Christiane Florin: In der Union war es der Masterplan Migration, der einen lange schwelenden Konflikt in einen offenen Streit verwandelte. In der katholischen Deutschen Bischofskonferenz besorgte ein Papier mit einem versöhnlich klingenden Namen eine solche Wandlung, eine Handreichung. Mit dieser Handreichung wollte die Mehrheit der deutschen Bischöfe evangelisch-katholischen Ehepaaren ermöglichen, gemeinsam die Kommunion zu empfangen. Eine Minderheit war mit der Handreichung nicht einverstanden und wandte sich nach Rom.
Von der Zentrale kamen unterschiedliche Signale: erst die Ermutigung, eine einmütige Entscheidung für Deutschland zu finden, dann wurde die Handreichung für unzulänglich befunden, schließlich erklärte der Papst in einem kurzen, aber komplexen Flugzeuginterview, dass der Eindruck, er habe die deutschen Bischöfe ausgebremst, falsch sei. Vorige Woche wurde die Handreichung als Orientierungshilfe auf der Seite der Bischofskonferenz veröffentlicht. Man kann die 39 Seiten und auch den Schriftverkehr zwischen Rom und Deutschland herunterladen.
In Tag für Tag haben wir über das Hin- und Her mehrfach berichtet, was aber nun tatsächlich Sache ist und wessen Position sich durchgesetzt hat, ist nicht so leicht zu durchschauen. Den Durchblick müsste der Bischof von Magdeburg, Gerhard Feige, haben. Er ist einer der Verfasser des Papiers, in der Bischofskonferenz für Ökumene zuständig und durch deutliche bis zornige Worte angenehm aufgefallen. Guten Morgen, Herr Bischof Feige.
Gerhard Feige: Guten Morgen.
Florin: Aus der Handreichung wurde eine Orientierungshilfe. Wer braucht da Orientierung – die Basis oder die Bischöfe?
Feige: Die Orientierungshilfe richtet sich zunächst an die Seelsorger, alle, die in der Pastoral tätig sind, und soll eine Hilfestellung sein, konfessionsverschiedene Ehepaare auf ihrem Weg zu begleiten und zu ihren individuellen Lösungen zu führen.
Florin: Ich habe kurz vor der Sendung mit unserem Techniker gesprochen, und der sagte mir: Nun fragen Sie den Bischof doch mal, was da eigentlich drinsteht. Das ist ja auch die Frage, die viele beschäftigt – also: Was wird jetzt mit dieser Orientierungshilfe möglich? Wer darf was?
Feige: Es ist keine generelle Zulassung oder Einladung zum Kommunionempfang. Es ist auch kein Lehrtext. Und wir sagen auch nicht, dass alle konfessionsverschiedenen oder -verbindenden Ehepaare in einer schweren geistlichen Notlage sind oder ein schwerwiegendes geistliches Bedürfnis haben, sondern wir eröffnen einen individuellen Weg, der letztlich mit einer Gewissensentscheidung enden kann oder einen neuen Weg eröffnen kann. Es ist also eine individuelle Lösung – und für die Seelsorger ist es eine Hilfe, Menschen zu begleiten und gewissermaßen Gewissen zu bilden.
"Der Einzelne darf selbst entscheiden"
Florin: Es wird sehr stark in dieser Orientierungshilfe auf das seelsorgerische Gespräch abgehoben, auf den Prozess. Heißt das, der Priester entscheidet, der Seelsorger entscheidet? Oder entscheidet zum Schluss derjenige, der die Kommunion empfängt?
Feige: In unserer Orientierungshilfe ist es so gedacht, dass nicht der Priester letztendlich entscheidet, sondern er ist dazu da, um Hilfestellung zu leisten bei einer Gewissensentscheidung. Das Ehepaar, beziehungsweise der Einzelne, darf dann selbst entscheiden.
Florin: Und das ist einmütig beschlossen worden?
Feige: Von 47 Bischöfen unter 60 ist das so beschlossen worden.
