Straßenwahlkampf zur Rathauswahl in Graz klingt im Januar 2017 so:
"Wie finden Sie die KPÖ? Wählen Sie die?" - "Ja freilich, schon ewig. Ich bin ja schon alt, 88 Jahre." - J"a, die kann man schon wählen. Also, die Frau Kahr, wegen der Wohnungsprobleme."
Elke Kahr ist seit 2005 Wohnungsstadträtin und hat den Job übernommen von ihrem KPÖ-Genossen Ernst Kaltenegger. Die Grazer Kommunisten hatten das Wohnungsthema in den 80er-Jahren für sich entdeckt und konsequent bearbeitet. Ein Mieternotruf wurde eingerichtet sowie kostenlose Beratung und Rechtsauskunft angeboten. Und plötzlich klappte es auch bei den Wählern.
"Ich weiß es aus meiner Erfahrung, dass es mir schlecht gegangen ist, wie mein Mann gestorben ist. Der Einzige, der Herr Kaltenegger hat mir geholfen, nicht so mit dem Finanziellen, sondern mit Gesprächen und dass er mir die Wege gezeigt hat, was ich gehen muss."
"Ein Bad für jede Gemeindewohnung, auch das ist Kultur"
Ernst Kaltenegger, mittlerweile Mitglied des steirischen Landtages, brachte die Gemeindewohnungen, also die Sozialwohnungen, wieder auf Vordermann unter dem Motto: "Ein Bad für jede Gemeindewohnung, auch das ist Kultur". Denn jede vierte Wohnung hatte seinerzeit kein fließendes Wasser. Das hat sich geändert. Kalteneggers Nachfolgerin Elke Kahr setzt den Kurs fort. Jede Woche kommen Gemeindebaubewohner in ihr Büro im Rathaus und klagen ihr Leid. Und Elke Kahr hört nicht nur zu und gibt Tipps, sie hilft auch ganz persönlich. Mit ihrem privaten Geld.
"Da hat man dann kein Gefühl mehr, wie es Menschen geht, die viel sparen müssen, die irgendwelche Kleinigkeiten wie Reparaturen oder wenn es um Heilbehelfe geht, die sie dringend brauchen, das Geld nicht haben. Und deshalb behalte ich mir 1.900 Euro von den 6.300 und der Rest geht an Menschen weiter, die mit ihrem eigenen Bezug oder Gehalt Anschaffungen oder plötzlich anfallende Kosten nicht zahlen können."
Das kommt natürlich an bei vielen Grazern, die dieses sehr persönliche Engagement mit rund 20 Prozent der Wählerstimmen bei der Kommunalwahl quittiert haben. Aber manche finden das auch:
"Falsch und hinterlistig. Warum? Weil sie die Stimmen erkaufen. Weil sie da Leute unterstützt, die eventuell wirklich eine Hilfe brauchen. Geld geben und aus Dankbarkeit bekommen sie dann die Wählerstimmen."
Populismus als Erfolgsrezept
Linker Populismus also. Ex-Stadtrat Ernest Kaltenegger, der für seine Partei vor allem Gradlinigkeit und konsequente Politik beansprucht, empfindet das nicht als Vorwurf.
"Ja, das ist Populismus. Das sagen auch die Populisten bei unserer politischen Konkurrenz. Da würde ich mir mehr Populismus wünschen." - "Vielleicht auch ein Erfolgsrezept, von dem andere Parteien lernen können?" - "Warum nicht? Da haben wir auch nichts dagegen, wenn das kopiert wird. Im Gegenteil."
Also, Populismus ja, allerdings nicht so wie bei der FPÖ auf Kosten von Minderheiten. Da gelte es dagegen zu halten und zu demaskieren, führt Elke Kahr aus.
"Es reicht nicht nur zu sagen, die seien jetzt Faschisten oder gegen die Ausländer. Das ist zu wenig. Du musst aufzeigen, wo die anders reden und anders handeln, weil in Wirklichkeit, die Freiheitliche Partei eine wirtschaftsliberale Partei ist."
Die Gemeindewohnungen beispielsweise am liebsten privatisieren möchte. Ironie der Geschichte: Genau dazu wird die FPÖ jetzt Gelegenheit bekommen, denn sie hat trotz ihres bescheidenen Abschneidens bei der Gemeinderatswahl in den Koalitionsverhandlungen mit der konservativen ÖVP das Wohnungsressort ergattert.
Elke Kahr muss trotz des Wahlsieges der KPÖ, der der Partei sogar einen zweiten Stadtratsposten eingebracht hat, ins Verkehrsamt wechseln. Und verliert obendrein den prestigeträchtigen Job als Vize-Bürgermeisterin. Der konservative Bürgermeister Siegfried Nagl kann es der Kommunistin einfach nicht verzeihen, dass sie gegen das geplante Wasserkraftwerk in der Stadt mobil gemacht und so vorzeitigen Neuwahlen herbeigeführt hat.
"Wir haben die Frau Kahr auch zur Vizebürgermeisterin gemacht. Sie ist aber aus meiner Sicht mit dieser Rolle als Vizebürgermeisterin nicht gut umgegangen. Weil da wollte sie lieber populistisch auf der Seite von Murkraftwerksgegnern bleiben. Und hat mir damit auch bewiesen, dass sie nicht wirklich Gesamtverantwortung tragen kann."
Populistischen Strategien reichen also nicht für dauerhaften politischen Erfolg. Jedenfalls nicht in Österreich.