sagen sie, sie erlebten eher, dass die Menschen müde vom Krieg und seinen Folgen seien, nicht aber von den ukrainischen Kriegsflüchtlingen.

Dobrindt sollte der Gesellschaft nicht so schaden

Doch genau das will die russische Propaganda erreichen – und das funktioniert so: Sie greift sich einzelne Aspekte eines komplizierten Themas heraus und verstärkt diese, ohne den Kontext zu berücksichtigen. Natürlich müssen viele Fragen diskutiert werden: Das Bürgergeld insgesamt, Möglichkeiten, damit Ukrainer schneller Arbeit aufnehmen, der Umgang mit ukrainischen Wehrpflichtigen, Fragen der Gerechtigkeit, der Schutz von Kriegsopfern. Aber doch bitte auf der Basis von Fakten.
Die Demokratie in Deutschland kann gegen die russische Propaganda nur bestehen, wenn die Menschen es wieder lernen, sachlich und ernsthaft Probleme anzugehen. Dobrindt muss ein Vorbild sein, statt der Gesellschaft derartig zu schaden.
Gesine Dornblüth wurde 1969 in Niedersachsen geboren. Sie studierte Slawistik und promovierte über russische Lyrik. In den 90er-Jahren gründete sie mit ihrem Partner das Büro "texte und toene" in Berlin und produzierte 15 Jahre Alltagsreportagen, Langzeitdokumentationen, politische Analysen aus Russland, der Ukraine, dem Südkaukasus und vom Balkan. Von 2012 bis 2017 war sie Korrespondentin von Deutschlandradio in Moskau.