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Kommunen in Coronazeiten
Prenzlau in Finanznot

Brandenburgische Städte, Gemeinden und Ämter rechnen mit massiven Einnahmerückgängen durch die Pandemie. In Zeiten klammer Kassen ist Kultur besonders gefährdet. Für eine Kommune wie Prenzlau bedeutet Kultur mehr als nur Schmuck - sie ist auch ein wichtiger Standortfaktor.

Von Christoph Richter |
Blick in den Kreuzgang des 1270 gegründeten früheren Dominikanerklosters Prenzlau, Landkreis Uckermark, das am 10.09.1999 als Kulturzentrum der Kreisstadt eröffnet wurde
Blick in den Kreuzgang des 1270 gegründeten früheren Dominikanerklosters Prenzlau, Landkreis Uckermark, das am 10.09.1999 als Kulturzentrum der Kreisstadt eröffnet wurde (picture-alliance / ZB / Klaus Franke)
"Wir befinden uns im Refektorium, ein wunderschöner Speisesaal für die Gäste einstmals des Klosters, dann gibt es eine Kapelle, einen Kreuzgang. Das ist hier in der Gegend nur noch selten."
Katrin Frey ist Museologin am ehemaligen Dominikanerkloster in Prenzlau, so etwas wie das kulturelle Herz der Stadt. Ein prächtiger gotischer Backsteinbau im äußersten Nordosten Brandenburgs. Heute beherbergt das mittelalterliche Ensemble das Kulturhistorische Museum, das Archiv und die Stadtbibliothek.
"Die Wichtigkeit von Kultureinrichtungen ist bekannt", sagt die 52-Jährige ausgebildete Archäologin Frey. Sie wisse aber auch, dass in Krisenzeiten zuerst im Kulturbereich gespart werde. Weshalb sie nicht ohne Sorge in die Zukunft schaut.
"Die Befürchtungen sind, dass die Langzeitfolgen drastischer sind, als man sie jetzt absehen kann."
Finanzierung von kulturellen Baumaßnahmen fraglich
Konkret geht es um die Erweiterung der Klosteranlage. Ursprünglich war geplant, den Kreuzgang wieder komplett zu schließen. Die frühere Superintendentur soll in das Kloster integriert werden, um so den ursprünglichen Charakter des Klosters noch besser erlebbar zu machen. Ob das jetzt noch so kommt? Museumsmitarbeiterin Katrin Frey hat so ihre Zweifel und schaut zu Marek Wöller-Breetz. Er steht neben ihr und ist der Kämmerer der Stadt. Der Mann also, der über die Finanzen wacht.
"Sicher ist nichts. Und wir wissen alle nicht, was in der Glaskugel ist. Wir wissen auch nicht, was morgen ist."
Weshalb er nichts versprechen könne. So realistisch müsse man in diesen Tagen sein, sagt Stadtkämmerer Wöller-Bretz.
Einnahmenverluste erfordern Haushaltssperre
Denn die Coronapandemie hat auch in Prenzlau tiefe Wunden gerissen. Bereits jetzt – seit Beginn der Krise - gehe man von Einnahmeverlusten von 1,5 Millionen Euro aus, rechnet der parteilose Bürgermeister Hendrik Sommer vor. Das sei bei einem Gesamthaushalt von 41 Millionen Euro schon erheblich. Und nur der Anfang.
"Da müssen wir schon sofort reagieren. Auf der anderen Seite haben wir belastbare Zahlen: Wir rechnen mit 25 Prozent weniger Einnahmen. Und das kann man nicht ohne weiteres kompensieren."
Deshalb war es unabdingbar, eine Haushaltssperre zu erlassen, so das Prenzlauer Stadtoberhaupt. Dem Auseinanderdriften von Einnahmen und Ausgaben habe man sofort entgegenwirken müssen. Ansonsten würde man die Stadt in eine Schuldenspirale beziehungsweise in eine Pleite treiben, mit der man dann möglicherweise Jahrzehnte zu kämpfen hätte.
"Die Haushaltssperre zwingt uns dazu, jede Ausgabe, jeden Vertrag zu prüfen. Ist er abweisbar, muss das jetzt sein. Da lässt sich schon Geld sparen."
Es würden jetzt nur noch Aufträge erteilt und Auszahlungen gemacht, die rechtlich zwingend erforderlich seien wie dringend notwendige Straßenarbeiten. Alles andere werde auf die lange Bank geschoben.
Kommunen fordern Unterstützung vom Land
Wenn das Land die Kommunen in dieser Situation allerdings alleinlasse, sehe es für die Städte und Gemeinden schwarz aus, ergänzt der Prenzlauer Bürgermeister Hendrik Sommer noch. Der Städte und Gemeindebund rechnet für das laufende Jahr mit Einnahmerückgängen von fast einer Milliarde Euro. Jetzt setzt man auf den kommunalen Rettungsschirm des Landes, der irgendwann im Sommer kommen soll.
"Wir warten jetzt die Steuerschätzung ab und den nächsten Gewerbesteuertermin. Und dann wird man sehen, wie hoch die Verluste sind. Und wo sie regional besonders ausgeprägt sind."
Sagt Jens Graf, der Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebunds. Doch konkrete Forderungen zu den Höhen der Hilfen will er derzeit nicht nennen. Anders in Prenzlau. Dort hat man ziemlich klare Vorstellungen.
"70 Prozent übernimmt das Land, 30 Prozent die Kommunen. Ich glaube, das ist eine vertretbare Größe für die Kommunen", sagt Marek Wöller-Breetz, er ist so etwas wie der Finanzsenator der Stadt Prenzlau.
Kultur als bedeutsamer Standortfaktor
Die Attraktivität von Kommunen wie Prenzlau müsse am Leben erhalten werden. Dazu gehörten eben nicht nur Schulen, Kitas und Schwimmbäder, sondern auch Kulturinstitutionen wie das Dominikanerkloster. Doch möglicherweise könne man das in Zukunft nicht mehr allein finanzieren, weshalb man auf den kommunalen Schutzschirm setzt.
"Weil die Kultur ein ganz wichtiger Punkt für die Daseinsvorsorge hier in der Region ist. Ich denke, auch die Touristenströme werden sich verändern. Das ist eine ganz große Chance, die wir hier jetzt haben. Die Regionalität auch darbieten können."
Kultur sei eben kein verzichtbarer Schmuck, sondern ein durchaus bedeutsamer Standortfaktor, ergänzt Stadtkämmerer Wöller-Breetz. Museologin Katrin Frey, die Mitarbeiterin des Klosters, hört an dieser Stelle genau zu. Doch ob am Ende aus den Worten auch Taten werden, ob das Kloster auch nach der Pandemie so weiter existieren kann, wie bisher, so sicher ist sie sich da nicht.
"Wir müssen wirklich abwarten, wie tatsächlich die Auswirkungen der besonderen Zeit sein werden. Und da kann niemand sagen, wie es dann weiter geht."