Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte die Bedeutung der Wahlen gerade im Osten unterstrichen, insbesondere auch in der Frontstadt Mariupol am Asowschen Meer, dem Präsidenten zufolge ein "Vorposten der Demokratie". Nun blieben ausgerechnet dort die Wahllokale geschlossen, nachdem eine örtliche Druckerei offenbar fehlerhafte Stimmzettel produziert hatte. Der Leiter der Zentralen Wahlkommission in Kiew machte noch am Abend den eigenen örtlichen Ableger für das Durcheinander verantwortlich.
"Diese elf Personen haben es zu verantworten, dass 300.000 Menschen ihr verfassungsgemäßes Wahlrecht vorenthalten wurde!"
Ermittlungen sind angelaufen; die Wahl des Bürgermeisters in der Großstadt soll baldmöglichst nachgeholt werden, forderte der Präsident. Doch auch in einem zweiten Punkt verhallten die Beschwörungen Poroschenkos ohne allzu große Wirkungen: Dass die Menschen wählen gehen sollten, hatte er sich bei seiner eigenen Stimmabgabe vor laufenden Fernsehkameras gewünscht – und zwar nicht irgendwelche Kandidaten.
"Es ist sehr wichtig, dass in den Stadträten pro-ukrainische Koalitionen gebildet werden, damit wir dem Aggressor keine Chance geben, die Lage innerhalb des Landes zu destabilisieren."
Gemeint waren zahlreiche Kandidaten für Stadtrats- und Bürgermeisterposten, die gemeinhin dem eher pro-russischen Lager zugerechnet werden, darunter die amtierenden Bürgermeister der weithin russischsprachigen Millionenstädte Charkiw und Odessa, beide Stadtväter dort sind frühere Gefolgsleute des nach Russland entflohenen Ex-Präsidenten Janukowitsch. Doch erste Nachwahl-Befragungen deuteten an, dass sie gute Chancen haben, in ihren Ämtern zu verbleiben: Der Charkiwer Bürgermeister und Maidan-Gegner Kernes könnte demnach sogar mehr als jede zweite Stimme auf sich vereint und bereits in der ersten Runde gesiegt haben.
Viele Kandidaten als Vehikel von Oligarchen angesehen
In Odessa am Schwarzen Meer lag der Amtsinhaber, der ebenfalls dem pro-russischen Lager zugerechnet wird, vor dem Herausforderer des Regierungslagers, dem Deutsch-Ukrainer Alexander Borowik, hier könnte allerdings eine Stichwahl notwendig werden. Das gilt wohl auch für Kiew, wo der Bürgermeister und Poroschenko-Verbündete Witalij Klitschko laut Nachwahl-Befragungen vorne liegt. Der frühere Box-Champion hatte ebenfalls im Wahllokal darum geworben, sich an den Regionalwahlen zu beteiligen.
"Viele Menschen wurden von Politikern betrogen und sagen deshalb, dass die Wahlen nichts bewirken. Glauben Sie daran nicht! Von ihnen und ihrem Votum hängt alles ab, die Ordnung nicht nur in ihrem Treppenhaus, sondern im ganzen Haus, im Bezirk, im Land."
Tatsächlich brach die Wahlbeteiligung keine Rekorde, sie lag landesweit bei etwa einem Drittel, im Westen des Landes machten eher mehr Menschen als im Osten ihr Kreuzchen. Tausende Posten auch in Stadt- und Gemeinderäten waren zu vergeben; die Auszählungen werden sich bis zur Wochenmitte hinziehen. Kandidaten von 142 Parteien standen zur Auswahl; viele davon eben erst gegründet, nicht wenige dieser Gruppierungen stehen im Ruf, Vehikel von Oligarchen zu sein: In Dnipropetrowsk liegt der Geschäftsfreund des örtlichen Oligarchen Kolomojski, Boris Filatow, laut Prognosen vorn. Bürgerrechtler beklagten wie bei früheren Wahlen in der Ukraine Versuche von Stimmenkauf etwa durch Ausgabe von Lebensmitteln ans Wahlvolk, einzelne Kandidaten beklagten, auf Stimmzetteln gar nicht ausgewiesen gewesen zu sein, Schlägereien und sogar eine Messerattacke wurde aus einem Wahllokal gemeldet. Hunderte internationale Wahlbeobachter waren im Einsatz; es wird vermutet, dass sie den Urnengang trotz der Unregelmäßigkeiten als im großen und ganzen fair und frei einstufen.
Stichwahlen finden, wo nötig, voraussichtlich Mitte November statt. In der Hauptstadt hieß es, möglicherweise könnten am 15. November zeitgleich auch die Wahlen in Mariupol nachgeholt werden.