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Kommunen in der Coronakrise
Ungebremst ins Defizit

Die Corona-Pandemie stellt die Kommunen vor Herausforderungen. Der Bundesfinanzminister plant nun, sie mit 57 Milliarden Euro zu entlasten. Das lässt Bürgermeister und Kämmerer von Mülheim an der Ruhr bis Reutlingen hoffen. Doch der Altschuldenplan könnte zum Zankapfel in der Koalition werden.

Von Uschi Götz, Theo Geers und Moritz Küpper |
imago images / Olaf Döring Haltestelle Stadtmitte am Rathaus Mülheim an der Ruhr *** Stop Stadtmitte at the town hall Mülheim an der Ruhr
Mülheim an der Ruhr ist federführende Stadt im Aktionsbündnis "Für die Würde unserer Städte". Darin haben sich 70 Kommunen aus acht Bundesländern zusammengeschlossen, die eine Lösung für ihre Überschuldung finden wollen (imago images / Olaf Döring)
"Insgesamt geht es nach unten und zwar in einer Deutlichkeit, die einem Angst einjagt."
Der Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck muss umdenken. Eigentlich sah der Doppelhaushalt seiner Stadt für 2019/2020 keine Neuverschuldung mehr vor. Nach fast zwei Jahrzehnten zum ersten Mal. Ein Grund zum Feiern. Doch dann kam die Corona-Pandemie - und traf Reutlingen, die 115.000-Einwohner zählende Stadt am Fuße der Schwäbischen Alb, schwer. Eigentlich war geplant, in den kommenden Jahren in Reutlingen Millionen etwa in die Mobilitätswende zu stecken – oder auch in den Ausbau der Kinderbetreuung.
Doch jetzt stehe alles auf dem Prüfstand, sagt Keck. Im schlimmsten Fall könnte allein die Gewerbesteuer in Reutlingen um bis zu 50 Prozent einbrechen. Auch bei der Einkommensteuer sei bedingt durch Kurzarbeit oder Entlassungen mit deutlich weniger Geld zu rechnen.
"45 Millionen Euro könnten die finanziellen Folgen von Corona allein für Reutlingen betragen."
Leere Einkaufsstraßen in Kaiserslautern, verwaiste Innenstadt
Den Kommunen brechen die Einnahmen weg
Viele Städte und Gemeinden in Deutschland sind hoch verschuldet – schon vor der Coronakrise wurden Modelle diskutiert, um etwa Altschulden auf den Bund zu übertragen. Jerzt spitzt sich die Lage zu.
"Drei Atemzüge mehr bevor ich absaufe"
Wegbrechende Einnahmen, ausbleibende Gebühren und das alles bei weiter steigenden Kosten: Die Corona-Krise reißt nicht nur in die Reutlinger Stadtkasse ein gewaltiges Loch – bundesweit haben Städte und Gemeinden mit dem Ausfall von Einnahmen zu kämpfen. Mit 81,5 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als im vergangenen Jahr rechnet der Bund. Entsprechende Zahlen legte der Arbeitskreis Steuerschätzungen vergangene Woche vor. Dabei sind viele der Gelder in den Haushalten schon fest verplant.
Das bereitet auch dem Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck Kopfzerbrechen. Und auch, dass viele Unternehmen zudem Steuerstundung beantragt haben. Ein Vorgehen, das der Städtetag Baden-Württemberg für das ganze Bundesland vermerkt. Keck weiß deshalb nicht, wie er die weiterlaufenden Ausgaben stemmen soll. Allein im Kinderbetreuungsbereich kommt eine Stadt wie Reutlingen auf Kosten von 600.000 Euro – monatlich.
Vom Land gab es bislang eine Soforthilfe in Höhe von 1,5 Millionen Euro: "Ermöglicht mir praktisch drei Atemzüge mehr zu machen, bevor ich absaufe."
Apostolos Tsalastras auf dem außerordentlichen Landesparteitag der SPD in NRW im Jahr 2019.
Oberhausener Kämmerer - Jetzt zu sparen wäre falsch
Die Initiative des Bundesfinanzministers sei "eine wirklich große Hilfe", sagte der Kämmerer von Oberhausen, Apostolos Tsalastras, im Dlf. Gerade wirtschaftlich schwache Kommunen müssten jetzt investieren.
