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Kommissar Cenk Batu hat seinen letzten Tatort-Einsatz

Er spielte mit Evelyn Hamann im Theater, sorgte in Filmen von Fatih Akim für Furore. Und seit 2008 ermittelt er als Kommissar Cenk Batu im Tatort. Doch jetzt steigt Mehmet Kurtulus aus. Am 6. Mai ist Schluss. In Zukunft will er mehr Zeit bei seiner Lebensgefährtin Desiree Nosbusch in Los Angeles verbringen.

Die Fragen stellte Knut Benzner | 16.04.2012
    Knut Benzner: Wie war es, in der Bundesrepublik aufzuwachsen?

    Mehmet Kurtulus: Am Anfang war es so, dass ich nicht verstanden habe, warum meine Mitschüler mich nicht verstehen, da dachte ich Moment mal, hier ist irgendwas anders, bis dann meine Mutter aufgeklärt hat und sagte: Junge, die Kinder sprechen deutsch mit Dir, Du sprichst mit denen türkisch, ich glaub' da musst Du mal 'n bisschen dran arbeiten, und dann hat es eine Selbstverständlichkeit bekommen, das heißt dann wuchs man ja hier auf im Sinne von man kannte dann nichts anderes. Ist-man-hier-zu-Hause-oder-nicht, die Frage stellte man sich gar nicht.

    Benzner: Aus dem entnehme ich, dass Sie zu Hause deutsch gesprochen haben?

    Kurtulus: Äh, türkisch.

    Benzner: Das ist der Vorwurf, deswegen frage ich, das ist der Vorwurf, der heute noch vielen Migrationsfamilien, Immigrationsfamilien, man nenne sie, wie man wolle, das ist der ihnen heute immer noch gemacht wird als Schritt zur Integration...

    Kurtulus: Wenn Sie mich fragen, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man die Sprache lernt, die Sprache ist ein Schlüssel zum Menschen, zur Seele des Gegenüber, insofern ist es für mich allzu selbstverständlich, ich liebe Sprachen, liebe Menschen, ergo ich muss Sprachen sprechen, und egal, wohin man geht, auch wenn's nur im Urlaub ist, ein 'Danke' und 'Bitte' und 'Guten Tag' öffnet plötzlich Tore.

    Benzner: Merhaba.

    Kurtulus: Ja, merhaba.

    Benzner: Wie ging das dann weiter, wann sind Sie aus Salzgitter weg?

    Kurtulus: Ich bin dann so mit 19, 20 aus Salzgitter weg, nach'm Abitur, dann ging´s erst mal nach Braunschweig, eine Zwischenstation beim Staatstheater, ein Jahr, und dann direkt nach Hamburg, wo ich dann Frau Evelyn Hamann kennen lernen durfte, und über sie, mit ihr Theater gespielt habe, aber über sie dann eine zweijährige Ausbildung bei Frau Anne Marx bekam. Zwischen 94 und 96.
    Benzner: Und dann irgendwann Film respektive Fernsehen.

    Kurtulus: Ganz genau, dann drehen wir die Zeit ein bisschen nach vorne, lernte ich Fatih Akim kennen und wir haben dann noch mal drei, vier wirklich schöne Streifen zusammen gemacht und, ja, der Lauf der Dinge nahm dann so seinen gang und jetzt sitzen wir hier und besprechen den sechsten und letzten Tatort.

    Benzner: Den besprechen wir gleich. Einer der Fatih-Akin-Filme war "Gegen die Wand", toller Film, Sie als Mitproduzent, alle Filme mit Ihrem Landmann behandeln eben genau das Thema: Die, nicht Auseinandersetzung zwischen Deutschland, der Bundesrepublik und der Türkei, aber schon die Probleme, bzw. das Hin und her gerissen sein in zwei Welten.

    Kurtulus: Äh, das stimmt, wir haben 97/98, sind wir mit "Kurz und schmerzlos" raus gekommen, es war ein Film, der damals ungewöhnlich war, weil es einen türkischen Regisseur hatte und einen griechischen, serbischen bzw. türkischen Hauptdarsteller. In der Anfangszeit war's schon so, dass das oft thematisiert wurde, sogar zwischen Türken und Griechen, wie können die denn befreundet sein, also die Fragen führten viel zu weit, wir haben dann im Laufe der Zeit ehrlich gesagt so ein Selbstbewusstsein entwickelt haben, dass wir gesagt haben: Wir schöpfen die Kraft aus beidem. Genug der Zerrissenheit, das Leben ist zu kurz, um pessimistisch zu sein, also nehmen wir die Kraft beider und machen daraus etwas ganz neues. Unter'm Strich sind es alles Themen, wo's um Menschen geht und ich glaube, das verbindet uns dann letztlich alle im Kino.

    Benzner: Welches Verhältnis haben Sie heute zu Ihrem, haben Sie eigentlich einen deutschen Pass, ja natürlich.

    Kurtulus: Nein, ich bin nur, ich bin nur auf der Leinwand Beamter, haha, nee, habe ich noch nicht.

    Benzner: O.K., dann eben die Frage: Welches Verhältnis haben Sie heute zu Ihrem Heimatland?

