Kommunikation der AfD
Provozieren, polarisieren, normalisieren

Mit Umfragerekorden geht die AfD ins Superwahljahr 2024. Der Erfolg der Partei basiert maßgeblich auf ihrer Kommunikationsstrategie. Sie besteht aus vier Bausteinen und bedient sich einer Rhetorik, die auch von anderern rechten Akteuren genutzt wird.

    Die AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla stehen bei einer Pressekonferenz hinter Pulten, dazwischen ist die Silhouette einer Kamera zu sehen
    Die AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla bei einer Pressekonferenz: Die Partei äußert sich verächtlich über die etablierten Medien, braucht sie aber gleichzeitig als Bühne. (imago / Political-Moments)
    Seit Sommer 2023 ist die Alternative für Deutschland (AfD) in Wahlumfragen bundesweit die zweitstärkste Partei, im ARD-Deutschlandtrend liegt sie im Januar 2024 bei 22 Prozent. Experten sehen in der Kommunikationsstrategie der AfD einen der wichtigsten Gründe für den Erfolg der Partei. Wie kommuniziert die AfD? Ein Überblick.

    Inhalt

    Neuartige Kommunikation in der deutschen Politik

    „Faktisch hat die AfD eine neuartige Form der Propaganda in der deutschen Politik etabliert“, schreibt der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje bereits 2017 in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“. Die „Propaganda 4.0“, wie Hillje sie nennt, beruht demnach auf vier Elementen:
    • Delegitimierung der etablierten journalistischen Medien
    • Aufbau und Etablierung eigener parteinaher Medienkanäle
    • Ausbildung einer kollektiven Identität beziehungsweise rechtspopulistischen Parallelgesellschaft
    • extreme Polarisierung im öffentlichen Diskurs
    In allen vier Teilbereichen lassen sich darüber hinaus zentrale Kommunikationsschemata identifizieren, rhetorische Muster, die auch von anderen rechten Akteuren genutzt werden.

    Delegitimierung der etablierten journalistischen Medien

    Das Verhältnis der AfD zum Journalismus ist spätestens seit 2015 ambivalent. Nach Ansicht von Hillje folgt es jedoch einem klaren Kalkül: „Die AfD verteufelt die unabhängigen Medien als ‚Systempresse‘, gleichzeitig braucht sie sie als Bühne für ihre Inszenierungen, Provokationen und Abgrenzungen zum politischen Feind.“ Für letzteres eigenen sich vor allem Formate, in denen AfD-Vertreter ihre Botschaften praktisch ungefiltert verbreiten können: (Live)-Interviews oder Auftritte in Talkshows.
    Bei Medienformaten, in denen die AfD keine unmittelbare Kontrolle über die Inhalte hat, etwa bei Berichten über Parteitage, agiert die Partei restriktiv. Etwa durch den Ausschluss bestimmter Medien und/oder Journalisten. Zugleich beklagen AfD-Vertreter regelmäßig, von den klassischen Medien ausgegrenzt beziehungsweise falsch dargestellt zu werden. Damit einher geht der Versuch, etablierte Medien zu diffamieren, etwa durch Skandalisierung oder die Bezeichnung als „Lügenpresse“. Ein Schlagwort, das bereits die Nationalsozialisten zur Diffamierung unabhängiger Medien nutzten.
    Explizit richtet sich die Kritik der AfD gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Laut einem Konzept der Partei aus dem Jahr 2017 sollen ARD und ZDF aufgelöst und privatisiert werden. Für deren Programme soll dann nur bezahlen müssen, wer sie auch tatsächlich nutzt. Auf dem vom Recherchenetzwerk Correctiv bekannt gemachten Geheimtreffen von Vertretern der Neuen Rechten und der AfD im vergangenen November soll über eine Musterklage gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesprochen worden sein.