Was Reutlingen derzeit erlebt, ist symptomatisch für viele andere Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg. Denn gleich zwei Krisen treffen hier die Haushalte: Die Corona-Pandemie und die Strukturkrise in der Automobilindustrie.
Bereits vor Corona war klar gewesen, dass der bislang wirtschaftlich starke Südwesten sich auf Sparprogramme und Stellenstreichungen beheimateter Unternehmen einstellen muss. Strafzahlungen belasten allen voran den Autohersteller Daimler, einen der größten Arbeitgeber im Land. Die ganze Branche steckt zudem mitten im Transformationsprozess, der vor allem mittlere und kleinere Zulieferer vor große finanzielle Herausforderungen stellt.
Rund 40 Prozent der Industriebetriebe im Land müssen als direkte Folge der Pandemie Stellen abbauen. Dies ergibt eine aktuelle Umfrage des baden-württembergischen Industrie- und Handelskammertags.
Milliardenschutzschirm soll helfen
Reutlingen hat eine gemischte Wirtschaftsstruktur, von der Automobilbranche ist man nur indirekt abhängig. Allerdings unterhält dort auch der Autozulieferer Bosch mit rund 8.000 MitarbeiterInnen einen seiner innovativsten Standorte. Um Bosch mache er sich keine Sorgen, sagt Oberbürgermeister Keck:
"Aber natürlich ist dieser ganze Transformationsprozess mit einem Rückgang an Arbeitskräften und auch mit dem Rückgang an Gewerbesteuer zunächst einmal verbunden. Und es ist leider so, dass in diesem Land, die Kommunen an der Gewerbesteuer hängen."
Wie viele seiner Amtskolleginnen und -kollegen fordert Keck einen Rettungsschirm für seine Stadt. Am Wochenende scheint er Gehör gefunden zu haben: Da legte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) seine Pläne vor, einen Schutzschild aus 57 Milliarden Euro über die Kommunen in Deutschland zu spannen. Geld um den Ausfall von Gewerbesteuern auszugleichen, auch sollen damit verschuldete Städte und Gemeinden von Altschulden befreit werden. Bund und Länder sollen dabei jeweils die Hälfte zur Finanzierung beisteuern.
Ein Stapel von Euromünzen.
Kommentar - Schlechte Haushaltsführung nicht belohnen
Es sei unstrittig, dass auch Kommunen in der Coronakrise Finanzhilfen brauchen, kommentiert Mischa Ehrhardt. Aber die geplante Übernahme von Altschulden belohne eine schlechte Haushaltsführung.
Kritik für den Vorstoß des SPD-Ministers kommt vor allem vom Koalitionspartner CDU/CSU. Positiv reagierten Vertreter der Städte und Gemeinden. So auch Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck. Er sehe das Vorhaben grundsätzlich positiv. Sorge habe er allerdings, dass es nun zum parteipolitischen Zerfleddern komme. Grundsätzlich müsse sich jedoch jetzt auch strukturell etwas bewegen, so Keck. Die Kommunen litten unter einer jahrzehntelangen, ungerechten Lastenverteilung vor allem im sozialen Bereich. Um keine Zeit zu verlieren, wurde im Rathaus längst ein Konsolidierungsprozess eingeleitet:
"Bereits zu Beginn von Corona, am 6. und 7. März, hat sich der Gemeinderat in einer zweitätigen Klausurtagung, in einer für mich nie dagewesenen, und ich war 25 Jahre selber Mitglied im Gemeinderat, und habe so etwas noch nicht erlebt, in einer nie dagewesenen Einmütigkeit, auf Sparbeschlüsse geeinigt. Fraktionsübergreifend, unglaublich."
Absturz in kürzester Zeit
Wie schnell sich die Zeiten ändern können, erlebt aktuell auch Baden-Württembergs Landeshauptstadt Stuttgart. Bei den Haushaltsberatungen im Dezember 2019 rechnete man im Rathaus noch mit einem Überschuss von 33,8 Millionen Euro. Wegbrechende Steuereinnahmen und Gebühren zwingen auch Stuttgart nun zu neuen Berechnungen. Dabei geht man von zwei Szenarien aus:
Szenario eins: Die Wirtschaft läuft wieder an und bringt wieder Geld in die Stadtkasse. In diesem Fall ist durch den Corona-Effekt ein Verlust von etwa 360 Millionen Euro entstanden.