Florin: Und von denen über 60?
Feige: Bei der Frühjahrsvollversammlung, wo es darum ging, waren 60 anwesend.
Florin: Hmhm, okay – ich dachte, das sei eine Altersangabe gewesen (lacht). Das war ein bisschen missverständlich ausgedrückt.
"Wir wollten das aus der Grauzone herausholen"
Feige: (lacht) Nein, unter den 60 Anwesenden, so habe ich das gemeint.
Florin: Es klang wie eine Altersangabe, deshalb musste ich da nochmal nachfragen.
Feige: Nein, nein, auch die Älteren waren dafür.
Florin: Es ist oft in der katholischen Kirche eher so, dass die Konzilsgeneration etwas liberaler die Sache angeht.
Feige: Das habe ich in diesen Tagen aber auch gespürt bei den vielen Zuschriften, die ich bekommen habe, dass es auch bewegend ältere Leute waren, die entweder enttäuscht oder sehr bewegt mir geschrieben haben.
Florin: Nun ist es – und das wird in dem Papier auch so formuliert und spielte in der Debatte eine große Rolle – in Gemeinden üblich, dass Protestantinnen und Protestanten, aber auch wiederverheiratete Geschiedene die Kommunion empfangen. Und zwar nicht nur, wenn man da heimlich hingeht, sondern auch, wenn der Priester das weiß. Warum ist es eigentlich so schwierig, etwas, das in der Praxis üblich ist, schriftlich zu fassen?
Feige: Das habe ich mich auch gefragt, denn auch von den Kritikern war ja zu hören, dass das eigentlich in der Praxis so läuft und die Priester auch wissen, damit umzugehen. Aus Ost-Perspektive hatte ich nicht so den Eindruck, dass das bei uns schon so verbreitet ist. Und wir wollten das Ganze eben aus der Grauzone herausholen – wir wissen darum, und das steht auch in der Orientierungshilfe, dass ein Teil dieser Ehepaare der katholischen Kirche bereits den Rücken gekehrt hat, ein Teil ihre Lösung gefunden hat und das praktiziert, aber, das habe ich in diesen Tagen auch verstärkt gespürt, doch viele noch darunter leiden, es entweder mit einem schlechten Gewissen tun oder aber sich noch zurückgehalten haben und darauf gewartet haben, dass endlich einmal ein gutes Wort der Bischöfe kommt.
"Wir haben auf den Weg von Papst Franziskus gesetzt"
Florin: Das heißt: Es gilt das, was ausdrücklich erlaubt ist?
Feige: Für wen?
Florin: Für die Gläubigen, mit denen Sie gesprochen haben. Die warten darauf, dass etwas ausdrücklich erlaubt wird. Man kann nicht einfach etwas machen, es muss irgendwo schriftlich erlaubt werden.
Feige: Na ja, ob das muss, das ist die Frage. Aber es war doch die Sehnsucht, ein offizielles Wort auch zu hören, dass sie auf einem guten Weg sind.
Florin: Als Zeichen der Wertschätzung auch?
Feige: Ja.
Florin: War Ihnen klar, ich habe Sie vorhin auch als Mitautor dieses Papiers vorgestellt, dass in dieser Frage die Auseinandersetzung so eskaliert?
Feige: Nein, das hatte ich nicht erwartet. Und zwar, es gibt ja genügend Grundlagen schon durch das Zweite Vatikanische Konzil, durch das Kirchenrecht, das auch eröffnet, dass einzelne Bischöfe oder Bischofskonferenzen zum Beispiel eben deuten können, was – außer Todesgefahr – eine andere schwere Notlage ist. Also das war ja schon längst eröffnet, das ist nichts Neues. Das sollte jetzt nur konkretisiert werden. Und wir haben auch auf den Weg von Papst Franziskus gesetzt, der ja gerade so den geistlichen Weg und die individuelle Entscheidung in den Vordergrund gerückt hat. Das haben wir aufgegriffen. Und ich kann mich noch erinnern, wir haben auch ein gemeinsames Wort zu Ehe und Familie verabschiedet, wo auch eine gewisse Öffnung für einzelne wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion ja möglich geworden ist. Und da hat sich ein solcher Widerstand nicht erhoben. Darum war ich schon verwundert, dass das jetzt in dieser Weise eingetreten ist.
