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Kommentar zum "Soli"-Urteil
Die FDP bleibt schwer berechenbar

Die Richter des Bundesfinanzhofs haben die Erhebung des Solidarzuschlages für Besserverdienende erst einmal bestätigt. Aber die FDP könnte den Koalitionspartnern trotzdem noch ein Schnippchen schlagen, kommentiert Volker Finthammer.

Ein Kommentar von Volker Finthammer | 30.01.2023
Das Wappen des Bundesfinanzhofs in München (Oberbayern)
Der Bundesfinanzhof hat den Solidarzuschlag vorerst bestätigt. Aber der politische Rechtfertigungsdruck bleibt, so Volker Finthammer. (picture-alliance / dpa / Peter Kneffel)
Nicht nur die Kläger dürften sich nach dem heutigen Urteilsspruch verwundert die Augen gerieben haben. Waren sie doch nach der Anhörung vor dem Bundesfinanzhof in der vergangenen Woche noch absolut zuversichtlich, dem Solidarbeitrag, der inzwischen nur noch von den Beziehern hoher Einkommen bezahlt werden muss, ein höchstrichterliches Ende zu bereiten.
Diese Zuversicht wurde ganz offensichtlich auch von Finanzminister Christian Lindner geteilt, der noch nicht einmal Beamte seines Ministeriums zu den Verhandlungen geschickt hatte, um nicht verteidigen zu müssen, was Lindner und die FDP schon lange abgeschafft wissen wollen.

Kaum Chancen für eine Klage in Karlsruhe

Aber der sicher geglaubte juristische Hebel hat die Richter am Bundesfinanzhof nicht überzeugen können. Ihrem Urteil zufolge wird die Verfassung nicht verletzt, sofern der Gesetzgeber für den eigens erhobenen Solidarbeitrag eine tragfähige Begründung liefern kann, was auch geschehen ist.
Und es widerspricht auch nicht der Gleichbehandlung der Steuerzahler, wenn allein noch die Besserverdiener diese Sonderabgabe zahlen müssen und nicht mehr alle, weil es dabei auch um die Leistungsfähigkeit geht.
Nach diesem Urteil schwindet auch die Aussicht auf eine erfolgreiche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, auch wenn das die Kläger wohl kaum abhalten dürfte. Rechtlich dürfte dem Soli auch in Karlsruhe kaum beizukommen sein, was jedoch die FDP nicht von ihrer Verfassungsbeschwerde abbringt.

Trotz Urteil: Der "Soli" ist unter Druck

Allein die politische Debatte dürfte jetzt wieder in den Vordergrund drängen und die Frage: Wie lange hält man jetzt noch an dem Solidarzuschlag fest?
Nicht, weil man ihn nach dem Urteil formal erheben darf, sondern: Wie lange ist die Begründung noch haltbar, mit der man an dieser Sondersteuer festhalten kann?
Der Bundesrechnungshof hat aber bereits in einem zurückliegenden Gutachten dafür plädiert, den Soli in dieser Legislaturperiode auslaufen zu lassen. Im Koalitionsvertrag aber wird der Soli für diese Legislaturperiode nicht in Frage gestellt, auch wenn das die FDP gerne anders gesehen hätte.
Politisch werden sich die Liberalen in der Ampelkoalition auch kaum darüber hinwegsetzen können. Und juristisch hat Christian Lindner jetzt erst einmal keinen griffigen Hebel mehr.

Mit der FDP ist zu rechnen

Auch der Bund der Steuerzahler, der nach den Angaben von Lobbycontrol vor allem mittelständische Unternehmer, Freiberufler und Besserverdiener repräsentiert, hält nach dem Urteil etwas kleinlauter als in den Tagen zuvor an der Abschaffung fest und folgt eher widerwillig der Auffassung der Richter, die 2025 als ein mögliches Enddatum für den Soli sehen.
Faktisch bedeutet das: Die künftige Bundesregierung hat es in der Hand. Es sei denn, die FDP würde den Ampelkoalitionären erneut ein Schnippchen schlagen wollen. Christian Lindner wäre das zuzutrauen.
Volker Finthammer
Volker Finthammer, Jahrgang 1963, studierte Politik in Marburg und in Berlin. Nach der Wende erste Radioerfahrungen beim Deutschlandsender Kultur in Ostberlin. Seit 1994 beim Deutschlandradio. Redakteur im Ressort Politik und Hintergrund. Korrespondent im Hauptstadtstudio in Berlin und in Brüssel. CvD in der Chefredaktion von Deutschlandradio Kultur. Seit September 2016 wieder im Hauptstadtstudio in Berlin mit dem Schwerpunkt Wirtschafts- und Sozialpolitik.