Szenario zwei: Die Pandemie wird nicht gestoppt, ein weiterer Lockdown wird notwendig. Das könnte in Stuttgart zu einem Ausfall von mehr als 600 Millionen Euro führen.
"So wie sich die Situation sich zumindest momentan darstellt, gehen wir eher von dem Szenario eins aus. Aber auch das ist natürlich für sich genommen ein dramatisches Szenario." Sagt Stuttgarts CDU-Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann am Telefon. Die Folge: Zunächst wird es keinen Nachtragshaushalt geben, allerdings auch keine Haushaltssperre. Stattdessen tritt man in Stuttgart auf die Bremse. 15 Prozent weniger als geplant will die Stadt zunächst in allen Bereichen ausgeben. Zum Beispiel für die Digitalisierung, Mobilität oder auch für Kultur. Nur bei der Schaffung von Arbeitsplätzen will Stuttgart nicht sparen.
Porträt des Stuttgarter Oberbürgermeisters Fritz Kuhn.
Stuttgarts Oberbürgermeisters Fritz Kuhn (Grüne) (imago )
Stuttgart zählt zu den reichen Städten in Baden-Württemberg. Rund zwei Milliarden Euro Rücklagen wurden in guten Zeiten gebildet, nicht zuletzt durch eine solide Haushaltspolitik. Doch das Geld ist fast verplant, investiert wird etwa in einen Klinikneubau, die Sanierung der Oper steht an und rund 150 Millionen Euro sind für eine Wohnbauoffensive vorgesehen.
Zunächst werde man daher in Stuttgart keine radikalen Einschnitte spüren, so CDU-Finanzbürgermeister Fuhrmann:
"Natürlich werden auch die 15 Prozent, die eine oder andere Einrichtung zum Beispiel treffen, allerdings sind das auch nur 15 Prozent und das Ganze nur vorläufig. Was aber nicht heißt, dass diese nicht möglicherweise auch tatsächlich dann noch in einem Nachtragshaushalt, den wir noch beschließen müssen, dann auch umsetzen müssen."
Gerade jetzt in der Krise müsse investiert werden. Das sagte jüngst Stuttgarts grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Damit leiste die Stadt einen wichtigen Beitrag für die Konjunktur. Auch Kuhn hatte einen Rettungsschirm für Städte und Gemeinden gefordert. Ob und wie schnell mit einer Nothilfe gerechnet werden kann, das ist im Moment völlig offen.
Bündel von 10-, 20-, 50-, 100- und 200-Euro-Banknoten
Kommunen in Coronazeiten - Prenzlau in Finanznot
Städte, Gemeinden und Ämter rechnen mit massiven Einnahmerückgängen durch die Corona-Pandemie. In Zeiten klammer Kassen ist Kultur besonders gefährdet - für eine Kommune wie Prenzlau ein wichtiger Standortfaktor.
Akute Nothilfe geplant
Die Finanzhilfe für die Städte und Gemeinden ist eine Hilfe mit Ansage. Denn als Bundesfinanzminister Scholz in der vergangenen Woche die aktuelle Steuerschätzung präsentierte, hielt er mit seinen Plänen für die Kommunen nicht hinter dem Berg.
"Nun wissen wir, es gibt eine Reduzierung der Gewerbesteuereinnahmen von 13 Milliarden Euro. Wir kennen die sowieso bestehende Aufgabe, die höchstverschuldeten Kommunen von ihren Altschulden zu entlasten. Deshalb habe ich mir vorgenommen, jetzt die Dinge zusammen zu fügen und einen entsprechenden Vorschlag zu machen. Meine Vorstellung ist schon, dass man kein Konjunkturprogramm machen kann, bei dem die Gemeinden dann gar nichts zur Konjunkturförderung machen können."
Die schwarze Null guckt aus einem aufgerissenen Geldsack heraus.
Kommentar - Deutschland kann sich das Gegensteuern leisten
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wolle ausdrücklich nicht gegen die Krise ansparen, das nenne man dann wohl Kurs halten, kommentiert Theo Geers. Aber für die Zukunft gelte es, das Geld wohldurchdacht auszugeben.
