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Kompetenz statt Auswendiglernen

Jobs bei der Europäischen Union sind heiß begehrt – in Brüssel bewerben sich jedes Jahr mehr als hunderttausend Menschen aus ganz Europa. Um aus dieser Masse die geeignetsten Kandidaten herauszufiltern, wurde im vergangenen Jahr das Bewerbungsverfahren geändert.

Von Miriam Kuck | 27.05.2011
    Zu wenige junge Deutsche bewerben sich für Stellen bei der Europäischen Union – diese Aussage des Auswärtigen Amtes verwundert. Denn die Fakten sehen anders aus – wie auch Guido Kemmerling von der Ständigen Vertretung in Brüssel zugibt:

    "Im Bereich des vergleichbaren höheren Dienstes, also im Bereich Referenten, stehen wir mit Frankreich praktisch an erster Stelle, was die reine Zahl angeht der Deutschen. Das ist nicht schlecht. Wir als größtes Mitgliedsland könnten uns natürlich vorstellen noch ein bisschen besser zu sein."

    Ziel des Auswärtigen Amts ist es, dass anstelle von jetzt sieben zukünftig 16 Prozent aller Bewerber bei der Europäischen Union aus Deutschland kommen – das würde dem deutschen Anteil an der EU-Gesamtbevölkerung entsprechen. So soll dafür gesorgt werden, dass deutsche Interessen in Brüssel ausreichend berücksichtigt werden. Deswegen führt das Auswärtige Amt Vorbereitungskurse für deutsche Bewerber sowie Informationsveranstaltungen zu EU-Jobs an Universitäten durch.

    So kam auch eine Frau aus Heidelberg auf die Idee, sich in Brüssel zu bewerben und schaffte es in die letzte Runde. Ihr Fazit nach acht Stunden im EU-Assessment-Center in Brüssel – abgesehen vom Systemausfall bei einem Computertest zu Organisationsfähigkeit:

    "Ansonsten war es leichter als ich vermutet hatte oder als ich mich vorbereitet hatte, da hatte ich einfach was ganz anderes erwartet, und das habe ich denen gerade auch erzähl, dass ich einfach von was anderem ausgegangen bin. Dann haben sie nur gemeint, dass die unterschiedlichen Profile und die Anforderungen wohl auch sehr unterschiedlich sind – je nachdem, für was man sich bewirbt."

    Erwartet hatte sie eine große Prüfungskommission, Teamaufgaben und schwierige Fragen zu EU-Politik. Stattdessen wurde im Gespräch schematisch ein Fragebogen mit problematischen Situationen abgearbeitet. Der Grund: Trotz Hochschulabschluss hat sich die Heidelbergerin nur um eine Sachbearbeiterstelle bei der EU beworben. Hier sind die Tests weniger umfangreich als bei den sogenannten Administratoren-Ausschreibungen, wo ein abgeschlossenes Studium Voraussetzung ist. Aber die Anglistin war nicht die einzige überqualifizierte Bewerberin in Brüssel:

    "Also, was ich interessant fand, war, dass viele Geisteswissenschaftler da waren mit denen ich mich unterhalten hab, einfach aus dem Grund, weil ich denke, dass die sich in den Administratorenprofilen nicht wiederfinden können. Also ich kann mich als Geisteswissenschaftler nicht für ne Juristenstelle bewerben und pass auch nicht in die anderen Profile rein. Sprich: Mir bleibt gar nichts anderes übrig, wenn ich mich gerne in der EU engagieren würde, als mich für eine Stelle zu bewerben, wo ich eigentlich überqualifiziert bin."

    Denn im höheren EU-Dienst werden vor allem Juristen und Wirtschaftsabsolventen gesucht. Die etwas allgemeiner gehaltenen Ausschreibungen im Bereich "Europäische öffentliche Verwaltung" dürften dagegen vor allem für Politik- oder Verwaltungswissenschaftler interessant sein. Allerdings kommen hier auf einen Platz über hundert Bewerber. Guido Kämmerling von der Ständigen Vertretung in Brüssel rät deswegen:

    "Bei den Concours ist es auch wichtig, sich genau zu überlegen, in welchem Bereich man sich bewirbt. Wenn man die Möglichkeit hat, sich beispielsweise im Bereich Finanzen oder Rechnungsprüfung zu bewerben, da ist es manchmal etwas leichter von der Bewerbungssituation her man kann eher erfolgreich sein als bei dem Bereich Europäische öffentliche Verwaltung wo es immer traditionell die größte Zahl an Bewerbern gibt."

    Am 31. Mai findet an der Universität Leipzig die nächste Informationsveranstaltung zu EU-Jobs statt, Anfang Dezember veranstaltet das Auswärtige Amt eine große Messe zu Stellen bei internationalen Organisationen. Auf der Seite "jobs-io.de" gibt es außerdem eine eigene Suchmaschine für solche Ausschreibungen. Wer den etwa ein Jahr dauernden Bewerbungsprozess bei der EU auf sich nehmen will, sollte allerdings eins wissen: Eine Jobgarantie für erfolgreiche Bewerber gibt es nicht: Wer bestanden hat, kommt auf die so genannte "Laureaten-Liste" und hat damit nur die Erlaubnis, sich um offene Stellen bei der Europäischen Union zu bewerben.