"Jetzt sehen sie gerade, was die Kollegen machen. Das sieht nach Planung und Vorbereitung aus."
Radojka Mühlenkamp steht vor zwei Schreibtischen im Kommunalen Integrationszentrum in Herne, dessen Chefin sie ist. Die fröhliche Frau, 62 Jahre alt, hellblaue Jeans, weiße Bluse unter braunem Sakko, schaut auf große rosa Karten, die mit einem schwarzen Edding beschriften werden. Material für eine Mutter-Kind-Veranstaltung. Auf der anderen Seite des Schreibtischs ist der Termin gerade vorbei:
"… und gerade war eine Beratung. Frau Schulze hat beraten."
"Zwei hoffnungsvolle serbische Schüler."
"Hoffnungsvoll?"
"Ja, die waren immerhin bis jetzt achte Klasse und neunte Klasse in Serbien abgeschlossen."
"Ja, bitte. Das ist wirklich hoffnungsvoll."
"Der Vater ist aber in Herne geboren. Hat einen Aufenthaltstitel..."
"Zwei hoffnungsvolle serbische Schüler."
"Hoffnungsvoll?"
"Ja, die waren immerhin bis jetzt achte Klasse und neunte Klasse in Serbien abgeschlossen."
"Ja, bitte. Das ist wirklich hoffnungsvoll."
"Der Vater ist aber in Herne geboren. Hat einen Aufenthaltstitel..."
Zentren schauen individuelle Bildungsbiografien an
Nordrhein-Westfalen ist das einzige Bundesland in dem es Kommunale Integrationszentren, kurz KI, gibt. Im Jahr 1981 aus einem wissenschaftlichen Modellversuch entstanden, gibt es mittlerweile über 50 solcher Einrichtungen landesweit. Und Herne ist eines der ältesten, Radojka Mühlenkamp seit Anfang an dabei. Die Idee: Angebote für Kinder und Jugendliche mit Einwanderungsgeschichte zu bieten, um deren Bildungschancen zu verbessern – wie im Fall der beiden serbischen Jugendlichen:
"Also, wir nehmen immer hier die Bildungsbiographien der Schüler und die Daten der Schüler und erstellen Listen, die ans Schulamt gehen und verhandeln dann mit den Schulleitern oder dem Schulamt, welche Schulen die jetzt aufnehmen können."
Überblick über städtische und freie Angebote
Elf Mitarbeiter, inklusive der Chefin Mühlenkamp, koordinieren zudem Aktivitäten und Angebote der Kommunen und freien Träger in Bezug auf Integration und das Zusammenleben in Vielfalt, wie es in einer der Broschüren heißt. Doch das klappt nicht immer:
"… sie schickt gerade eine Einladung zu einer Familie, die nicht erschienen ist zu einer Beratung."
"Ja, die hatten um zehn, elf Uhr…"
"Das passiert auch."
"… einen Termin und sind nicht gekommen, weil sie zu Besuch bei Verwandten in Dortmund weilen. Das war wohl wichtiger."
"Ja, das haben wir oft."
"Jetzt hat Frau May die am Telefon eingestimmt, die Familie."
"Frau May spricht Rumänisch."
"So, jetzt bekommen die noch mal eine schriftliche Einladung."
"Ja, die hatten um zehn, elf Uhr…"
"Das passiert auch."
"… einen Termin und sind nicht gekommen, weil sie zu Besuch bei Verwandten in Dortmund weilen. Das war wohl wichtiger."
"Ja, das haben wir oft."
"Jetzt hat Frau May die am Telefon eingestimmt, die Familie."
"Frau May spricht Rumänisch."
"So, jetzt bekommen die noch mal eine schriftliche Einladung."
Aus Osteuropa und Afrika nach Herne
Neben der klassischen Gastarbeiter-Zuwanderung vor einigen Jahrzehnten, dem bekannten Strukturwandel im Ruhrgebiet, weg von Kohle und Stahl, gibt es aktuell, auch und gerade in Herne, eine große Zuwanderungsbewegung aus Osteuropa, aus Bulgarien und Rumänien beispielsweise. Dazu, ab dem Sommer 2015, die Flüchtlingsbewegung aus Afrika.
