Archiv

Kompromiss mit VW und Daimler
"70 Prozent der Diesel-Fahrzeuge nicht betroffen"

Verbraucherschützer Gregor Kolbe fordert Nachbesserungen beim Kompromiss zu Nachrüstungen und Kaufprämien für Dieselfahrzeuge, der jetzt mit VW und Daimler erzielt wurde. Die Maßnahmen müssten schneller in Kraft treten, sagte Kolbe im Dlf. Zudem sollten alle Hersteller in die Pflicht genommen werden.

Gregor Kolbe im Gespräch mit Jule Reimer |
    Das Foto zeigt die Abgase eines Dieselfahrzeugs in Essen.
    Das Foto zeigt die Abgase eines Dieselfahrzeugs in Essen. (dpa-Bildfunk / AP / Martin Meissner)
    Jule Reimer: Seit gestern ist klar, auch in Köln und Bonn werden Straßen für ältere Dieselautos gesperrt werden. Begleitet wurde diese Gerichtsentscheidung von Nachrichten aus dem Bundesverkehrsministerium in Berlin über einen Kompromiss, nach dem sich Volkswagen und Daimler jetzt bereit erklären, zumindest einen Kostenzuschuss von bis zu 3.000 Euro an Autobesitzer zu zahlen, die ganz konkret von bereits verhängten oder kommenden Fahrverboten betroffen sein werden.
    Frage an Gregor Kolbe, Mobilitätsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband: Neben dem Software-Update und den Umtauschprämien für Autofahrer, die ihren Diesel mit den betrügerischen Abgaseinrichtungen zurückgeben und dann ein neues Auto erwerben, ist jetzt dieser dritte Weg für die gezielte Nachrüstung von Fahrverbotsbetroffenen für Sie eine gute Lösung?
    Gregor Kolbe: Endlich haben Politik und Wirtschaft eine Maßnahme in die Tat umgesetzt oder sind dabei, sie in die Tat umzusetzen, die wir seit langem fordern. Die Nachrüstung von älteren Dieselfahrzeugen kann gerade Verbrauchern, die sich keinen Neuwagen leisten können, auch mit den Kaufprämien der Hersteller helfen, zukünftig in den Städten, die von Fahrverboten betroffen sind, mobil zu bleiben. Allerdings kritisieren wir auch, dass das nur für einige Hersteller gilt. BMW hat sich zum Beispiel rundweg geweigert, daran teilzunehmen. Auch der zeitliche Horizont ist sehr lang gegriffen. Nachrüstungen, die erst 2021 kommen, werden natürlich denjenigen, die schon im nächsten Jahr betroffen sind – und da stehen einige Fahrverbote an – nicht helfen. Wir brauchen das schnellstmögliche Inkrafttreten dieser Maßnahmen und auch das schnelle Zur-Verfügung-stellen dieser Nachrüstsysteme.
    Deutsche und ausländische Hersteller an einen Tisch
    Reimer: Sie haben erwähnt, dass BMW es weiter ablehnt. Gibt es noch andere Hersteller, wo Sie sagen, die müssen eigentlich auch in die Pflicht genommen werden?
    Kolbe: Im Prinzip müssen alle Hersteller in die Pflicht genommen werden. Das Verkehrsministerium spricht in der Regel vor allem mit den deutschen Herstellern, weil dort natürlich auch die Zuständigkeit eine andere ist, im Vergleich zu den ausländischen Herstellern. Aber VW und Daimler stehen für ungefähr 30 Prozent der Dieselfahrzeuge. 70 Prozent sind davon nicht betroffen. Das heißt, alle deutschen Hersteller, aber auch die ausländischen Hersteller müssen sich mit an den Tisch setzen und vergleichbare Angebote machen.
    Reimer: Alle anderen, die nicht in diesen Städten oder in diesen Kernzonen wohnen oder arbeiten, aber vielleicht irgendwann mal dort hinfahren müssen, die gucken in die Röhre?