Das war am Donnerstag. Zwei Tage später kursierte in Berlin das vorläufige Konzept. Überschrift: "Ein Schutzschild für unsere Kommunen". Drei Din-A4-Seiten lang und 57 Milliarden Euro schwer. Der Schutzschild besteht aus zwei Teilen:
Erstens: Die akute Nothilfe. Den Städten und Gemeinden sollen die Ausfälle bei der Gewerbesteuer voll ersetzt werden. Ginge es nach Olaf Scholz, finanzieren das der Bund und die Länder je zur Hälfte.
"Wir wissen, was ihnen fehlt. Wir haben aus der Steuerschätzung gelernt, dass es knapp zwölf Milliarden Euro sind, die die Gemeinden an Gewerbesteuereinnahmen weniger haben. Das ist eine Menge Geld, wenn man das umrechnet in Investitionen, in Kindergärten, Schulen, Straßen und sozialen Dienstleistungen, die aufrecht zu erhalten in diesen Zeiten ja noch viel dringender ist. Und dann kennen wir ja schon aus langer Zeit die große Herausforderung, die mit den Altschulden verbunden ist."
Die mit einer Altschuldenhilfe gelöst werden soll. Dies ist der zweite Teil des Schutzschildes für Städten und Gemeinden.
imago images / Christian Spicker  Berlin, Plenarsitzung im Bundestag Deutschland, Berlin - 07.05.2020: Im Bild ist Olaf Scholz (Vizekanzler, Finanzminister, spd) während der Sitzung des deutschen Bundestags zu sehen. Berlin Bundestag Berlin Deutschland *** Berlin, Plenary Session in the Bundestag Germany, Berlin 07 05 2020 In the picture you can see Olaf Scholz Vice-Chancellor, Minister of Finance, spd during the session of the German Bundestag Berlin Bundestag Berlin Germany
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) (imago images / Christian Spicker )
In einer einmaligen Aktion sollen bundesweit 2.500 Kommunen von ihren sogenannten Kassenkrediten entlastet werden, die sie teilweise in Jahrzehnten angehäuft haben. Es geht um rund 45 Milliarden Euro, wobei der Löwenanteil – etwa 23 Milliarden – auf hochverschuldete Städte in Nordrhein-Westfalen entfällt. Entschuldet würden Städte wie Oberhausen, Mülheim an der Ruhr, aber auch Hagen oder Wuppertal. Besonders betroffen sind zudem Rheinland-Pfalz mit Städten wie Pirmasens oder Kaiserlautern und das Saarland. Hier würden der Bund und das jeweilige Bundesland die Kassenkredite je zur Hälfte ablösen. Das Land müsste zudem durch die Kommunalaufsicht sicherstellen, dass diese Städte danach nicht wieder neue Schulden aufnehmen.
Der Konflikt um die Altschulden
Das Konzept für die Altschulden ist nicht neu. Bundesfinanzminister Scholz hatte ursprünglich geplant, es im Frühjahr vorzulegen. Dann kam Corona dazwischen und verschärfte das kommunale Finanzproblem noch. Denn Corona trifft alle Kommunen, egal ob reich oder arm, ob Finanzprobleme schon vor der Krise bestanden oder nicht, unterstreicht der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg.
"Am deutlichsten bricht die Gewerbesteuer ein, wenn die Wirtschaft nicht läuft, gibt es halt keine Gewerbesteuer, dann brechen die Gebühren ein, das heißt Museen, Schwimmbäder, auch ÖPNV fährt ein Defizit nach dem anderen ein. Und wir sehen nicht, dass sich das kurzfristig ändern wird."
Auf der anderen Seite stellen die Kommunen in Kürze ihre Haushalte für 2021 auf. Bundesfinanzminister Scholz will dabei verhindern, dass die Kommunen ihre Investitionen zurückfahren, nur weil sich nicht wissen, woran sie sind.
"Wenn jetzt im Juni und Juli Gemeinden, Kämmerer, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister entscheiden, dass sie Aufgaben zurückfahren, dass Investitionen zurückgefahren werden, dann hat das in diesem und im nächsten Jahr dramatische Folgen für die Investitionstätigkeit in Deutschland. Denn das dürfen wir auch nicht vergessen: Die größten öffentlichen Investoren in Deutschland sind unsere Gemeinden und Städte."
Olaf Scholz ist auch ein ausgebuffter Politfuchs. Er wittert die Chance, jetzt auch sein Altschuldenkonzept durchzubringen.