"Wir richten uns im Prinzip an alle Menschen, die im weitesten Sinne einen Migrationshintergrund haben und versuchen die sozusagen zu beraten, begleiten in unterschiedlichsten Fragestellungen", so Mühlenkamp. "Das geht von der schulischen Beratung bis hin über Probleme im Kurs, die jemand hat als Teilnehmer."
Letztendlich gebe es wohl kein Problem, das es nicht gebe:
"Da kommt jemand, weil er ein Problem hat im Mehrfamilienhaus mit anderen Mietern, die ein anderes Zeitkonzept haben und erst nachts munter werden. Ja. Da kommt… weiß ich nicht… da sucht jemand einen Kita-Platz. Da hat jemand ein gesundheitliches Problem. Also, das schlägt alles wirklich hier auf."
"Geflüchtete sagen: Unsere Erziehungskonzepte waren anders"
Vor gut einem Jahr machte ein öffentlicher Erfahrungsbericht einer Erzieherin aus Herne große Schlagzeilen: Es sei ein Hilfeschrei, hieß es in der Überschrift. Darunter ging es um prügelnde Kinder, respektlose Väter und fehlende Deutsch-Kenntnisse. Fazit: Die Kinder werden es einmal sehr schwer haben, sich in Deutschland zurechtzufinden – sind im Grunde genommen verloren. Es ist ein Text, der unter Pseudonym geschrieben wurde, aber auch und gerade in solchen Bereichen versucht das KI neue Wege zu gehen:
"Also, wir haben zehn Vätergruppen, wo Väter sich, junge Väter sich mit Themen der Erziehung/Bildung beschäftigen." Das Prinzip ist einfach: "Wir können das alles nicht immer selbst lösen, aber wir versuchen dann sozusagen im Querschnitt eine Lösung herbeizuführen."
Stichwort Väter-Gruppen, wo das KI einen besonderen Bedarf erkannt hat: "Weil, wenn wir jetzt an die geflüchteten Väter denken. Die sagen: Unsere Erziehungskonzepte in Syrien waren ganz anders. Da konnten wir sagen: So ist das. So wird das gemacht. Da gab es keine Diskussion. Und hier müssen die sich plötzlich mit ihren Kindern darüber unterhalten, ob ein Smartphone für einen Grundschüler angesagt ist oder nicht."
Schuldezernentin: Zentrum wirke wie Seismograph
Gudrun Thierhoff sagt: "Ich glaube, das Kommunale Integrationszentrum ist eine unverzichtbare Einrichtung in so einer Stadt wie Herne mit der Struktur an Einwanderung, nach wie vor hohen Einwanderung, aber auch allen Fragen, die mit Integration nach wie vor zu tun haben."
Sie sitzt im Stadtrat von Herne, ist als Dezernentin unter anderem für Schule und Weiterbildung sowie den Bereich Kinder-Jugend-Familie zuständig.
"Das Kommunale Integrationszentrum ist ja die Stelle, in der früh und mit allen, mindestens mit den Familien, in Kontakt kommt, aber auch durch die Vernetzung natürlich, an allen Stellen sehr früh sieht, wie die Gesellschaft sich entwickelt, was sich entwickelt und von daher auch ein Seismograph dafür ist: Wo müssen wir uns drum kümmern, wo müssen wir uns mal zusammensetzen und überlegen, wie können wir daran gehen?"
Allen sagen: Ihr seid nicht abgehängt, wir sind ansprechbar
Denn: Letztendlich gehe es, neben den Einzel-Maßnahmen, vor allem um eines: Allen Menschen zu signalisieren: Ihr seid nicht abgehängt, so Thierhoff, "und ihnen immer auch zu vermitteln: Wir sind ansprechbar. Kommt auch auf uns zu. Aber auch fordern, dass sie natürlich auf uns zukommen. Das ist immer ein beidseitiger Weg."
Auf dem, in Herne zumindest, das Kommunale Integrationszentrum der Wegweiser sein soll.