    Kolbe: Der Fokus liegt natürlich erst mal auf denen, die in den Städten wohnen, dort leben und regelmäßig dort fahren, und auch auf denen, die dort reinpendeln und dort arbeiten. Das sind schon mal eine Vielzahl von Haltern, die von Fahrverboten direkt betroffen werden. Auf die sollte auch der Fokus gelegt werden. Die, die nur sporadisch im Zulaufzweck zum Beispiel in diese Städte fahren, auch da kann man überlegen, ob man denen solche Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Allerdings muss man gerade auf die, die am intensivsten betroffen sind – und das sind die Bewohner und Einpendler dieser Städte -, einen besonderen Stellenwert legen und diese unterstützen.
    CO2-Steuer im Verkehrsbereich "zweitrangiges Instrument"
    Reimer: Die "Bild"-Zeitung greift heute auf, dass Bundesumweltministerin Svenja Schulze außerdem eine CO2-Steuer für Benzin, Heizöl und Strom fordert, um die doch für mittlerweile alle sichtbare Klimaerwärmung und ihre verheerenden Folgen in den Griff zu bekommen. Wie sehen Sie das als Verbraucherschützer?
    Kolbe: Wir haben verbindliche Klimaziele angegangen als Bundesrepublik. Wenn die nicht erfüllt werden, dann wird das teuer. Maßnahmen, die dazu beitragen, unsere Klimaschutzziele und die Senkung des CO2-Ausstoßen zu erreichen, sind grundsätzlich zu begrüßen. Eine CO2-Steuer im Energie- und Wärmebereich sehen wir auch durchaus als probates Mittel. Man muss dabei aber aufpassen, dass insbesondere die Verbraucher, die heute schon den Großteil der Kosten in der Energiewende tragen, nicht übermäßig belastet werden. Wir erwarten, dass das zu keiner Mehrbelastung der Verbraucher führt.
    Reimer: Und wie sieht es bei den Autos aus?
    Kolbe: Bei den Autos einfach nur eine zusätzliche Steuer oben draufzugeben, ohne dass die Verbraucher die Wahl haben, CO2-ärmer, mit sparsameren Fahrzeugen unterwegs zu sein, das führt dann einfach zu einer Mehrbelastung, aber es senkt den CO2-Ausstoß nicht. Wir sehen das Mittel der CO2-Effizienzvorgaben, die gerade auf europäischer Ebene verhandelt werden, als das wichtigere und geeignetere Mittel an, wie man den CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte senken kann. Deswegen sehen wir die CO2-Steuer im Verkehrsbereich erst mal als zweitrangiges Instrument. Effizienzvorgaben sind deutlich wirkungsvoller, da sie sowohl der Umwelt helfen, aber auch ganz klar den Verbrauchern dabei helfen, günstiger unterwegs zu sein.
    Generelle Senkung von CO2: "45 Prozent bis 2030"
    Reimer: Bis wohin würden Sie denn gehen bei den Steigerungen, die die EU da beschließen soll?
    Kolbe: Bei den CO2-Grenzwerten sagen wir ganz klar, dass der Kompromissvorschlag, der jetzt in den Ausschüssen vorgegeben wurde, hinter dem zurückbleibt, was technisch möglich ist und was auch den Verbrauchern …
    Reimer: Das waren die 35 Prozent, glaube ich, bis 2030.
    Kolbe: Genau. Wir haben von vornherein gefordert, 45 Prozent bis 2030, halten an dieser Forderung auch fest und hoffen, dass jetzt in den Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament noch mal nachgeschärft wird. Denn das würde am Ende der Umwelt dienen, das würde der Industrie auch langfristig dienen und natürlich auch den Verbrauchern einen klaren finanziellen Vorteil bieten.
    Reimer: Gregor Kolbe, Mobilitätsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband, zu dem jüngsten Dieselkompromiss und der Frage einer CO2-Steuer. Vielen Dank!
    Kolbe: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.