Polymilchsäure, kurz PLA, so hieß das neue Wundermaterial. Ein biologisch abbaubarer Kunststoff, hergestellt aus nachwachsenden Rohstoffen wie Maisstärke oder Zuckerrüben, der nach Gebrauch kompostiert werden kann. Bei umweltbewussten Kunden müssten Getränkeflaschen aus diesem Stoff doch ankommen, dachte man im Sommer 2006 mancherorts in Deutschland. Zum Beispiel bei einem Mineralwasser-Abfüller in Bochum, der damals Hunderttausende der kompostierbaren Plastikflaschen herstellte. Und bei einer Drogeriemarktkette, die die "Bioflaschen" in den Handel brachte. Bernd Merzenich, der damalige Projektleiter, pries seinerzeit die ökologischen Vorzüge von PLA.
"Es macht erst mal die Entsorgung von Flaschen viel einfacher. Man fährt nicht mehr so viel herum. Man muss ja auch mal bei der Ökobilanz rechnen, wie viel Kilometer die Leute mit leeren Flaschen durch die Gegend fahren. Das fällt jetzt weg. Der Verbraucher kann sie einfach in die Biotonne tun. Der Handel spart sich das ganze Theater mit der Flaschenrücknahme beim Pfand und wir sparen unglaubliche Transportwege."
"Schön für die Umwelt" versprach das Etikett der kompostierbaren Plastikflaschen. Wolfgang Beier vom Umweltbundesamt, der sich seit 15 Jahren mit Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen befasst, wollte es genauer wissen. Im November 2006 bat er die Geschäftsleitung der Drogeriemarktkette schriftlich um Auskunft, welche Belege für die überlegene Umweltverträglichkeit der PLA-Flaschen es denn gebe.
"Leider wurden wir keiner Antwort für würdig befunden. Aber seltsamerweise verschwanden die Flaschen kurz nach dem Versuch unserer Kontaktaufnahme aus den Verkaufsregalen. Offiziell wurde angegeben, es gab Undichtigkeiten im Verschluss. Wir kennen die Gründe nicht. Soviel ich weiß, sind die Flaschen komplett verschwunden. Ich kenne kein Beispiel, dass die Flaschen jetzt noch da wären."
Weil aus den PLA-Flaschen allmählich Gas entwich, schrumpelten sie nach einigen Monaten im Regal unansehnlich zusammen. Der Absatz blieb hinter den Erwartungen zurück. Beim Bochumer Mineralwasserabfüller, der die Flaschen damals herstellte, heißt es heute, Zitat: "Das war auf gut deutsch ein Flop." Was aber nicht bedeutet, dass der Biokunststoff PLA keine Zukunft hätte. Bernd Merzenich, der das Flaschenprojekt damals voran trieb, ist heute Geschäftsführer der Firma Pyramid Bioplastics, die im brandenburgischen Guben eine industrielle Produktion aufbaut. 2010 soll die Anlage in Betrieb gehen und bis 2012 eine Kapazität von 60 000 Tonnen pro Jahr erreichen. In Guben geht man davon aus, dass Biopolymere in den kommenden Jahren drei bis fünf Prozent jener 15 Millionen Tonnen Kunststoffe ersetzen könnten, die die europäische Verpackungsindustrie jährlich benötigt. PLA könnte eine wichtige Rolle dabei spielen.
In Flaschenform sei es derzeit allerdings nur für kurzlebige Produkte wie Milch und Molkereiprodukte interessant, räumt Bernd Merzenich ein. Denn bei Waren, die sowieso nur ein paar Wochen halten, sei die mangelnde Langzeitstabilität des Biokunststoffs kein Handicap. Nach Angaben von Pyramid Bioplastics entsteht je Tonne PLA eine Tonne weniger Kohlendioxid als bei der Herstellung erdölbasierter Polymere wie PET. Doch weil PET-Flaschen zum großen Teil recycelt werden, beurteilt Wolfgang Beier vom Umweltbundesamt solche Aussagen skeptisch. Umfassende Ökobilanzen, aus denen hervorgeht, inwieweit Bioplastik-Produkte wirklich die Umwelt schonen, seien bis heute Mangelware, beklagt er.
"Wir sind in einem Dilemma. Wir werden häufig gefragt, wie wir diese Werkstoffe bewerten. Und es fällt uns also schwer eine fundierte Meinung zu äußern, weil diese Ökobilanzen, die ich für sehr wichtig halte, in diesem Zusammenhang, einfach nicht vorliegen."
Zu PLA gibt es aber immerhin eine aktuelle Studie. Im Vorfeld der Fußball-EM 2008 verglichen Forscher die Ökobilanz von Trinkbechern. Dabei landete der PLA-Becher gemeinsam mit einem Plastikbecher aus PET auf dem letzten Platz. Pappbecher sind umweltfreundlicher, Mehrwegbecher am besten. Auf PLA-Getränkeflaschen lassen sich die Resultate nicht ohne weiteres übertragen. Wolfgang Beier wertet sie trotzdem als Beleg für eine Binsenweisheit.
"Recycling ist besser als Kompostierung."
Weshalb die Kompostierung von Kunststoffen ein ökologischer Irrweg sei, kritisiert der Experte. Bernd Merzenich von Pyramid Bioplastics sieht das inzwischen genauso. Er bevorzuge die thermische Verwertung von Biopolymeren in einem Müllofen, sagt er, schließlich sei deren Verbrennung genauso ökologisch wie die von Holzschnipseln. Die tolle Idee, die PLA-Flasche als "kompostierbar" zu bewerben, war seinerzeit eine Marketing-Entscheidung, die sich im Nachhinein als Schnapsidee entpuppte.