    Etablierung parteinaher Medienkanäle

    Um volle Kontrolle über die eigenen Botschaften zu haben und unabhängig von der Berichterstattung etablierter Medien zu sein, hat die AfD inzwischen ein Netzwerk aus eigenen Kanälen in den sozialen Medien aufgebaut: Instagram, Tiktok, Twitter, Youtube, Facebook, Telegram. Sowohl die Partei, Fraktionen, wie auch Abgeordnete selbst wollen in diesen Kanälen direkt und ungefiltert mit Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren. Im Vergleich zu den anderen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, ist die AfD viel besser aufgestellt.
    Bereits bei der vergangenen Bundestagswahl machte die AfD Wahlkampf fast ausschließlich in ihren eigenen digitalen Echoräumen. „Die AfD ist selbst zum Massenmedium geworden in den sozialen Medien“, stellte Hillje schon damals fest. Inzwischen hat die Partei ihre Medienstrategie weiter vorangetrieben. So betreibt die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag etwa einen eigenen Social-Media-Newsroom mit improvisiertem Fernsehstudio.
    391.000 Abonnenten hat der Youtube-Kanal der AfD-Fraktion insgesamt. Zum Vergleich: Die SPD-Fraktion kommt bei Youtube auf weniger als 4000 Abonnenten, die Unionsfraktion auf knapp 5000. Mehr und mehr läuft die direkte Ansprache der AfD an die eigene Anhängerschaft allerdings nicht nur über Youtube, sondern vor allem über TikTok.
    Bei der vor allem unter den 14 bis 19-Jährigen beliebten Video-App hat die AfD-Fraktion auf ebenfalls 391.000 Follower. Zum Vergleich: Die SPD-Fraktion kommt auf gerade mal 112.000 Abonnenten. Der Fokus auf Social Media verändert bei der AfD in Teilen sogar die Art und Weise, wie im Parlament gesprochen wird.
    AfD-Abgeordnete schreiben ihre Reden genau so, dass es auf TikTok verwendet werden kann. Es gehe darum, „knackiges Material für Social Media zu produzieren“, räumte der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, Götz Frömming, ein.
    Für die Rekrutierung neuer Anhänger ist außerdem Instagram ein wichtiges Medium, wie eine Recherche des Netzwerks Correctiv aus dem Jahr 2020 zeigte. So ist etwa die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), auf Instagram aktiv.
    "Dort wird sehr viel mit gut bearbeiteten Fotos gearbeitet von jungen und attraktiven Mitgliedern der JA“, berichtete Arne Steinberg, Reporter bei Correctiv, damals bei Dlf Nova und: „Uns hat ein Vorstandsmitglied der JA Berlin bestätigt, dass der Landesverband mittlerweile so knapp die Hälfte der Neuzugänge eben über Instagram gewinnt.“

    Ausbildung einer kollektiven Identität

    „Wir gegen die“ – dieses von Populisten überall auf der Welt genutzte Schema verwendet auch die AfD. „Das ist die Unterscheidung zwischen uns hier und denen dort. Alles Übrige ergibt sich aus dieser Grundgrenzziehung", erklärt der Literaturwissenschaftler Heinrich Detering. "Wir hier sind die Guten, die Richtigen, die immer schon da waren, die das Recht haben, sich auch aggressiv zu verteidigen. Die anderen sind grundsätzlich Bedrohung.“
    Die Auffüllung dieses Schemas sei erstaunlich variabel. Entscheidend sei nur, dass bei denen, die angesprochen werden, dieses nach außen hin abgeschottete Gruppengefühl erzeugt werde. Im Osten setzte die Partei von Anfang an vor allem auf Ressentiments und Affekte gegen den Westen. Brandenburg und Sachsen stellte sie dabei als das vermeintlich „bessere Deutschland“ dar: ein angeblich unverstelltes Deutschland, in dem Heimat und Patriotismus noch zählen. Die AfD beschwor eine angeblich spezielle ostdeutsche Identität und hatte damit Erfolg.
    Um ein Gemeinschaftsgefühl nach innen zu schaffen, werden die eigene Anhängerschaft und potenzielle Wähler direkt angesprochen – „wir“, „unser“, „uns“ – und immer wieder äußere Feindbilder konstruiert. Die anderen, die Gegner, das sind Migranten, die Medien, die Regierung, demokratischen Parteien und zivilgesellschaftliche Gruppen wie beispielsweise Klimaaktivisten – zusammengefasst: alle, die nicht das Gesellschaftsmodell und die kulturellen Vorstellungen vertreten, wie sie in die AfD vertritt.

