Noch ist alles möglich für russische und belarussische Athleten bei den kommenden Olympischen Spielen: Ohne Not schiebt das Internationale Olympische Komitee seine Entscheidung über einen Ausschluss auf die lange Bank. Und unter Bedingungen sind Athleten aus diesen Ländern jetzt bei Events ihrer Sportarten wieder zugelassen - als "neutrale Individuen". Das IOC hält dabei an einer Idee fest, die toll klingt: Die Jugend der Welt trifft sich zu einem internationalen Sportfest und zeigt damit, wie es gehen kann. Völkerverständigung, Gemeinsamkeit, Freude.
Es ist der ewige Sermon: Die friedensstiftende Mission des IOC. Die Olympische Bewegung als Brückenbauer, über die Kriege dieser Welt hinweg. Was für ein schöner Traum. Nur: Realität ausblenden gilt nicht.
Sport nützt der Propaganda
Internationale Sportevents sind keine niedrigschwellige Friedensfahrt. Sie funktionieren auch über die Zurschaustellung eines Wettkampfs der Nationen. Es ist genau diese Sportbühne, die autokratische Regime für ihre Propaganda nach innen nutzen. Das hat Russlands Machthaber Putin in den vergangenen Jahren lupenrein vorgeführt. Wie wenig bei internationalen Sportveranstaltungen das Konstrukt "neutrale Athleten" seinem Label gerecht werden kann, haben die Olympischen Spiele der vergangenen Jahre gezeigt. Bei Tschaikowskys Violinkonzert in D Dur statt der russischen Hymne wusste das gesamte Olympiapublikum, wer gemeint war.
Zwar empfiehlt das IOC seinen Sportfachverbänden jetzt: Keine Sportsoldaten, das macht tatsächlich den größten Teil der Athleten aus. Lasst keine russischen Mannschaften zu. Beides unabdingbar, wenn sich der Sport nicht völlig offen zur Bühne für Kriegspropaganda machen lassen will. Aber dann wird das IOC schon wieder vage: Es sollen keine aktiven Unterstützer des Kriegs zugelassen werden - es bleibt offen, woran das bemessen wird.
Auch ukrainische Sportler:innen haben Rechte
Als Grundlage für seine Entscheidungsfindung verweist das IOC seit Monaten auf die Äußerungen zweier UN-Sonderberichterstatterinnen. Sie formulieren ihre Sorgen, wenn Athleten pauschal wegen ihres Passes ausgeschlossen werden. Allerdings ist das IOC bei anderen Stimmen und Gutachten zurückhaltender, solche nämlich, die einen Ausschluss im Angesicht eines Angriffskriegs für zulässig halten. Denn: Auch die ukrainischen Sportler:innen haben Rechte, die geschützt werden müssen - auch auf der Olympischen Bühne.
Für ukrainische Sportlerinnen und Sportler bleibt eine Teilzulassung eine Provokation. Ein IOC, das seine ständig propagierte friedensstiftende Mission wirklich ernst meint, greift durch. Und lässt keinen Zweifel daran, dass es sich nicht instrumentalisieren lässt.