Es war ein Putschversuch um Mitternacht. Die Superreichen schlossen sich zusammen, um die Machthaber herauszufordern. Doch schon bei Morgengrauen war klar: Sie haben die Partie verloren. Nach weniger als 48 Stunden war der Spuk vorbei. So in etwa lässt sich das Debakel rund um die European Super League in dieser Woche zusammenfassen.
Vom Sonntag auf Montag gaben einige der reichsten Clubbesitzer im europäischen Fußball bekannt, dass sie eine eigene Superliga ins Leben rufen werden. Die Gewinnprämien sollten höher sein als in den etablierten Wettbewerben und Absteiger waren auch nicht vorgesehen. Wer einmal in der Super League ist, wird auf lange Zeit dort sein. So die Botschaft. Das war genau nach dem Geschmack der Besitzer, die garantierte Einnahmen und hohe Gewinnmargen anstreben. Die Drahtzieher hinter dem Projekt waren bekannte Namen: Die amerikanische Glazer-Familie mit Manchester United, der Fiat-Erbe Andrea Agnelli mit Juventus und Florentino Pérez mit Real Madrid.
Die Drahtzieher haben den Gegenwind unterschätzt
Doch obwohl viele der Club-Besitzer den Ruf haben, gewiefte Geschäftsleute zu sein, war ihr Vorgehen hochgradig dilettantisch. Die eigenen Spieler und Trainer wurden nicht informiert, Absprachen mit Fernsehsendern existierten keine und die nationalen Regierungen gaben im Vorfeld auch nicht ihr Okay. War vielleicht alles nur eine Scharade, um die Fußballverbände zu Zugeständnissen zu treiben? Unwahrscheinlich. Denn die Konsequenzen des Scheiterns könnten schwerwiegend sein. Alle beteiligten Vereine habe Verträge mit hohen Strafklauseln unterzeichnet, sollten sie sich frühzeitig zurückziehen.
Die Wahrheit ist: Die Drahtzieher haben unterschätzt, wie stark der Gegenwind blasen würde. Entrüstete Fans gingen auf die Barrikaden, weil sie nicht wollen, dass ihre Mannschaften nur noch in einem Luxuswettbewerb spielen und eventuell nicht mehr daheim gegen die Lokalrivalen antreten oder traditionsträchtige Meisterschalen in die Höhe recken. Und selbst Politiker wie Boris Johnson griffen – natürlich in Anbetracht der öffentlichen Reaktionen – ein. Wie sich im Nachhinein herausstellte, waren gerade die englischen Clubs regelrecht erschüttert über Johnsons harte Kante.
Die Fußballverbände UEFA und FIFA sind nicht die Guten
Und dann war da noch die UEFA, deren Präsident Aleksander Čeferin im Gegensatz zu den Super-League-Verschwörern genau wusste, wie er die Öffentlichkeit adressieren musste. Der slowenische Rechtsanwalt trat vor die Medien und nannte die zwölf beteiligten Clubs das "Dirty Dozen", das schmutzige Dutzend. Solche Labels zeigen ihre Wirkung im Zeitalter von Social Media. Das Kartenhaus Super League fiel zusammen. Ein Verein nach dem nächsten zog sich zurück. Nur der lautstarke Madrid-Präsident Pérez klammert sich bis jetzt an die Vision – so wie ein wahnhafter Kommandant, der nicht realisiert, dass die Schlacht längst verloren ist.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Fußballverbände, die UEFA und FIFA, sind nicht die Guten. Sie wollen ebenso immer mehr Dollar, Pfund und Euro aus dem Spitzenfußball herausquetschen. Die in dieser Woche beschlossene Reform der Champions League mit mehr Mannschaften und mehr Partien verdeutlicht das eindrucksvoll. Die Spitzenclubs fordern seit langem, dass sie einen größeren Happen der Einnahmen erhalten. Die UEFA blockt ab.
Der Fußball ist auf seine Weise ein Spiegelbild der Gesellschaft: Die Vermögenden und Einflussreichen streben ständig nach mehr und die Besitzlosen versuchen, wenigstens gehört zu werden. Auch wenn der Spuk der Super League vorerst vorbei ist, wird gewiss eine andere Gruppe in Zukunft einen neuen Anlauf nehmen. Die Investmentbank JP Morgan, die das Projekt mit einer milliardenschweren Anschubfinanzierung voranbringen wollte, teilte im Nachgang mit: "Wir haben eindeutig unterschätzt, wie dieses Vorhaben von der Fußballgemeinschaft aufgefasst werden würde. Wir werden daraus lernen." Das klingt wie eine Drohung.
Der Kampf darum, wem der Fußball wirklich gehört, geht weiter.