    Herstellung einer extremen Polarisierung im öffentlichen Diskurs

    Letztlich zielt die Kommunikationsstrategie der AfD auf eine extreme Polarisierung des öffentlichen Diskurs. Dies gelingt unter anderem durch die konfrontative Gegenüberstellung von „Wir gegen die anderen“. So macht die AfD etwa inzwischen „Klimaschutz zum Kulturkampf, indem sie die Klimapolitik als Bedrohung für den vermeintlich typisch deutschen Lebensstil an die Wand malt“, erläutert Kommunikationsberater Hillje. „Und diesen typisch deutschen Lebensstil, den buchstabiert sie anhand von Schlagworten wie Diesel, Schnitzel, Billigflug und so weiter aus.“
    Dabei bedient sich die AfD zumeist keiner sachlichen Argumente, sondern oft vereinfachender affirmatorischer Behauptungen, falscher Fakten, Falschnachrichten und negativer Schlagworte mit denen provoziert und Emotionen wie Wut und Empörung aktiviert werden sollen: Die anderen Parteien wollen Deutschland zugrunde richten, die „Ökodiktatur“ etablieren, eine „Umvolkung“ herbeiführen, das deutsche Volk abschaffen. Ziel der Kommunikation ist nicht ein diskursiver Austausch, sondern die Delegitimierung des politischen Gegners. Dessen Existenzberechtigung wird in Zweifel gezogen und negiert.
    Die AfD habe eine Botschaft, unter die sie alles packen könne, sagt der Autor und Medienberater Martin Fuchs: „Und die ist, die Welt ist im Wandel, die Welt ist verrückt geworden, alles verändert sich sehr schnell. Aber Du bist okay, Du musst Dich nicht ändern. Und schuld sind immer die anderen“, sagt Fuchs. „Und darunter können sie eigentlich die großen Themen unserer Gesellschaft packen. Ob das die Klimakrise ist, die wirtschaftliche Situation in Deutschland und dann natürlich auch diese ganzen Kulturkampfthemen, in denen die AfD sehr stark anschlussfähig ist.“
    Bei allen Großkrisen der vergangenen Jahre –Corona, Inflation, steigende Energiepreise, Ukrainekrieg – zielte die Kommunikation der AfD darauf ab, die Verunsicherung in der Bevölkerung weiter zu schüren und in Wut und Ablehnung des demokratischen Systems und dessen Repräsentanten zu verwandeln. Es ist eine Strategie, die einer der Vordenker der Neuen Rechten, der Publizist Götz Kubitschek vom neurechten Institut für Staatspolitik, vor Jahren einmal so formuliert hat: Er spekuliere darauf, dass sich die Spaltung der Gesellschaft vertiefe, um Raum für die eigenen radikalen Ideen zu schaffen.

    Zentrale Kommunikationsschemata - Muster rechter Rhetorik

    Kalkulierte Provokation

    Eines der wichtigsten Kommunikationsschemata der AfD – wie auch anderer populistischer Parteien und Akteure – ist die kalkulierte Provokation. Durch immer neue Empörungswellen versucht die Partei mediale Aufmerksamkeit zu gewinnen und damit letztlich kostenlose Werbung. Das heißt, es werden gezielt Botschaften verbreitet, von denen man sich erhofft, dass sie zu heftigen Reaktionen im öffentlichen Diskurs führen – und diesen damit zugleich extrem polarisieren.

    Sprachlicher Tabubruch

    Provoziert wird häufig durch sprachliche Tabubrüche, bei denen bewusst historisch belastete Begriffe verwendet werden, insbesondere aus dem nationalsozialistischen Kontext. „Es gibt eine bestimmte Klientel, die man damit erreichen kann. Insofern gibt es immer wieder diesen Versuch, Begriffe einzuführen oder umzudeuten, zu reaktivieren, die auch im Nationalsozialismus eine Rolle gespielt haben, und das ist in der AfD dann schon wirklich eine zentrale Linie, die man dort verfolgt“, stellte Rhetorikprofessor Olaf Kramer bereits 2018 fest.
    Dabei gehe es darum, die Grenzen des Sagbaren auszudehnen, bestimmte Begriffe neu zu etablieren, Sichtweisen damit zu verschieben und letztlich den politischen Diskurs zu verändern.

