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Kommunikationsnetz
Lauschangriff auf Pflanzen

Pflanzen sind mit einem weitverzweigten System von Leitbahnen durchzogen. Darüber werden nicht nur Wasser, sondern auch chemische Signale transportiert. Schwedische Forscher arbeiten daran, dieses Kommunikationsnetz der Pflanzen gewissermaßen abhören zu können. Dafür schleusen sie in die Gefäße von Pflanzen chemische Stoffe ein.

Von Lucian Haas |
    Eine Pusteblume (Löwenzahn) steht auf einer grünen Wiese.
    Magnus Berggren hofft, eines Tages die Fotosynthese-Leistung der Pflanzen gewissermaßen anzapfen und daraus Strom gewinnen zu können. (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
    Manche ungewöhnlichen Forschungsarbeiten beginnen mit einer Wunschvorstellung. Magnus Berggren von der Universität Linköping in Schweden erzählt, wie ein befreundeter Biologe ihn über Jahre hinweg immer wieder mit einer Idee in den Ohren lag:
    "Was wäre, wenn wir Sensoren und Steuerelemente innerhalb von Pflanzen verteilen könnten? Dann könnten wir den physiologischen Zustand von Pflanzen messen und möglicherweise auch über die Regulierung von Pflanzenhormonen gezielt beeinflussen."
    Sensoren in lebende Pflanzen zu integrieren würde freilich bedeuten, die Pflanzen auf irgendeine Weise innerlich zu verdrahten. So etwas erscheint auf den ersten Blick kaum möglich. Magnus Bergren hatte jedoch eine Idee. Sein Fachgebiet ist die organische Elektronik. Er erforscht den Aufbau elektrisch leitender organischer Polymere. Und so hatte er zumindest eine Vorstellung, welche Art von Material er dafür benötigen würde.
    "Das Material müsste eine sehr intelligente Eigenschaft besitzen. Es müsste sich erst in der Pflanze verteilen und sich dann durch eine einfache Reaktion spontan zu den gewünschten Strukturen selbst zusammenfügen."
    Elektronisch leitendes Polymer
    Genau ein solches Material hat sein Forschungsteam jetzt gefunden. Ein Chemiker der Gruppe entwickelte ein elektronisch leitendes Polymer namens PEDOT. Es hat die Eigenschaft, sich in wässriger Lösung unter bestimmten chemischen Bedingungen in langen Strängen anzuordnen und Ladungen zu transportieren. Und genau diese chemischen Bedingungen stellen sich in Pflanzen ein, wenn sie molekulare PEDOT-Bausteine in ihre Wassertransportgefäße aufnehmen.
    Bei den ersten Versuchen arbeiteten die Forscher mit abgeschnittenen Pflanzen, deren Schnittflächen sie in wässrige PEDOT-Lösungen stellten. Das Polymer kann aber auch aus dem Bodenwasser über die Wurzeln aufgenommen werden. Magnus Berggren erinnert sich an den Moment, als er die ersten mikroskopischen Aufnahmen solcher elektronischer Leiterbahnen in einem Rosenstängel sah.
    "Wir hatten wunderschöne organische Drähte in der Pflanze, herrliche Elektroden, die bis in die Blätter hinein reichten. Als wir das sahen, wussten wir, dass wir das richtige Material gefunden hatten. Diese Bilder im Mikroskop haben uns im Labor geradezu überwältigt."
    Elektronische Messfühler
    Die leitenden Filamente aus PEDOT bilden sich entlang der Gefäße der Pflanzen – dünn genug, um sie nicht zu verstopfen. Versuche zeigten, dass sie nicht nur Ladungen weitergeben, sondern auch wie Transistoren als elektronische Schalter dienen können. Ändert sich zum Beispiel der Zuckergehalt im Pflanzensaft, wird der Ladungsfluss in den Drähten verstärkt. Mit dieser Technik ließen sich vielleicht eines Tages Pflanzen mit internen elektronischen Messfühlern für den Reifegrad realisieren, so Berggren.
    "Natürlich klingt es sehr weit hergeholt, ganze Felder voll mit elektronischen Pflanzen zu haben. Man könnte sich aber vorstellen, in Gewächshäusern einige Pflanzen mit solchen Sensoren auszurüsten, und sie dann als Stichproben für den gesamten Bestand im Gewächshaus zu nutzen. So könnte man Rückschlüsse ziehen: Etwa ob es an der Zeit ist, die Pflanzen mit bestimmten Nährstoffen zu versorgen."
    Grundlagenforschung nötig
    Noch sind solche praktischen Anwendungen nur eine Idee. Erst einmal ist viel Grundlagenforschung nötig. Magnus Berggren arbeitet bereits daran, neben PEDOT noch weitere pflanzentaugliche Polymere mit anderen nützlichen Eigenschaften zu finden.
    "Wir versuchen die Leistungsfähigkeit der Elektroden zu steigern, die wir in den Blättern aufbauen. Wir wollen, dass sie den Zucker, den die Pflanze produziert, nutzen und die chemische Energie in elektrische Energie umwandeln. Das wäre so etwas wie eine Biobrennstoffzelle, aber innerhalb der Pflanze."
    Magnus Berggren hofft, eines Tages die Fotosynthese-Leistung der Pflanzen gewissermaßen anzapfen und daraus Strom gewinnen zu können. Solche elektronischen Pflanzenkraftwerke wären dann Energiespeicher und Energielieferant zugleich.