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Kommunikation für den Notfall

Technik. - Kommunikation ist im Fall einer Krise oder Katastrophe besonders wichtig, doch das normale Netz dürfte dann nicht zur Verfügung stehen. Wenn dann auch noch die Notnetze der Zivilschutzorganisationen an ihre Grenzen stoßen, kann es eng werden. Funkamateure bieten mit einem "Notfall-Funkkoffer" Hilfe.

Von Thomas Wagner | 25.06.2010
    Der helle Piepston, der aus dem Aluminium-Koffer dringt, klingt nicht besonders angenehm. Neben dem Koffer hat Werner Rinke, Referent für Not- und Katastrophenfunk im Deutschen Amateurradioclub, ein kleines Laptop aufgestellt. Auf dem Bildschirm erscheint eine grafische Darstellung, die einem handelsüblichen E-Mail-Client wie beispielsweise Outlook-Express ähnelt. Oben allerdings steht die Programmbezeichnung "Air-Mail":

    "Air Mail ist eine digitale Betriebsart. Hier arbeitet man über Kurzwelle. Es besteht ein gesamtes, digitales Netzwerk innerhalb der ganzen Welt, so dass man über diese Betriebsart Nachrichten in Boxen ablegen kann. Man kann die abfragen, ähnlich wie Mailboxen beim Telefon. Und für mich können dort auch Nachrichten hinterlegt werden. Die Erfahrung bei den letzten Katastrophen hat gezeigt, dass die kommerzielle Kommunikation weitgehend zusammenbricht."

    Die digitale Datenübertragung über Kurzwelle, organisiert durch die Funkamateure, hat dagegen funktioniert. Von den Ausbreitungsbedingungen kann Werner Rinke im Kurzwellenbereich ohne Umsetzer um die ganze Welt funken. Textnachrichten, versandt über "Air-Mail", können beispielsweise auf einem Katastrophengebiet abgeschickt und viele Breitengrade weiter von einem weiteren Funkamateur empfangen, abgespeichert und an Behörden oder Einsatzzentralen weitergeleitet werden. "Notfall-Funkkoffer" steht auf dem Aluminiumkästchen, das Werner Rinke auf der Amateurfunkmesse "Ham Radio" in Friedrichshafen vorführt. Darin ist alles enthalten, was es im Katastrophenfall für sichere Kommunikationswege braucht. Das fängt bereits damit an, dass der Koffer eine große 12-Volt-Batterie enthält, also vom Stromnetz unabhängig betrieben werden kann.

    Herzstück des Koffers ist ein so genannter "Transceiver", also ein kombiniertes Sende- und Empfangsgerät. Sprechfunkverbindungen im Nahbereich sind dabei die leichteste technologische Übung. Sie werden im 2-Meter- oder im 70-Zentimeter-Amateurfunkband abgewickelt - Frequenzen, die normalerweise für kurze Reichweiten genutzt werden. Trotzdem können solche Verbindungen im Katastrophenfall eine nützliche Hilfe sein, um die Einsätze lokaler Hilfskräfte zu organisieren - beispielsweise dann, wenn Handy-Netze und Betriebsfunk der Rettungsorganisationen ausgefallen sind.

    Um Sprachverbindungen auf Kurzwelle zu verstehen, bedarf es dagegen der geübten Ohren der Funkamateure. Hier sind Sprechverbindungen ohne Umsetzer rund um die Welt möglich - und dies autark von jeglichen Netzen, was im Katastrophenfall von unschätzbarem Wert ist. Der Transceiver im Notfall-Funkkoffer kann sowohl auf UKW als auch im wichtigen Kurzwellenband senden und empfangen. Die Verbindungen auf Kurzwelle kommen selbst unter schwierigen Ausbreitungsbedingungen über weite Distanzen hinweg zu Stande. Die Funkamateure benutzen die so genannte "Single-Side-Band"-Modulation. Dabei wird die Hüllkurve eines amplitudenmodulierten Signals, wie es Radiohörer vom Mittelwellenempfang her kennen, vor der Ausstrahlung elektronisch entweder oberhalb oder unterhalb der Mittellinie im Oszilloskop abgeschnitten und beim Empfang wieder hinzugerechnet. Alfred Kleff hat sich beim Deutschen Amateurradioclub ebenfalls auf Kommunikation in Katastrophenfällen spezialisiert.

    "Damit hat man die Möglichkeit, die komplette Energie des Senders nur in ein Seitenband zu stecken und hat damit eine wesentlich höhere Effizienz."

    Will heißen: Mit einem relativ geringen Energieaufwand lassen sich hohe Reichweiten erzielen. Genau das kann im Katastrophenfall überlebenswichtig sein. Darüber hinaus enthält der Notfall-Funkkoffer noch eine ganze Reihe weiterer Features: Mit einem digitalen Wandler, der ein externes Notebook mit dem Sender verbindet, können nicht nur Nachrichten über "Air-Mail" versandt werden. Das System ermöglicht auch Verbindungen mit dem Netzwerk "Paktor" - ein Datennetz, das die Funkamateure zwischen ihren eigenen Stationen aufgebaut haben, das aber auch über Schnittstellen zum regulären Internet verfügt. Werner Rinke:

    "Das heißt: Wenn man eine Station erreicht, die ans Internet angeschlossen ist, könnte sie diese Nachricht ins Internet einspeisen, könnte diese Nachricht übers Internet weiterleiten und irgendwo in einem anderen Land aus dem Internet rausnehmen und auf dem Funkweg weiterleiten."

    Beim schweren Erdbeben auf Haiti waren es Funkamateure, die mit solchen Technologien unmittelbar nach der Katastrophe für eine rasche Kommunikation mit der Außenwelt sorgten. Auch in Deutschland haben sich die Notfall-Technologien der Funkamateure bereits bewährt - beispielsweise im großen Schneechaos in Bayern, als sämtliche Handy-Netze überlastet waren, oder bei heftigen Stürmen in Norddeutschland, die Strommasten zu Fall brachten und damit auch herkömmliche Telefon- und Internetverbindungen lahmlegten.