"Ich sehe die Kirche nicht an einem Abgrund"
Florin: Unser Funkhaus ist nicht so weit vom Kölner Dom entfernt, der Dom ist hier in Sichtweite. Und dort hat ja der Erzbischof von Köln an Fronleichnam gesagt, das sei eine Frage von Leben und Tod. Ist es jetzt keine Frage von Leben und Tod mehr?
Feige: Er hat das noch interpretiert beim letzten ständigen Rat. Er meint nicht unbedingt für die Kirche, sondern es geht um das Allerheiligste, es geht um die Kommunion, es geht um Tod und Auferstehung Jesu Christi. Das hat er damit verbunden. Ich sehe die Kirche nicht an einem Abgrund aufgrund dieser Entscheidung, sondern ich meine, wir sind doch auf einem guten Weg.
Florin: Sie haben mehrfach betont: Das ist kein Automatismus, das ist jetzt keine generelle Entscheidung, dass alle protestantischen Ehepartner – oder alle Protestanten – die Kommunion empfangen können. Aber nehmen wir jetzt mal an – was wäre denn, wenn? Was passiert, wenn sozusagen die "Falschen" kommunizieren gehen?
Feige: In großen Kirchen ist das ja überhaupt nicht überschaubar. Und ansonsten gilt die Regel, und das haben die Kritiker dieser Handreichung auch mehrfach betont, dass keiner von der Kommunionbank zurückgewiesen werden darf. Das hat auch der Papst immer wieder gesagt: Die Kommunionbank ist keine Richtstätte, wo man jetzt also Urteile fällt, sondern ist ein Ort der Gnade.
"Kein Kommuniontourismus"
Florin: Der Papst spielt eine interessante Rolle, eine etwas undurchschaubare Rolle. Haben Sie ihn verstanden?
Feige: Es ist nicht so ganz einfach. Ja, jetzt inzwischen ahne ich, in welchen Konflikten der auch ist, was da für Reaktionen in Rom auch eingegangen sind. Und er muss sich natürlich um die Einheit der Kirche insgesamt sorgen. Und das ist wirklich nicht einfach. Und ich würde auch mal sagen, nicht alles dringt im einzelnen immer bis auf den Schreibtisch des Papstes vor – er hat so viele Probleme in aller Welt. Und von daher war es schon wichtig, dass er sich diese Sache wohl doch dann zu seiner persönlichen Angelegenheit gemacht hat, und diesen Weg gewiesen hat, der eigentlich so seiner Art auch entspricht. Er hat ja auch in der lutherischen Kirche in Rom vor einigen Jahren einmal gesagt: Generell kann ich da keine Lösung bringen oder etwas sagen, aber im Einzelfall, sprecht mit dem Herrn und geht weiter. Und das ist sein jesuitischer Weg, den er geht, individuell im Gewissen zu entscheiden, und das Ganze aber eben geistlich einzubetten.
Florin: Wenn ich mir jetzt mal die Homepages der deutschen Bistümer anschaue, da gibt es einige, da kann man diese Handreichung, diese Orientierungshilfe lesen und auch herunterladen – und auf anderen nicht. Jetzt kann man sagen, ja, das ist eben individuell, das ist Freiheit, aber es sieht nun doch etwas nach Flickenteppich aus. Beschönigt man da nicht mit diesem Wort "individuell" einen Zustand, der eigentlich sehr schwierig ist? Manche sprechen ja auch von einer Art Kommunion-Tourismus, jetzt einsetzt.
