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Kommunalwahlkampf
Ein Däne will Oberbürgermeister von Rostock werden

Er wäre der erste Ausländer an der Spitze einer deutschen Großstadt: Der Däne Claus Ruhe Madsen will bei der Kommunalwahl in knapp zwei Wochen Oberbürgermeister in Rostock werden. Ale EU-Bürger darf er kandidieren. Politische Erfahrung hat der 46-jährige Möbelunternehmer nicht, aber viele Ideen.

Von Katharina Elsner |
"Kamera läuft. Ton läuft. Und bitte." - "Mein Name ist Claus Ruhe Madsen. Ich möchte Ihr Oberbürgermeister werden…"
Die Kamera ist auf Claus Ruhe Madsen gerichtet. Madsen trägt Rahmenbrille und Wikingerbart und will in das Rostocker Rathaus einziehen, vor dem er gerade steht. Zwei Tage lang dreht er dafür seinen Werbespot.
Madsen ist Däne und Möbelhändler. Seine Geschäfte laufen gut, er besitzt vier Filialen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg und Sachsen und beschäftigt knapp 90 Mitarbeiter. Bis vor Kurzem war er Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Rostock, sitzt im Mittelstandsbeirat, der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier berät, er sammelt Spenden für kranke Kinder und trainiert eine Handballmannschaft. Warum will er, ein Möbelhändler, jetzt Oberbürgermeister der größten Stadt in Mecklenburg-Vorpommern werden?
"Weniger schnacken. Einfach machen."
Viel hat damit zu tun, dass er als Bürger und als Vater selbst sieht, wo es in Rostock hakt. Im Handballverein seiner Tochter zum Beispiel fehlte ein Trainer. Also machte Madsen selbst den Trainerschein, springt ab und zu ein und fährt an Wochenenden zu den Spielen.
"Ein Bürgermeister ist nah am Menschen. Vielleicht im Gegensatz zum Bundestag, das ist sehr weit weg. Aber der Bürgermeister hat direkten Einfluss auf Entwicklung der Stadt, Verwaltung, die Bürger, die Vereine. Das ist superinteressant. Im Grunde ist er ein Unternehmer. Er ist kein richtiger Politiker. Er ist Verwaltungschef. Er ist gewählt, aber er muss handeln."
"Weniger schnacken. Einfach machen." Das ist Madsens Motto, damit tritt er als Kandidat in Rostock an. Seit mehr als 20 Jahren lebt er hier. Sollte er gewinnen, wäre das etwas Besonderes: Er wäre der erste ausländische Bürgermeister einer Großstadt in Deutschland, jedenfalls ist dem Deutschen Städte- und Gemeindebund kein anderer Fall bekannt.
"Meine Hände für unsere Umwelt - weil wir als Stadt am Meer eine besondere Verpflichtung haben."
Madsen klingt wie ein Kandidat der Grünen, er will Radwege bauen und Elektrobusse einsetzen, aber er tritt als Parteiloser an - und wird von CDU und FDP unterstützt. Nur: Seit 1945 hat es noch kein CDU-Kandidat auf den Chefposten des Rostocker Rathauses geschafft, die FDP sitzt seit 2011 nicht einmal mehr im Landtag. Unter Politikern und Journalisten in Rostock ist es aber ein offenes Geheimnis, dass ihn die Linke und die SPD unter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig gern selbst als gemeinsamen Kandidaten aufgestellt hätten. Madsens Chancen, als Politikneuling Bürgermeister zu werden, die stehen also nicht schlecht.
Kritik bemängeln politische Unerfahrenheit
"Weil wir im linken Spektrum viele Kandidaten haben, SPD, Die Linke, Grüne - diese werden sich gegenseitig die Stimmen wegnehmen", sagt Jan Müller. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität Rostock und denkt, dass Madsen zwar soziale Themen aufgreife, aber eben auch neoliberale Positionen vertrete. Denn Madsen sagt: Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut. "Und dann haben wir das gesamte Lager, mittig und rechts davon, Liberale und CDU unterstützen ihn. Von daher gibt es viel Potential, das er abschöpfen kann", meint Müller.
Kritiker werfen Madsen dagegen vor, er sei zu naiv. Sein Gegenkandidat, Uwe Flachsmeyer, ist Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Rostocker Bürgerschaft und er weiß, was Madsen fehlt:
"Seine mangelnde Verwaltungs- und Politikerfahrung sehe ich schon als einen seiner Nachteile. Inwieweit er den über seine charmante Art kompensiert kriegt, kann ich schwer einschätzen. Ich bin selbst nun auch schon längere Jahre in der Kommunalpolitik ehrenamtlich tätig, und ich weiß, wie schwer dieses Feld und auch wie schwer gerade die Zusammenarbeit mit Verwaltung ist. Und es wäre schon ein Plus, wenn man da Erfahrung mitbringen könnte."
Madsen will mit Unternehmerqualitäten punkten
Madsen will Bürgermeister sein, kein Politiker. Das mag authentisch oder planlos sein, vielleicht ist es auch Teil seiner dänischen Mentalität, bei der Menschen einfach machen:
"Unternehmer leben davon, zu machen, nicht zu planen, nicht zu reden oder zu bedenken, ob und wie und wollen wir oder können wir, oder andere Menschen nach Gutachten fragen. Sondern eine Entscheidung treffen und dafür auch zur Verantwortung zu stehen. Das ist ein Unternehmer. Ein Unternehmer muss jeden Tag seine Entscheidungen verantworten. Und das glaube ich, kann der Politik nicht schaden."
An politischen Taten können ihn die Rostocker Bürger jedenfalls noch nicht messen. Als Kandidat muss er noch ein bisschen besser Text lernen:
Madsen: "Bürgerinnen und Bürger. Ach so, nee. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter." -Regisseur: "Du hast jetzt noch Zeit, dich noch mit deinem Text zu beschäftigen." Madsen: "Guter Hinweis."