Eigentlich sollten die offiziellen Ergebnisse heute vorliegen, aber Beobachter sind skeptisch. Schon bei den Bürgermeisterwahlen, die vergangene Woche ausgezählt sein sollten, kamen viele Resultate zu spät. So könnte es nun auch bei den Wahlen zu den Stadt – und Bezirksräten sein.
Oppositionspolitiker unterstellen der Regierungskoalition Absicht, so Oleh Ljaschko, Abgeordneter der Radikalen Partei.
„Ich würde nur zu gern in einem Land mit fairen Wahlen leben. Aber was hat sich nach den Wahlen gezeigt? Wir haben immer noch keine Ergebnisse. Im benachbarten Polen haben die Menschen am selben Tag ein Parlament gewählt – am Tag darauf gab es die Resultate. Für mich ist die schleppende Auszählung der aussagekräftigste Beweis dafür, dass unsere Wahlen gefälscht werden.“
Das glaubt etwa die Hälfte der Ukrainer. Schon vor der Wahl waren viele skeptisch, ob die Stimmen fair ausgezählt werden. Geschulte Beobachter dagegen sehen keine Hinweise auf systematische Fälschungen.
Koalition hatte das Wahlgesetz geändert, um besser abzuschneiden
Dennoch sei die Regierung maßgeblich verantwortlich für das Chaos, sagt Oleksandr Kljuschew von der Bürgerinitiative „Opora“, die mit tausenden Beobachtern in den Wahllokalen präsent war:
„Die Koalition hat noch kurz vor der Abstimmung ein neues Wahlgesetz verabschiedet. Die Wahlkommissionen vor Ort kannten es noch nicht ausreichend, sie haben das neue Gesetz noch während der Auszählung studiert. Sie mussten ihre Dokumente immer wieder überprüfen und frühere Beschlüsse zurücknehmen.“
Die Koalition hatte das Wahlgesetz geändert, um besser abzuschneiden. Die Menschen stimmten bei der Wahl der Bezirks- und Stadträte nicht mehr für einen Wahlkreis-Kandidaten, sondern für eine Parteiliste. Die Sitze in den jeweiligen Parlamenten werden proportional vergeben. Das Kalkül der Regierung: Bei einem Mehrheitswahlrecht hätten im Süden und im Osten des Landes ehemalige Politiker der pro-russischen „Partei der Regionen“ einen überdeutlichen Sieg davongetragen. Denn die ehemaligen Parteigänger des nach Russland geflohenen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch sind in diesen Regionen seit Jahren an der Macht und bekannt. Ihre neue Partei „Oppositioneller Block“ ist dagegen noch weniger Menschen geläufig.
Präsident Petro Poroschenko sprach bereits von einem Erfolg für die Regierung:
„Das Wichtigste: Es hat keine Revanche der antiukrainischen Kräfte gegeben. Pro-europäische Parteien haben eine deutlich größere Zustimmung erhalten als die Partei, die aus der „Partei der Regionen“ von Janukowitsch entstanden ist. Ich gehe davon aus, dass sich in allen Stadt-, Gemeinde- und Bezirksräten proeuropäische Koalitionen bilden werden.“
So eindeutig dürften sich die Resultate aber nicht darstellen. Der „Oppositonelle Block“ hat nach vorläufigen Ergebnissen in mindestens drei Bezirken im Süden und Osten des Landes gewonnen. In den Großstädten Dnipropetrowsk, Zaporischa und Mykolajiw werden die Bürgermeister-Kandidaten der Partei Ende nächste Woche in einer Stichwahl antreten.
Gefälschte Wahlzettel im Osten des Landes
Wichtiger als das Ergebnis der Wahlen ist für unabhängige Beobachter, dass die Ukraine rasch die kleinen und großen Skandale rund um die Wahlen aufklärt. Dazu gehört der Kauf von Stimmen: Viele politische Kräfte verteilten Zuckerpakete oder Arzneimittel-Gutscheine an Wähler. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in etwa 400 Fällen. Noch schwerer wiegt, dass es in zwei Städten im Osten gar nicht zur Abstimmung kam: in Krasnoarmijsk und Mariupol. Dort seien gefälschte Wahlzettel aufgetaucht, sagt Oleksandr Kljuschew von der Organisation „Opora“:
„Die Justizorgane müssen diese Vorfälle in den kommenden Tagen aufklären. Sonst wäre das ein fatales Zeichen für die Stichwahl. Die Kandidaten würden verstehen, dass sie die Wahl sabotieren können, wenn sie sich auf der Verliererstraße befinden. Im Extremfall kann es dabei zu physischen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der Kandidaten kommen. Das würde das Image der Ukraine schwer beschädigen.“
Aufklärung verlangt Kljuschew aber auch bei allen anderen Rechtsverstößen, gerade bei den Stimmenkäufen. Es dürfe sich nicht das Szenario der Parlamentswahl im vergangenen Jahr wiederholen. Da führten nur fünf Prozent der festgestellten Verstöße zu einer Anklage.