Feige: Ach, das sehe ich nicht so. Einmal ist die Orientierungshilfe ja auch bei der Deutschen Bischofskonferenz eingestellt worden, sie ist also damit in Deutschland und darüber hinaus abrufbar, das ist das Eine. Zum Anderen aber dieses Individuelle: Sicherlich, wenn die Bistümer unterschiedlich entscheiden, das ist keine sehr glückliche Lösung, vor allem wenn man sich vorstellt, beispielsweise Frankfurt am Main, da teilen drei Bistümer sich diese Stadt. Ich glaube aber nicht, dass da jetzt ein Tourismus entsteht, sondern es ist wichtig, dass Menschen ermutigt werden, in dem Gebiet... Und ich meine, es gibt ja auch sehr unterschiedliche Situationen: Gerade in meinem Bistum fordert das uns enorm heraus, bei der kleinen Zahl von Christen und bei der relativ großen Zahl von konfessionsverschiedenen Ehen. Und da ist es wichtig, dass in einer solchen Region wie bei uns ein solches positives Signal auch gesetzt wird.
"Schreiben an die Pfarrer meines Bistums ist in Arbeit"
Florin: Sie haben es schon angesprochen: Es sind in Ihrer Region gut drei Prozent der Einwohner katholisch, etwas mehr sind evangelisch – aber die große Mehrheit gehört keiner Kirche an. Wie erklären Sie denn dieser Mehrheit, worüber da überhaupt gestritten wurde?
Feige: Da ist natürlich schon einmal festzuhalten, dass ein großer Teil der Bevölkerung sich dafür wenig interessiert, sondern eher Schlagzeilen liest, also "Bischof gegen Papst" beispielsweise, so wurde hier tituliert. So verstehe ich mich selbst gar nicht. Mit denen, mit denen ich ins Gespräch komme, da versuche ich, das zu erklären, zu differenzieren. Und vielleicht bekommen sie dann auch eine Ahnung. Aber in unserer Region ist das insgesamt kein großes Thema, bewegt aber die Christen schon. Also in den evangelischen Kirchenzeitungen und auch in unserer ist das in den letzten Wochen ein wichtiges Thema gewesen.
Florin: Bewegt es die Christen nicht auch deshalb, weil es eigentlich gar nicht alleine um die Frage der Kommunion, oder auch noch nicht mal speziell um die Ökumene geht, sondern eher viel grundsätzlicher um die Frage, wie reformbereit die katholische Kirche ist?
Feige: Ja, nach dem Jahr 2017 ist das natürlich auch eine enorme Herausforderung. Wir haben diese Orientierungshilfe jetzt nicht als Frucht von 2017 bezeichnet, aber dieses Jahr stand im Hintergrund. Und nach all den positiven Entwicklungen, dem Versöhnungsprozess, den guten Erklärungen, die auch ernst gemeint waren, wäre das eben ein kleiner Schritt gewesen, jetzt mal konkret auch voranzukommen, ein Zeichen zu setzen. Und von daher bin ich dankbar, dass wir diesen Text jetzt veröffentlichen konnten, und ich habe bereits ein Schreiben an die Pfarrer und die anderen in der Seelsorge Tätigen in Vorbereitung, das also erklärt und darauf hinweist, dass diese Orientierungshilfe bei uns im Bistum Magdeburg jetzt auch zu beachten ist.
Florin: Und Sie haben ja zwischenzeitlich mal sehr zornige Worte gefunden für die Kritiker dieser Handreichung: Da war von Doppelmoral zum Beispiel die Rede. Und das ist jetzt alles weg? Dieser ganze Zorn ist bei Ihnen verflogen?
Feige: So zornig war ich gar nicht, oder so wütend...
"Ich liebe klare Worte"
Florin: ...Das las sich aber so.
Feige: Es klang vielleicht so – ich liebe nur klare Worte.
Florin: Und das ist jetzt weg?
Feige: Und ich habe mir die Mühe gemacht... Nein, die klaren Worte bleiben – ich stehe zu dem, was ich gesagt habe. Und das war wohlüberlegt und auch differenziert. Das waren nicht pauschale Dinge. Und ich kann mir auch vorstellen, dass es in der Bischofskonferenz doch wieder positiv und konstruktiv weitergehen kann.
