"Das ist von Gemeinde zu Gemeinde anders. In einigen Gemeinden wird nicht nachgefragt, in anderen wird das getan. In der Regel, das ist meine Erfahrung, wird da kein Aufheben gemacht. Nur die wenigsten Gemeindemitglieder weisen ihren Geistlichen darauf hin."
Joao Miranda kommt aus Angola. Er ist katholischer Pfarrer in einer römischen Stadtrandgemeinde. Auf die Frage, ob er einem Protestanten während der Kommunion die Hostie austeilen würde, antwortet er ohne große Probleme. Er mache das ohne viele Worte. Wichtig sei doch nur, so Don Joao, dass die entsprechende Person ein aufrechter Christ sei.
"Ein Protestant wird bei mir niemals die Kommunion empfangen!"
Keine drei Kilometer Luftlinie von Mirandas Gemeinde entfernt ist Stefano Casco katholischer Geistlicher. Der Italiener kann über seinen Kollegen nur den Kopf schütteln:
"Nein! Ein Protestant wird bei mir niemals die katholische Kommunion empfangen können. Auch dann nicht, wenn eine protestantische Kirche für ihn nicht verfügbar ist. Wenn wir Katholiken die Kommunion austeilen und sagen 'Der Körper Christi', antwortet der Gläubige mit 'Amen'. Das bedeutet, dass der Gläubige damit meint: ja, ich glaube, dass das der Körper Christi ist. Für einen Protestanten ist das nicht der Körper Christi!"
Deshalb begrüßt Don Stefano das Machtwort von Papst Franziskus in Sachen Kommunion für Nichtkatholiken. Wer forderte, so der Geistliche, dass in Sachen Kommunion Katholiken und Protestanten über einen Kamm zu scheren seien, habe seiner Meinung nach nicht begriffen, dass es gravierende Unterschiede zwischen beiden christlichen Kirchen gibt:
"Ohne den Glauben, dass die Hostie, die jemand während der Kommunion empfängt, nach deren Segnung der Körper Christi ist, darf man an der Eucharistie nicht teilnehmen."
Gluten war ein Machtwort wert
Leidenschaftlicher als über die Frage, wer die Hostie empfängt, wird darüber diskutiert, was sie enthält: Ob glutenfreie Hostien zur Kommunion zugelassen werden dürfen, beschäftigte wochenlang Medien und Kirchenvolk. So sehr, dass die Bischofskonferenz ein Machtwort sprach und glutenfreie Hostien offiziell zugelassen hat.
Dass Ökumene nur am Rande eine Rolle spielt, hat mit dem Umstand zu tun, dass im immer noch vorwiegend katholischen Italien nur etwa 750 000 Protestanten leben, unterteilt in Lutheraner, Waldenser, Anglikaner, Baptisten und Methodisten und so weiter.
Doch mit Papst Franziskus verbanden auch die italienischen Protestanten große Hoffnungen. Dass Franziskus im November 2015 die römische und protestantische Christuskirche besuchte, schien Zeichen dafür zu sein, dass Ökumene nicht nur an der Basis, sondern auch ganz oben gewünscht ist. Jens Martin Kruse, damals Gemeindepfarrer der Christuskirche, begrüßte den Papst in seiner Kirche mit folgenden Worten:
"Das beweist, dass die christliche Einheit wächst. Zusammen sind wir unterwegs. Sie sagten einmal, dass wir daran glauben müssen, dass wir alle Hindernisse auf dem Weg einer gemeinsamen Kommunion zwischen uns aus dem Weg räumen können."
Eine der anwesenden Gläubigen fragte den Papst, wann es denn endlich eine gemeinsame Kommunion zwischen Protestanten und Katholiken geben würde, und Franziskus antwortete:
"Gemeinsam die Kommunion einzunehmen: ob das am Ende unseres gemeinsamen Weges möglich sein wird oder ob das die Voraussetzung für einen gemeinsamen Weg sein wird, nun, ich lasse die Beantwortung dieser Frage offen. Eine Antwort überlasse ich den Theologen und jenen, die davon mehr verstehen als ich."
"Franziskus bezieht keine klare Position"
Und anscheinend haben die vatikanischen Theologen, jene, die, wie Franziskus es ausdrückte, mehr davon verstehen, die Oberhand gewonnen. Jene konservativen Kräfte innerhalb der katholischen Kirche Italiens, die nichts unversucht lassen, bestimmte Reformansätze des argentinischen Papstes entweder im Keim zu ersticken oder ihre Realisierung zu verhindern. Und genau das scheint an der zu Anfang seines Pontifikats geweckten Hoffnung auf eine gemeinsame Kommunion von Protestanten und Katholiken geschehen zu sein.
In diesem Sinn fragen sich auch Italiens Vatikanexperten, ob Franziskus einen Kotau jenen Kräften gegenüber getan habe, denen sein Vorstoß Richtung protestantischer Kirche und entschieden gelebter Ökumene nie gefallen hat. Das sind konservative Kardinäle, Theologen und kirchlichen Gruppen wie die im Vatikan einflussreiche Personalprälatur des Opus Dei, aber auch viele italienische Gläubige, die in diesem Papst jemanden sehen, der althergebrachte Gewissheiten aufhebt, Dogmen in Frage stellt. Sandro Magister, Vatikanexperte des italienischen Wochenmagazins "Espresso":
"Gerade in diesem Punkt repräsentiert dieses Pontifikat etwas ganz Neues. Er stellt Themen in Frage, die bisher unantastbar waren. Und: Franziskus bezieht als Papst keine eigene klare Position. Das führt natürlich dazu, dass Katholiken, Gläubige wie Geistliche und ganze Bischofskonferenzen, siehe der Fall Deutschland, die Worte des Papstes konkret aufgreifen, und zu der Überzeugung gelangen, dass man Entscheidungen treffen könne, die sich von den althergebrachten Ideen der Kirche unterscheiden."
Einvernehmliches Schweigen
Wie eben im Fall der ökumenischen Kommunion: Wenn sich zu vieles von der althergebrachten Kirche unterscheide, könne man die katholische Kirche nicht mehr von der evangelischen unterscheiden, fürchten Franziskus' Kritiker.
Dasselbe gilt im Fall der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare oder der Teilnahme bekennender und praktizierender Homosexueller an der Eucharistie. Noch bis vor wenigen Jahren war in Italien unvorstellbar, dass darüber überhaupt diskutiert wurde. Früher galt: Solange katholische Geistliche nicht wussten, ob jemand homosexuell oder lesbisch ist und in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, wurde in der Regel nicht nachgefragt. Die Geistlichen teilten die Kommunion aus und basta.
Heute fragen immer mehr Geistliche nach, und obwohl sie genau wissen, wen sie an der Eucharistie teilnehmen lassen, sehen sie darin kein Problem. Nur die wenigsten dieser Priester werden, sollte ihr Handeln bekannt werden, strafversetzt. Auf die Idee, diese Praxis schriftlich zu fixieren, können nur die Deutschen kommen, heißt es in Italien. Die jeweiligen Bischöfe reagieren in der Regel auf diese Realität so, wie sie immer auf Abweichungen reagiert haben, die nicht an die große Glocke gehängt werden - mit einvernehmlichem Schweigen.