    Täter-Opfer-Umkehr

    Die kalkulierte Provokation ist eng verknüpft mit einem weiteren eingeübten Muster rechter Rhetorik: der Täter-Opfer-Umkehr bzw. dem Versuch einer Skandal-Umkehr. Eines der jüngsten Beispiele ist die Reaktion der Partei auf die Enthüllungen des Recherchenetzwerks Corrrectiv über ein Treffen von Parteimitgliedern mit dem rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner im November in Potsdam.
    Fraktions- und Parteispitze grenzten sich nicht von dem Extremisten Sellner ab, sondern gingen zum Gegenangriff über – mit Medienschelte von oberster Stelle. Co-Parteichefin Alice Weidel nannt es einen "Skandal, wenn solche Machenschaften für eine Kampagne instrumentalisiert werden, die das Ziel verfolgt, privaten Meinungsaustausch zu kriminalisieren und unter Gesinnungskontrolle zu stellen."
    Das Zusammenspiel von Provokation und versuchter Skandal-Umkehr nennt der Jurist und Journalist Maximilian Steinbeis das „rechte Sprachspiel“. Man erkenne es daran, "dass eine Behauptung gemacht wird, die einen bestimmten Effekt provozieren soll, und wenn man sich auf diese Provokation einlässt, dann wird diese Reaktion als Angriff gewertet, der dann wiederum die Behauptung rechtfertigt. Und die Behauptung ist, ich werde hier zum Opfer gemacht einer Aggression, und anstatt zu fragen, was für eine Aggression, regt man sich dann auf über diese Behauptung. Und dann sagt er, siehst du, hier ist die Aggression, und zack, ist diese Behauptung gerechtfertigt."
    Der Opfermythos sei zentral für die Rhetorik der Rechten. Für ein Verständnis rechter Kommunikationsstrategie sei dies wichtiger als die politischen Inhalte, heißt es in dem Buch von Maximilian Steinbeis, Per Leo, Daniel-Pascal Zorn: „Mit Rechten reden. Ein Leitfaden“:

    Sie spucken und fauchen von ihrem selbstgewählten Kreuz auf uns hinab – und hoffen, dass wir zurückfauchen. Und wenn wir es tun, dann klagen und jammern und schimpfen sie so lange über diese entsetzliche Schandtat gegen ein wehrloses Opfer, bis einige Zuschauer tatsächlich Mitleid mit ihnen kriegen. So mobilisieren sie ihren Anhang. Nicht durch Programme, sondern durch Provokationen. Und Gejammer.

    Maximilian Steinbeis, Per Leo, Daniel-Pascal Zorn: „Mit Rechten reden. Ein Leitfaden“ 2017

    De- und Rekontextualisierung

    Ein weiteres rhetorisches Muster ist die De- und Rekontextualisierung von bestimmten Themen wie etwa Migration, Klimaschutz oder Energiesicherheit. Dazu werden diese aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgenommen und durch die Verknüpfung mit anderen politischen, sozialen oder kulturellen Themen neu verortet.
    Ein Beispiel: „Es wird ein Zeitungsartikel zum Thema Flüchtlinge gepostet – mit dem Kommentar, man müsse sich jetzt mehr um die Arbeitslosen in Deutschland kümmern. Diese Verknüpfung greifen die Nutzer in ihren Kommentaren auf. Es entstehen Diskursstränge, es kommen weitere Themen dazu, und am Ende verselbständigt sich das“, erläutert Katrin Herms, die Kommunikationsstrukturen von Rechtspopulisten untersucht hat. Am Ende werden so Feindbilder gefestigt – Flüchtlinge, die Regierung, die Globalisierung – und die kollektive Identität der eigenen Gruppe gestärkt.

    Selbstverharmlosung

    Eine weitere rhetorische Strategie der AfD ist die Selbstverharmlosung. „Deutschland. Aber normal“ lautete beispielsweise ein Slogan der AfD bei der vergangenen Bundestagswahl. Der Begriff „normal“ solle das radikale Programm kaschieren, schreibt der Autor Michael Kraske in seinem Buch „Tatworte. Denn AfD & Co. meinen, was sie sagen“. Zudem werden mit diesem Bild die Behauptung der AfD wiederholt, alle anderen Parteien richteten das Land zugrunde.
    Gerade durch die Besetzung des Normalitätsbegriffs, versuche die AfD, Wählerstimmen in der gesellschaftlichen Mitte zu gewinnen, sagt Kommunikationsberater Hillje. Weil sie wisse, dass sie den rechten Rand mittlerweile ausmobilisiert hat.

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