Weblinks
http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/kompostflasche/kompostflasche/index.jhtml
http://www.maschinenmarkt.vogel.de/themenkanaele/mmlogistik/verpackungstechnik/verpackungsmaterialien/articles/153378/
http://www.pyraplast.com/pdf/Projekt-Info-d.pdf
http://www.bioplasticsmagazine.de/bottle/getraenkeindustrie.pdf
http://www.zeit.de/2006/48/Nur_ein_Schein_von_Gruen
"Es macht erst mal die Entsorgung von Flaschen viel einfacher. Man fährt nicht mehr so viel herum. Man muss ja auch mal bei der Ökobilanz rechnen, wie viel Kilometer die Leute mit leeren Flaschen durch die Gegend fahren. Das fällt jetzt weg. Der Verbraucher kann sie einfach in die Biotonne tun. Der Handel spart sich das ganze Theater mit der Flaschenrücknahme beim Pfand und wir sparen unglaubliche Transportwege."
"Schön für die Umwelt" versprach das Etikett der kompostierbaren Plastikflaschen. Wolfgang Beier vom Umweltbundesamt, der sich seit 15 Jahren mit Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen befasst, wollte es genauer wissen. Im November 2006 bat er die Geschäftsleitung der Drogeriemarktkette schriftlich um Auskunft, welche Belege für die überlegene Umweltverträglichkeit der PLA-Flaschen es denn gebe.
"Leider wurden wir keiner Antwort für würdig befunden. Aber seltsamerweise verschwanden die Flaschen kurz nach dem Versuch unserer Kontaktaufnahme aus den Verkaufsregalen. Offiziell wurde angegeben, es gab Undichtigkeiten im Verschluss. Wir kennen die Gründe nicht. Soviel ich weiß, sind die Flaschen komplett verschwunden. Ich kenne kein Beispiel, dass die Flaschen jetzt noch da wären."
Weil aus den PLA-Flaschen allmählich Gas entwich, schrumpelten sie nach einigen Monaten im Regal unansehnlich zusammen. Der Absatz blieb hinter den Erwartungen zurück. Beim Bochumer Mineralwasserabfüller, der die Flaschen damals herstellte, heißt es heute, Zitat: "Das war auf gut deutsch ein Flop." Was aber nicht bedeutet, dass der Biokunststoff PLA keine Zukunft hätte. Bernd Merzenich, der das Flaschenprojekt damals voran trieb, ist heute Geschäftsführer der Firma Pyramid Bioplastics, die im brandenburgischen Guben eine industrielle Produktion aufbaut. 2010 soll die Anlage in Betrieb gehen und bis 2012 eine Kapazität von 60 000 Tonnen pro Jahr erreichen. In Guben geht man davon aus, dass Biopolymere in den kommenden Jahren drei bis fünf Prozent jener 15 Millionen Tonnen Kunststoffe ersetzen könnten, die die europäische Verpackungsindustrie jährlich benötigt. PLA könnte eine wichtige Rolle dabei spielen.
In Flaschenform sei es derzeit allerdings nur für kurzlebige Produkte wie Milch und Molkereiprodukte interessant, räumt Bernd Merzenich ein. Denn bei Waren, die sowieso nur ein paar Wochen halten, sei die mangelnde Langzeitstabilität des Biokunststoffs kein Handicap. Nach Angaben von Pyramid Bioplastics entsteht je Tonne PLA eine Tonne weniger Kohlendioxid als bei der Herstellung erdölbasierter Polymere wie PET. Doch weil PET-Flaschen zum großen Teil recycelt werden, beurteilt Wolfgang Beier vom Umweltbundesamt solche Aussagen skeptisch. Umfassende Ökobilanzen, aus denen hervorgeht, inwieweit Bioplastik-Produkte wirklich die Umwelt schonen, seien bis heute Mangelware, beklagt er.
"Wir sind in einem Dilemma. Wir werden häufig gefragt, wie wir diese Werkstoffe bewerten. Und es fällt uns also schwer eine fundierte Meinung zu äußern, weil diese Ökobilanzen, die ich für sehr wichtig halte, in diesem Zusammenhang, einfach nicht vorliegen."
Zu PLA gibt es aber immerhin eine aktuelle Studie. Im Vorfeld der Fußball-EM 2008 verglichen Forscher die Ökobilanz von Trinkbechern. Dabei landete der PLA-Becher gemeinsam mit einem Plastikbecher aus PET auf dem letzten Platz. Pappbecher sind umweltfreundlicher, Mehrwegbecher am besten. Auf PLA-Getränkeflaschen lassen sich die Resultate nicht ohne weiteres übertragen. Wolfgang Beier wertet sie trotzdem als Beleg für eine Binsenweisheit.
"Recycling ist besser als Kompostierung."
Weshalb die Kompostierung von Kunststoffen ein ökologischer Irrweg sei, kritisiert der Experte. Bernd Merzenich von Pyramid Bioplastics sieht das inzwischen genauso. Er bevorzuge die thermische Verwertung von Biopolymeren in einem Müllofen, sagt er, schließlich sei deren Verbrennung genauso ökologisch wie die von Holzschnipseln. Die tolle Idee, die PLA-Flasche als "kompostierbar" zu bewerben, war seinerzeit eine Marketing-Entscheidung, die sich im Nachhinein als Schnapsidee entpuppte.
Weblinks
http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/kompostflasche/kompostflasche/index.jhtml
http://www.maschinenmarkt.vogel.de/themenkanaele/mmlogistik/verpackungstechnik/verpackungsmaterialien/articles/153378/
http://www.pyraplast.com/pdf/Projekt-Info-d.pdf
http://www.bioplasticsmagazine.de/bottle/getraenkeindustrie.pdf
http://www.zeit.de/2006/48/Nur_ein_Schein_von_Gruen