Kritik aus der Union
Auch wenn die Idee von vielen Kommunen und Ländern wie Nordrhein-Westfalen ausdrücklich begrüßt wird: Unumstritten ist der Plan nicht. Im Gegenteil. Indem Scholz beides – die akute Finanzhilfe zum Ausgleich der wegbrechenden Gewerbesteuer und das Altschuldenproblem - miteinander verknüpft, hofft der Bundesfinanzminister, dass die Gegner den Verlockungen des Geldes erliegen und auch ihren Widerstand gegen die Altschuldentilgung aufgeben. Doch die Gegner wollen sich nicht überrumpeln lassen.
Zu ihnen gehört der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Eckhardt Rehberg. Ihn empört nicht nur, dass Scholz ohne vorherige Absprache einen zweistelligen Milliarden-Betrag in die Hand nehmen will. Dabei trägt der CDU-Politiker die Pläne der Bundesregierung durchaus mit, Anfang Juni ein Konjunkturprogramm vorzustellen, welches das Land aus der Corona-Krise führen soll. Aber Rehberg denkt auch an die Arbeitslosenversicherung. Zehn Millionen Kurzarbeiter lassen ihre Reserven wie Schnee in der Sonne schmelzen. Schon im Herbst wird der Bund Überbrückungshilfen leisten müssen. Rehberg fordert aber auch wegen anderer Ausgaben, das Geld lieber zusammen zu halten:
"Wir wollen ein milliardenschweres Konjunkturprogramm auflegen, wir brauchen weitere Überbrückungshilfen in dieser Corona-Krise und die Herausforderung Europa steht beim Bund vor der Haustür. All dies muss geschultert werden und bei aller Problematik in den Kommunen: Die Finanzverantwortung für die Kommunen haben die Länder und nicht der Bund."
28.09.2018, Berlin: Eckhardt Rehberg (CDU), Bundestagsabgeordneter, spricht während einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages. 
Eckhardt Rehberg (CDU), Bundestagsabgeordneter (picture alliance/Gregor Fischer)
Dem CDU-Haushaltsexperten Rehberg geht es also auch ums Prinzip: Hilfen für die Kommunen sind reine Ländersache, der Bund soll sich raushalten.
Doch die Idee, jetzt die Pleitekommunen zu entschulden, weckt auch noch anderen Argwohn. Baden-Württemberg etwa zeigt sich skeptisch. Das sei doch ein alter Vorschlag, für den es bereits in der Vergangenheit keine Mehrheit gab, so ein Sprecher aus dem dortigen Finanzministerium. Bayern lehnte den Plan schon von Anfang an ab, und hält an dieser Position fest, betont der bayerische Finanzminister Albert Füracker (CSU): "Ich bin jetzt nicht bereit, mit bayerischen Geld Kommunen in anderen Bundesländern zu entschulden."
Diese Sorge ist allerdings unbegründet. Kein Land muss bei der Altschuldentilgung mitmachen. Wenn es aber mitmacht, übernähme es nur die Hälfte der Schulden seiner Kommunen, nicht aber die anderer Länder. Doch Bayern hält auch sonst nichts von der Regelung.
"Was soll’s jetzt bringen?", fragt Ministerpräsident Markus Söder. Aus seiner Sicht bringt es für die jetzt nötige Ankurbelung der Konjunktur nichts, wenn in Pleitekommunen durch die Altschuldentilgung das Konto nur wieder auf null gestellt wird.
"Es ist völlig absurd, jetzt Altschulden zu tilgen, damit jetzt neue Schulden gemacht werden können. Sinn macht, Investitionen zu gestalten. Dafür sind wir in Bayern gerne bereit mitzuhelfen, aber eine Altschuldentilgung wird es definitiv nicht geben."
Die Situation bei den Altschulden ist damit genauso verfahren wie schon vor Monaten - mit dem einzigen Unter schied, dass die Corona-bedingten Steuerausfälle den Druck erhöhen, den Kommunen jetzt unter die Arme zu greifen. Scholz hält deshalb an seinen Plänen fest, diese Hilfen zum Teil des für Juni geplanten Konjunkturpakets zu machen und dabei den Pleitekommunen besonders zu helfen.