Florin: Sie sagten vorhin, die Schlagzeile "Papst gegen Bischof" oder "Bischof gegen Papst", die habe so die Allgemeinheit interessiert, also diejenigen, die nicht so sehr sich mit den katholischen Interna auskennen. War denn diese Schlagzeile falsch?
Feige: Doch, die war falsch: Ich habe nicht den Papst angegriffen, ich habe nur meine Verwunderung und mein Unverständnis über all die Vorgänge, die für mich nicht mehr durchschaubar waren, zum Ausdruck gebracht. Ich selber war ja am 3. Mai in Rom bei diesem Gespräch in der Glaubenskongregation mit dabei und weiß, dass das Kommuniqué endet damit, dass wir auf deutscher Ebene eine einmütige Lösung suchen sollten - also kein Thema der Weltkirche. Und auf einmal zieht Rom das doch wieder an sich – das habe ich nicht verstanden. Und das laste ich auch nicht allein dem Papst an, sondern da sind verschiedene Kräfte am Wirken, die das also mit erreicht haben.
"Alles in Ordnung - so sehe ich Kirche nicht"
Florin: Verschiedene Kräfte – und möglicherweise auch verschiedene Mentalitäten. Es fällt auf, dass es Bischöfe gibt, die mit der Freiheit – oder der Unentschiedenheit – des Papstes ganz gut umgehen können, und andere, die sich immer nach Rom wenden, entweder an den Papst oder an die Glaubenskongregation, um von dort eine definitive Klärung zu bekommen.
Feige: Ganz tief habe ich unsere Auseinandersetzung in der Bischofskonferenz nicht verstanden. Einzelne Argumente zählen da wenig, sondern ich glaube tatsächlich, dass es unterschiedliche Denkweisen, vielleicht auch unterschiedliche Kirchenbilder sind, die da mit eine Rolle spielen. Und dazu gehört eben auch, Kirche vielleicht noch als societas perfecta zu sehen, als ein geschlossenes System, wo alles geregelt ist und alles in Ordnung sein muss. So sehe ich Kirche nicht. Schon von Jugendzeit an war für mich Kirche eine große Hoffnungsgemeinschaft, ein Ort der Freiheit, wo es um die Menschenwürde ging – wo natürlich etwas geregelt werden muss, wie in jeder Gemeinschaft, aber wo eben es auch vor allem auf den persönlichen Glauben und auch die persönliche Entscheidung des Einzelnen ankommt.
Florin: Sie haben geschrieben – Zitat - : "Aufgrund meiner DDR-Erfahrungen weiß ich, was eine Ideologie ist, die alles ordnen und regeln will und dabei jedes Abweichlertum unterdrücken und aus der Gemeinschaft ausschließen muss." - Zitat Ende. Daraufhin hat Sie das Portal kath.net als "DDR-Bischof" apostrophiert. Wie gehen Sie mit solchen Anwürfen von rechtskatholischer Seite um?
Feige: Nun, ich schaue selten auf kath.net, ich ...
Florin: … Das sagen ja alle Bischöfe, aber sie reagieren ja dann auch doch darauf, schon indem Sie bestimmte Dinge ja nicht mehr sagen.
"Ich fand es kurios, mich als DDR-Bischof zu diffamieren"
Feige: Ich werde das weiterhin sagen, was ich für richtig halte. Ich fand es aber schon kurios, mich als "DDR-Bischof" gewissermaßen zu diffamieren. Ich weiß, was diese Zeit bedeutet, und was es bedeutete, seinen Glauben in dieser Zeit zu leben und zur Kirche zu halten. Und wir haben eben Erfahrungen gemacht, die uns sensibel werden lassen für alles ideologische Gehabe. Und wenn ich, leider, das bei einigen in der Kirche wieder spüre, dann werde ich an diese Zeit erinnert, und dann kann ich meine Erfahrung doch durchaus einbringen.
