"Das ist genau der Eindruck, den wir auch wahrnehmen, dass Experten produziert werden, die gar keine Experten sind und dem wollten wir auch entgegentreten und sagen, wir liefern gute und fundierte Informationen über die Religionen."
Religionspsychologe Lars Allolio-Näcke ärgert sich schon lange darüber, dass etwa in Talk-Shows immer wieder so genannte Islamexperten auftauchen, nur weil sie mal einen Koran in der Hand hatten und nun dazu unbedingt ihre Meinung kund tun möchten. Besser sei da in jedem Fall fundiertes Wissen. Zusammen mit 50 Kollegen hat er daher das Kompetenzzentrum Religion an der Universität Erlangen-Nürnberg gegründet, dessen Geschäftsführer er nun ist. Seitdem erreichen ihn täglich Anfragen per Post, Telefon oder E-Mail.
"Das sind ganz konkrete Anfragen, was man beachten muss beim Bau einer Moschee. Beispielsweise ob unbedingt ein Minarett erforderlich ist. Das ist es eigentlich nicht, weil das Minarett immer neben der Moschee gestanden hat früher. Solche baulichen Anfragen kommen, aber auch Anfragen zur Vermittlung, wenn Bürger sich bedroht fühlen durch eine Moschee. Weil eine Moschee ist im Grunde genommen nicht nur ein Gebetshaus, sondern ein Gemeindehaus und dort kommen sehr, sehr viele Menschen zusammen und das kann zu Konflikten führen und beispielsweise unser Experte Matthias Rohe, der Experte für islamisches Recht in Europa ist, der führt dann auch Mediationsgespräche beispielsweise."
Kostenlose Beratung
Bis Ende 2017 ist das Kompetenzzentrum ausfinanziert. Die Beratung ist zumindest bis dahin kostenlos. Der Anspruch ist, im Grunde über alle Glaubensgemeinschaften kompetent Auskunft geben zu können. Die weitaus meisten Anfragen kommen aber derzeit zum Thema Islam. Lars Allolio-Näcke verweist dann auf die Bürosprechzeiten seiner jeweiligen Fach-Kollegen.
"Andere Beispiele sind, dass Ärzte fragen, wie sie sich im Ramadan verhalten müssen, ob Akupunktur da zum Beispiel möglich ist. Es ist möglich, weil es da um Dinge geht, die in den Körper rein kommen und die Sorge der betroffenen Muslime war es eben, dass das Blut, das austritt den Körper verunreinigt."
Anfragen gibt es besonders häufig, wenn in den Medien etwas aufgewirbelt wird. Etwa der Fall, dass ein Imam der Klassenlehrerin seiner Kinder nicht die Hand geben wollte. Da versucht man bei aller Aufregung im Kompetenzzentrum einen kühlen wissenschaftlichen Kopf zu behalten.
"Also entscheiden, wie damit umgegangen wird, muss die Institution, die betroffen ist. Das machen wir vom Kompetenzzentrum nicht, sondern wir beraten hinsichtlich der Hintergründe, warum der Muslim die Hand nicht gibt, beispielsweise. Und wir würden immer empfehlen, dass es zu respektieren ist, wenn ein muslimischer Mann einer Frau keine Hand gibt aus religiösen Gründen, aber er muss eine Ersatzgeste dafür leisten, beispielsweise eine Verbeugung oder ein Kopfnicken wäre damit auch der Respekt vor der Frau bezeugt."
Mangelndes Wissen bei Medienvertretern
Denn Frauen könnten gerade ihre Menstruation haben und nach streng religiöser Auffassung als unrein gelten. Das Kompetenzzentrum Religion steht allen Menschen offen, interessierten oder gar besorgten Bürgern, Fachleuten, die mit und für Menschen aus anderen Kulturkreisen arbeiten, Politikern, aber auch Journalisten. Geschäftsführer Lars Allolio-Näcke erlebt immer wieder, dass gerade bei Medienvertretern kaum noch Wissen über Religionen vorhanden ist, nicht einmal über das Christentum.
Das Kompetenzzentrum Religion will aber auch für die Menschen da sein, für die Religion bisher kein Thema war. Denn auch wenn wir in einer verweltlichten säkularisierten Welt leben, so ist der Glaube der anderen ein gesellschaftlich-politischer Faktor, mit dem man sich auch als Religions- und Konfessionsloser auskennen sollte.
"Was uns wichtig erscheint, dass den Menschen Kenntnisse über Religion vermittelt werden, die keine Religion haben. Weil immer noch die Vorstellung herrscht, dass Religion Privatsache ist und auch nur dort auftritt, wo private Menschen zusammen sind. Aber das ist nicht der Fall. Säkularisierung beschreibt nur eine Seite unserer Gesellschaft und Religion ist ein Teil des öffentlichen Raumes und deswegen muss da mehr Aufklärung geleistet werden."