Große Hoffnung bei Kommunen
Mülheim. Dennis Keskin steht vor den leeren Stühlen seiner Eisdiele an der Ruhrpromenade. Vor einigen Tagen durfte er sein Eiscafé "Venetia" nach den Corona-Einschränkungen teilweise wieder öffnen. Er hat Verständnis für die einschneidenden Maßnahmen, auch wenn sie ihn finanziell schwer getroffen haben:
"Wir müssen alle an einem Strang ziehen." Sagt Keskin. Er hofft, ab jetzt die Einnahme-Ausfälle aus dem Frühjahr abfedern zu können: "Ja, die Hoffnung ist groß. Nur: Man darf ja nicht zu voreilig sein und denken, jetzt wäre alles wieder gut, nur weil das Wetter schön wird."
Ähnlich geht es auch Frank Mendack in diesen Tagen. Mendack ist seit April 2017 Beigeordneter und Stadtkämmerer in Mülheim an der Ruhr, sitzt nur rund 200 Meter von der Eisdiele entfernt in seinem Büro – und Keskins aktuelle Probleme sind auch Mendecks Angelegenheit:
"Im Augenblick verschärft sich das dadurch, dass wir bei der Gewerbesteuer einen Einbruch verzeichnen, der so gegen 30 Millionen Euro geht. Wir haben bei der Einkommenssteuer eine Simulation gemacht, bei einem Bruttoinlandsprodukt-Absinken von minus 4,5 bis 6,0 bewegen wir uns bei 15 bis 20 Millionen. Die Umsatzsteuer macht uns große Sorgen, es wird ja auch Steuerarten geben, die jetzt nicht unmittelbar im März/April sich über die Steuerschätzung niederschlagen, sondern viele Effekte werden erst später erfolgen."
Der Geschäftseinbruch von Keskins Eiscafé ist da nur ein kleiner Faktor: "Wir gehören zu den Städten, die ungünstig aufgestellt sind. Das heißt, wir haben ganz wenige, ganz, ganz wenige sehr große Steuerzahler, die dann allerdings auch 90 Prozent dann des Steueraufkommens ausmachen. Und wenn die schwächeln, schwächelt direkt der ganze Haushalt mit."
Es sind große Firmen wie Salzgitter, Aldi oder auch Teile der Tengelmann-Gruppe. Der schmucke Ruhrhafen mit der Eisdiele und dem Rathaus. Die Neubauten drum herum sowie das gewandelte Image zu einer "Stadt am Fluss", können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Mülheim pleite ist. Über zwei Milliarden Euro Kassenkredite drücken auf die Bilanz.
Kommunen handlungsfähig machen
Seit Jahren ist Mülheim daher die federführende Stadt im Aktionsbündnis "Für die Würde unserer Städte". Darin haben sich 70 Kommunen aus acht Bundesländern zusammengeschlossen – und bemühen sich darum, eine Lösung für ihre Überschuldung finden – etwa mit einem Altschuldenfonds. Man sei damit auch fast schon auf der Zielgeraden gewesen, trotz Widerstand insbesondere aus Süddeutschland, erzählt der Kämmerer weiter. Aber mit Corona seien die Bedenken wieder gewachsen. Weil das Geld für alle da sein sollte, um die Krise zu bewältigen und nicht bloß für einen Altschuldenfonds für drei, vier Bundesländer. Die neuen Pläne des Bundesfinanzministers sind für Mendack also mehr als gute Nachrichten. Auch er setzt auf das Argument, dass Kommunen als Investoren in der Nach-Corona-Zeit gelten könnten – nur dafür müsse man sie eben handlungsfähig machen.
Für die einmalige Übernahme der Altschulden durch den Bund bedarf es einer Verfassungsänderung. Die Ressortabstimmung will Bundesfinanzminister Scholz bereits im Juni starten, das Bundeskabinett soll seinen Plan vor der Sommerpause billigen. Bundestag und Bundesrat sollen ihn im November beschließen. Mendack hofft, dass der Plan des Bundesfinanzministers aufgeht:
"Wir haben im Augenblick keine Bundes- oder Landtagswahl, die unmittelbar bevorsteht und ich hoffe, dass es uns gelingt, jetzt über dem Sommer eine Lösung auch hinzubekommen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf – bin schließlich Schalke-Fan, da gebe ich die Hoffnung nie auf."