Florin: Aber es fällt auf, – das gilt nicht nur für die katholische Kirche -, dass es eine Sehnsucht nach klarer Ordnung, nach Regeln gibt. Das sieht man ja auch in der Politik. Haben Sie Verständnis dafür, dass Menschen sagen: "Ja, aber das ist doch die katholische Identität, das ist doch der Markenkern, dass nur Katholiken die Hostie empfangen dürfen."?
Feige: Katholisch empfinde ich als weiter als nur das katholische, konfessionalistische Verständnis des 19. Jahrhunderts. Und aus dieser Perspektive heraus plädiere ich durchaus dafür, dass wir Regeln haben müssen. Und einige Bischöfe sagten auch, es wäre eben gut, wenn wir mit einer solchen Orientierungshilfe auch Wegweiser geben können, etwas ordnen können in unseren Verhältnissen und nicht alles völlig frei der Willkür überlassen. Das halte ich schon für wichtig. Aber entscheidend ist eben auch, oder vor allem, dass der Einzelne auch persönlich dazu steht und seinen Weg auch gehen kann und muss. Und Papst Franziskus plädiert ja auch immer wieder dafür, nicht so generelle Verurteilungen zu fällen, sondern eben die einzelne Biografie zu sehen, den einzelnen Menschen.
Florin: Auf dem Weg – was ist da der nächste Schritt?
Feige: Der nächste Schritt? Ich hoffe, dass unsere Seelsorger jetzt gut mit dieser Orientierungshilfe umgehen können, und dass auch viele der konfessionsverschiedenen, -verbindenden Ehepaare wieder auch mehr Freude an ihrem Glauben und auch Freude an der Kirche finden.
"Vernünftige Umgangsformen finden"
Florin: Gehen Sie denn davon aus, dass alle Bistümer diese Orientierungshilfe anwenden?
Feige: Das kann ich so nicht sagen.
Florin: Warum nicht?
Feige: Weil jeder Bischof seine Entscheidung einzeln treffen kann. Aber ich gehe davon aus, weil das auch die Kritiker wiederholt gesagt haben, dass in ihren Diözesen das durch verschiedene Priester mindestens schon praktiziert wird.
Florin: Würden Sie eigentlich das große Wort "Versöhnung" verwenden für das, was da unter den Bischöfen passiert ist?
Feige: Es muss manchmal auch einen Streit geben. Das waren wir in der Vergangenheit nicht gewohnt, so eine Auseinandersetzung, um den richtigen Weg zu finden. Und wenn wir auch wieder vernünftige Umgangsformen finden, die haben wir eigentlich gehabt, das hat sich auch bei den Gesprächen gezeigt, dass wir unsere unterschiedlichen Positionen auch sehr sachlich, auch emotional, aber nicht verletzend, vortragen konnten.
Florin: Na, das haben aber manche anders wahrgenommen. Würden Sie alles in allem sagen, es war den Streit wert?
Feige: Ich hätte den lieber nicht gehabt, sondern einen harmonischeren Weg.
Florin: Abschlussfrage: Wie ist Ihre Prognose für die C-Parteien? Die haben ja offenbar jetzt auch einen Kompromiss gefunden nach langem Streit. Wie lange wird es da streitfrei bleiben?
Feige: Oh, das kann ich schwer beurteilen.
Florin: Können die sich an den Bischöfen ein Beispiel nehmen?
Feige: Ja, vielleicht.
Florin: Inwiefern?
Feige: Ja, dass sie dann doch einen gewissen Durchbruch schaffen und auf ihrem Weg weitergehen. Wir sagen ja auch, dass wir weiter an diesem Thema arbeiten wollen, Rom hat erklärt, dass es auch daran weiterarbeiten will - und wir haben unsere Bereitschaft erklärt, da mitzudenken.
Florin: Herr Bischof Feige, herzlichen Dank! Mit Gerhard Feige, dem Bischof von Magdeburg, habe ich über Fluch und Segen des Streits in der katholischen Kirche gesprochen.