Die North Point Community Church, eine evangelikale Megakirche in einem Vorort von Atlanta. Viermal im Jahr findet hier die Night of Worship statt, ein Abend des Gebets mit Gesang und Abendmahl. Das ist eine spirituelle Feier, in der es keine Predigt gebe, sagt Allison Entrekin, Gemeindemitglied seit 15 Jahren. Meist kommt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern, manchmal bringt sie auch Freunde mit.
Die meisten Amerikaner – egal ob Protestanten oder Katholiken – sprechen von communion, also Kommunion, wenn "Leib und Blut Christi" gereicht werden – traditionell Brot und Wein. Doch diese "communion" gestaltet sich in amerikanischen Kirchen sehr vielfältig. Wie oft und in welcher Form Gemeinden das Abendmahl feiern, könne stark variieren, sagt Khalia Williams, Theologin an der Emory-Universität in Atlanta und ordinierte Pfarrerin.
Glutenfreie Hostien
Fast alle Glaubensgemeinschaften praktizierten die Eucharistiefeier oder das Abendmahl in der ein oder anderen Weise, sagt Williams. Die einen regelmäßig und liturgisch streng, wie die Katholiken. Andere, wie einige Baptistenkirchen, laden dagegen nur einmal im Jahr zum Abendmahl.
Auch passen sich Kirchen in den USA meist schnell und flexibel aktuellen Ernährungstrends an. Hier sind Oblaten nicht nur in der klassischen Rezeptur aus Wasser und Weizenmehl zu haben, sondern auch in den Varianten Vollkorn und Gluten-frei. In der Kapelle der Emory-Universität zum Beispiel.
"Wir backen unser Brot 100-Prozent glutenfrei, weil wir wollen, dass die gesamte Gemeinde, jedes einzelne Mitglied, vom dem gleichen Brot bekommt. Das ist eine Geste der Gastfreundschaft an unsere Brüder und Schwestern, die gluten-intolerant sind", erklärt Williams.
Auch beim Abendmahlswein, der in vielen protestantischen Gemeinden an die Gläubigen ausgeschenkt wird, ist Sensibilität gefordert. Man könne einem trockenen Alkoholiker schließlich keinen Wein anbieten, sagt Williams. Dasselbe gilt für Schwangere und Kinder. Im Zuge der Abstinenzbewegung führten viele amerikanische Kirchen bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine Alternative ein: Traubensaft.
Außerdem muss die Darreichungsform wohl überlegt sein. Traditionell trinken die Gläubigen aus demselben Kelch, der nach jedem Schluck mit einem Tuch gereinigt wird. Doch Einzelkelche gewinnen immer mehr Anhänger.
Abendmahl für 40.000 Menschen
Hygiene sei ein riesiges Thema, sagt Williams. Die Furcht vor Keimen ist unter Amerikanern besonders verbreitet. Deshalb benutzen viele Kirchengemeinden mittlerweile Einweg-Medikamentenbecher statt Kelche aus Edelstahl.
Und dann sind da noch die logistischen Herausforderungen für ein Abendmahl in einer Megakirche. Anselm Schubert ist Kirchenhistoriker an der Universität Erlangen-Nürnberg und Autor des Buches "Gott essen".
"Wie man 40.000 Menschen innerhalb eines Gottesdienstes das Abendmahl spendet, da muss man sich schon etwas einfallen lassen. Und da kam ein Pastor aus Oregon auf die Idee, ein vorfabriziertes "Communion Set" bereitzustellen."
Das handliche Set besteht aus einem kleinen Plastikbecher, der aussieht wie ein Kaffeesahne-Döschen und mit rotem oder weißem Traubensaft gefüllt ist. Eingeschweißt im Deckel ist eine winzige Oblate.
Das sakrale Kombi-Set ist im Internet zu bestellen. Verschiedene Anbieter konkurrieren um die größte Geschmacksvielfalt und die erbaulichsten Bibelsprüche auf den Dosendeckeln. Wer einen 500er-Pack kauft, bekommt Leib und Blut des Herrn bereits für 16 Cent pro Satz.
"Einfach sehr praktisch"
Zum Einsatz kommen die Kommunionssets beim Abendmahl in vielen amerikanischen Megakirchen. Gemeinde-Mitarbeiter reichen Kisten oder Körbe mit den "Communion Cups" durch die Bankreihen.
"Und das Abendmahl besteht dann darin, dass Sie das Set aufreißen, erst die Hostie essen und dann das kleine Döschen austrinken. Das ist natürlich aus einer alteuropäischen Perspektive schwierig. Aber es ist sehr erfolgreich, weil es einfach sehr, sehr praktisch ist", erklärt Schubert.
Nicht alle großen Kirchengemeinden in den USA benutzten die Kommunionssets, betont Theologin Khalia Williams:
"In Kirchen und Glaubensgemeinschaften mit strengen liturgischen Strukturen gibt es kaum Abweichungen von der Tradition. In der katholischen Kirche zum Beispiel. In deren Verständnis werden Brot und Wein in der Wandlung zu Leib und Blut Christi. Es ist undenkbar, diese Elemente eingeschweißt in Plastik über Amazon zu verschicken."
"In Praxis und Ritual liegt das Heilige"
Doch am anderen Ende des liturgischen Spektrums - bei vielen protestantischen Denominationen und einigen Freikirchen - liege das Heilige eben nicht in den Elementen selbst, sagt Williams:
"Dann macht es nichts, wenn Brot und Wein oder Traubensaft in einem Paket geschickt werden, wenn sie in Plastikdöschen und Plastikfolie verpackt sind. Weil nur im Symbol, in der Praxis und im Ritual des gemeinschaftlichen Mahls das Heilige liegt."
Kirchenhistoriker Schubert ist davon überzeugt, dass das keimfreie Abendmahl irgendwann auch in Europa ankommen wird:
"Die langfristigen Trends in der Entwicklung des Abendmahls kamen meistens tatsächlich aus Amerika, sowohl die Vorstellung vom alkoholfreien Wein als auch die Frage nach dem Einzelkelch."
Ist das die Schreckensvision eines sterilen, industriell-effizienten und entpersonalisierten Christentums - oder einfach nur Gewöhnungssache? Für die evangelikale Christin Allison Entrekin ist das Abendmahl in ihrer Mega-Kirche jedenfalls ein spirituelles Erlebnis, trotz Einwegbecher mit Traubensaft.
Sie empfinde das Abendmahl als heilig und meditativ, aber nicht als steif oder zeremoniell. Sie fühle sich als Teil eines über 2000 Jahre alten Rituals, das sie mit den Wurzeln ihres Glaubens verbinde. Und obwohl es in einer modernen Kirche stattfinde, sagt sie, mit riesigen Bildschirmen und Pop-Musik, teile sie doch etwas sehr Altes mit tausenden Fremden.