Kommentar zum Hochwasserschutz
Es braucht das Zusammenspiel von Natur und Technik

Statt zu handeln, speisten Politiker Hochwasserbetroffene mit Worthülsen ab, meint Ann-Kathrin Büüsker. Um sich den klimawandelbedingten Herausforderungen zu stellen, müsse die Infrastruktur angepasst und Geld in die Hand genommen werden.

Von Ann-Kathrin Büüsker |
Helfer arbeiten an Schutzwänden am Donauufer. Seit Tagen kämpfen die Helfer in Bayern und Baden-Württemberg gegen die Flut und ihre Folgen.
Wenn das Wasser sich bei einem Starkregenereignis nicht mehr ausbreiten kann, steigt es in die Höhe und auch Schutzwände helfen nicht mehr. (picture alliance / dpa / Armin Weigel)
Wir dürfen die Aufgabe, den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten, nicht vernachlässigen, so sagte es Bundeskanzler Olaf Scholz im Hochwassergebiet in Bayern. Das ist zwar absolut richtig – aus seinem Mund aber zynisch. Denn die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung ist unzureichend – das wurde mehrfach gerichtlich festgestellt. Und wiederholt attestieren Fachleute, so der Expertenrat für Klimafragen, dass die Klimaziele bis 2030 mit dieser Politik nicht zu erreichen sind.
Der Kanzler speist die vom Hochwasser betroffenen Menschen also offensichtlich mit Worthülsen ab. Im Angesicht der Krise beteuern politische Akteure, dass sie handeln wollen – statt es einfach zu tun. So preist selbst Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder mit ernster Miene die Notwendigkeit von natürlichen Hochwasserschutzmaßnahmen.
Ja, in der Tat, die bräuchte es dringend. Aber wenn es dann an die konkrete Umsetzung angeht, ist politisch schnell Sendepause. Flutpolder anzulegen oder Flussauen zu renaturieren ist ein rechtlich komplexes Vorhaben. Land, das einst dem Fluss gehörte, wurde durch die Begradigung der Flussbetten für den Menschen kultiviert. Heute gehört es Privatpersonen, wird vielfach landwirtschaftlich genutzt.
Niemand gibt die Ressource Land gerne ab. Und so scheitert das Anlegen großer Überschwemmungsflächen häufig daran, dass die Flussanrainer nicht mitmachen wollen. Ein Verweigerer reicht und ganze Projekte platzen. Wenn Umweltministerin Steffi Lemke jetzt ankündigt, dass Deutschland ein neues Hochwasserschutzgesetz braucht, wird es auch darum gehen müssen, Enteignungen für große natürliche Hochwasserschutzprojekte möglich zu machen. Denn es braucht diese Überflutungsflächen, das zeigt die derzeit heftig betroffene Donau.
Der Auenzustandsbericht 2021 des Bundesamtes für Naturschutz offenbart, wie viele Überflutungsflächen der Donau und ihren Nebenflüssen im Verlauf der Siedlungsgeschichte abgerungen wurden. Die Flüsse wurden in künstliche, begradigte Läufe gepresst, die Landschaft wurde mit Gräben durchzogen, um Äcker und Wiesen möglichst schnell zu entwässern. Unsere komplette Infrastruktur ist darauf ausgelegt, Wasser schnell aus der Fläche abzuführen. Wenn das Wasser sich bei einem Starkregenereignis aber nicht mehr ausbreiten kann, steigt es in die Höhe – und klettert über Deiche und Spundwände, hinein in die Keller.
Unsere Infrastruktur hält diesen klimawandelbedingten Extremwetterereignissen nicht stand – deshalb muss sie angepasst werden. Mit einem durchdachten System muss Wasser gezielt an einigen Stellen in die Breite gelassen werden, um die Höhe abzumildern. Gezielter technischer Hochwasserschutz wie Spundwände und Deiche regeln den Rest. Allein könnten sie das Wasser nicht bewältigen – es braucht das Zusammenspiel von Natur und Technik. Das alles mag erst mal teuer klingen, aber es ist ein Witz im Vergleich zu den Kosten, die die zahlreichen Hochwasser der Zukunft verursachen werden.