    Kurtulus: Ein Vielfältiges, das heißt damals war es doch nur Urlaub, Verwandtschaft, Sonne, Strand und Meer, und jetzt so im Laufe der Zeit, natürlich im Zusammenhang mit "Kurz und schmerzlos", wuchs dann auch eine Zusammenarbeit heran, das heißt fast alle Filme, die ich so in Deutschland gedreht habe, sind auch alle in der Türkei gelaufen, das heißt da ist ein sehr, sehr reger Austausch, also es ist nicht nur familiär privat, sondern dazu ist dann auch noch wirklich der beruf dazu gekommen, was ich natürlich fantastisch finde, in einer Stadt wie Istanbul Filme zu drehen.

    Benzner: Das kann ich mir vorstellen. Sie sprechen noch Türkisch, natürlich.

    Kurtulus: Ja. Ja, Gott sei dank. Ja.

    Benzner: Können Sie eigentlich auch, wenn Sie Engländer wären, würde ich sagen "denglisch", also dieses Mischmasch zwischen deutsch und türkisch, was fällt mir gerade ein? "Ich mach Dich Krankenhaus?"

    Kurtulus: "Ich mach Dich Krankenhaus?", ja, also dieses "denglisch", was Sie meinen, das sprechen ja alle Menschen, das rechen wir alle, das heißt ich war beispielsweise in Paris, da habe ich türkische Kollegen kennen gelernt, die türkisch-französisch sprechen, genau so wie wir deutsch-türkisch mischen, weil's schneller geht, und weil die Sprachen natürlich auch jedes Mal 'ne Besonderheit haben, das heißt deutsch ist wirklich eine fantastische Sprache, Dinge zu beschreiben, im türkischen ist es so, dass man meistens ein Wort braucht, um eine Welt zu beschreiben, ein Gefühl zu beschreiben, das heißt man bedient sich dann immer ganz schnell, ist natürlich sehr, sehr schädlich, weil man doch eine Sprache zu Ende sprechen müsste, das heißt wenn wir deutsch sprechen, lassen Sie undeutsch sprechen, wir können in den Sätzen wechseln, aber nicht im Satz selbst, aber es macht trotzdem Spaß, weil es ist so 'ne schnelle Sprache und es ist wie so Ping-Pong.

    Benzner: Zurück zu Ihrem Beruf. Sie haben den ´Tatort` inzwischen aufgegeben, solch ein Engagement zu haben ist doch auch immer eine sichere Bank, ökonomisch, was gibt's noch, psychologisch...

    Kurtulus: Äh, das stimmt, nur die Frage ist: Kann man Kunst mit einer sicheren Bank verbinden, ja, sicherlich, natürlich, aber ich muss zugeben, ich brauch das Risiko, ich brauch' das Ungewisse, ich brauch' das Gefühl, und daraus nährt sich natürlich dann auch die Kreativität, eben nicht diese sichere Bank zu haben, nicht sich zurück zu lehnen und zu sagen, na ja, klar, ich mache hier zwei Filme im Jahr, sondern aus dieser Situation heraus können dann ganz plötzlich auch ganz andere Dinge entstehen, die mich als Mensch und als Schauspieler wachsen lassen werden, hoffentlich in der Zukunft, ich weiß nicht, was passieren wird aber ich bin da sehr zuversichtlich.

    Benzner: Ihre Lebensgefährtin, Lebensgefährtin oder Frau?

    Kurtulus: Lebensgefährtin ist 'ne gute Beschreibung.

    Benzner: Gut. Ihre Lebensgefährtin Desiree Nosbusch lebt in Los Angeles, zumindest hauptberuflich, da Sie in Los Angeles lebt, heißt das, Sie verlassen nicht nur Hamburg, sondern auch Berlin und gehen an die Westküste der USA?

    Kurtulus: Nein, ich muss sagen, das hört sich zu dramatisch an, also wir verabschieden Cenk Batu, ich verabschiede mich nicht. Das heißt, es wird in Zukunft natürlich immer Austausch geben, ich werde vielleicht dort ein bisschen mehr Zeit verbringen, aber die Verbindung nach Deutschland, ganz besonders natürlich nach Hamburg, wird mir nie verloren gehen im Leben. Ich lebe seit 38 Jahren fast in Deutschland, und rein beruflich, aber auch von meiner Persönlichkeit her bin ich kein klassischer Auswanderer, also da müssen wir uns eine Sorgen machen.

    Benzner: Auf jeden Fall ist dort das Wetter besser. It never rains in southern california.

    Kurtulus: Neidlos zugegeben: Ja.

    Benzner: Auf was ich hinaus will, ist nicht, dass es schon mehrere deutsche Schauspieler, ich bezeichne Sie als deutschen Schauspieler, versucht haben, in Los Angeles Fuß zu fassen, was ungleich schwieriger ist als hier, sondern, wie soll ich das sagen, dass das Geschäft dort auch ungleich härter, härter, härter, härter ist als hier.

    Kurtulus: Das stimmt, da sprechen Sie wahre Worte, ich denke, eine Stadt wie Los Angeles ist so, dass wenn man mit dem Fuß am Flughafen L.A.-X aufkommt, sie schon fünf Kilometer weiter Deinen Namen vergessen haben. Das geht ganz schnell. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass meine Entscheidung, mehr Zeit in L.A. zu verbringen weniger eine berufliche ist sondern mehr eine private, und das gibt einem schon so´n bisschen auch die Ruhe, nicht wie so'n aufgescheuchtes Huhn in der gegen rumlaufen.