Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtete unter Berufung auf Diplomaten, dass Brüssel nach dem Willen von Schäuble die Kompetenzen über den Binnenmarkt und die Wettbewerbsregeln abgeben soll. Diese sollten nach Vorbild des Bundeskartellamts an unabhängige Behörden ausgegliedert werden.
Seine Überlegungen habe Schäuble vor zwei Wochen auf dem Treffen der EU-Finanzminister vorgestellt, so die FAZ. Damit wolle er erreichen, dass die ursprüngliche Funktion der Kommission als Hüterin der EU-Verträge getrennt werde von ihren immer stärkeren politischen Aktivitäten, etwa in der Griechenland-Krise. Die "FAZ" schrieb, nach Ansicht des CDU-Politikers habe EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in den Verhandlungen über neue Kredite für Griechenland seine Kompetenzen überschritten.
Ministerium relativiert Äußerungen
Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums teilte in Berlin mit, für Schäuble sei wichtig, dass die Kommission die richtige Balance zwischen ihrer politischen Funktion sowie der Rolle als Hüterin der Verträge wahre. Von einer Entmachtung der Kommission könne jedoch keine Rede sein. Die EU-Kommission verteidigte als Reaktion die politische Bedeutung ihrer Aufgaben. Auch nach den EU-Verträgen gingen diese weit darüber hinaus, nur Gesetzgebung einzuleiten und durchzusetzen, sagte eine Sprecherin von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Es sei richtig, dass die Kommission politischer geworden sei. Auf Details des Zeitungsberichts über Äußerungen von Schäuble wollte die Sprecherin nicht eingehen.
Der SPD-Europa-Abgeordnete Jo Leinen sagte im Deutschlandfunk, die EU-Kommission müsse nicht entmachtet, sondern entlastet werden. Sie sei überladen mit Kartellamtsverfahren. Leinen betonte, er könne sich gut ein europäisches Kartellamt vorstellen.
Schäuble sieht Interessenkonflikt
Eine Debatte über die Kompetenzen der EU-Kommission gibt es seit dem Amtsantritt von Juncker im vergangenen November. "Juncker interpretiert sein Mandat ziemlich politisch", sagte DLF-Korrespondent Benjamin Hammer. In der Griechenland-Krise habe sich die EU nicht auf die Leistung technischer Hilfe beschränkt, sondern direkt mit Athen verhandelt. Nach Ansicht von Schäuble entsteht dadurch ein Interessenkonflikt zwischen dem Hüten und Prägen der Verträge. Für den ARD-Korrespondenten in Brüssel, Rolf-Dieter Krause, klingen Schäubles Pläne logisch, wie er im Kurznachrichtendienst Twitter ausführt:
Der niederländische Finanzminister Jereon Dijsselbloem will dem FAZ-Bericht zufolge das Thema zu einem Schwerpunkt des EU-Ratsvorsitzes machen, den die Niederlande im ersten Halbjahr 2016 innehaben. DLF-Korrespondent Hammer wertete die Idee Schäubles als einen "Debattenimpuls". Dass diese tatsächlich umgesetzt wird, hält er für unwahrscheinlich, da dazu die EU-Verträge geändert werden müssten.
Grüne lehnen Vorstoß ab
Kritik gab es von den Grünen. Der Grünen-Wirtschaftsexperte im Bundestag, Dieter Janecek, erklärte, Schäuble habe mit seinem "Grexit"-Plan zuerst den Bundestag getäuscht und nun werfe er der EU-Kommission eine Kompetenzüberschreitung vor. "Statt Renationalisierung in der EU zu betreiben, sollte Deutschland das Europäische Parlament stärken", schrieb Janecek im Kurzmitteilungsdienst Twitter.
(fwa/bor)