Die polnische Regierung hat die Bewertung ihrer Justizreform freiwillig in fremde Hände gelegt. Das Außenministerium bat die Venedig-Kommission, sich die einschlägigen Gesetze und Beschlüsse genauer anzusehen.
Zwei Tage waren die Experten in Warschau, und mancher Politiker der Regierungspartei PiS zeigte sich gar nicht zufrieden mit dem Besuch.
So der EU-Abgeordnete der PiS Ryszard Czarnecki:
"Ich bin generell kein besonderer Enthusiast von internationalen Strukturen, die in die souveränen Angelegenheiten einzelner Staaten eingreifen. Ich betrachte die Venedig-Kommission nicht wie den lieben Gott, und ich würde in dieser Frage auch zu mehr Distanz raten."
Die Medien berichteten ausführlich über den Besuch der Kommission
Die Venedig-Kommission wird vor allem den Streit um das polnische Verfassungsgericht beurteilen. Es geht um genau diejenigen Beschlüsse und Gesetze, die schon Debatte in der EU waren.
Zuerst hatte das Parlament die Wahl von fünf neuen Verfassungsrichtern, die noch vom alten Parlament bestimmt worden waren, rückgängig gemacht. Dabei war die Wahl von drei von ihnen nicht zu beanstanden, wie das Verfassungsgericht feststellte. Dann beschlossen die PiS-Abgeordneten ein Gesetz, das die Arbeit des Gerichts - so sagen Kritiker - lähmt. Die Richter können künftig Beschlüsse nur noch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit fassen und müssen Klagen chronologisch bearbeiten.
Was passiert, wenn auch die Venedig-Kommission dieses Gesetz kritisiert? Außenminister Witold Waszczykowski antwortet ausweichend auf diese Frage:
"Diese Kommission ist kein Gericht, sie erlässt kein Urteil. Sie gibt eine Stellungnahme abund macht Empfehlungen, die man anschließend umsetzen kann."
Wird das Parlament also das Gesetz wieder ändern, wenn die Kommission das vorschlägt?
"Ich bin überzeugt, dass sie eine für uns positive Stellungnahme abgeben wird. Die Venedig-Kommission hat schon früher festgestellt, dass Verfassungsgerichte einen pluralistischen Charakter haben sollen. Unsere Reformen gehen in die Richtung genau dieser Empfehlung."
Die polnischen Medien berichteten ausführlich über den Besuch der ausländischen Experten. Sie kamen aus Österreich, Belgien, Finnland und Italien nach Warschau. Der Kommission-Vorsitzende Gianni Buquicchio führte die Delegation an.
In einem Monat präsentieren die Experten ihre Stellungnahme
Weil sie keine Interviews gab, üben sich polnische Medien in Kaffeesatz-Leserei. An den Fragen der Kommission wollten sie ablesen, wie kritisch die Gäste die polnische Regierung wohl bewerten werden.
Deren Anhänger geben sich zuversichtlich. Ihre Kritiker warnen dagegen davor, etwaige Kritik zu ignorieren. Die Stellungnahme der Venedig-Kommission des Europarats werde auch in der EU genau verfolgt, so Ludwik Dorn, früher ein enger politischer Weggefährte des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski:
"Niemand wird uns aus der EU werfen. Auch der Artikel sieben des EU-Vertrags wird nicht zur Anwendung kommen, wir werden unser Stimmrecht im EU-Rat nicht verlieren. Aber wir werden schlicht immer öfter umgangen, auch in Fragen, die uns betreffen. In die Zimmer, wo die Entscheidungen fallen, werden wir einfach nicht mehr eingeladen."
Was die Venedig-Kommission über den Streit um das Verfassungsgericht denkt, erfahren die Polen in einem Monat. Dann werden die Experten ihre Stellungnahme präsentieren.