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Konferenz Clash of Realities 2016
Der Körper spielt eine große Rolle

Wie ein Vogel über Metropolen hinwegfliegen oder mal eben Abraham Lincoln sein, Fußballvereine managen, sich eine Garage mit Traumautos vollstellen – in der Welt der Spiele ist alles möglich. Auch ästhetisch und erzählerisch ist das Spiele-Genre hochinteressant. Das ist das Thema der Konferenz Clash of Realities" in Köln.

Katharina Tillmanns im Corso-Gespräch mit Fabian Elsäßer |
    Key Visual der Clash of Realities Konferenz in Köln
    Key Visual der Clash of Realities Konferenz in Köln (Cologne Game Lab)
    Fabian Elsäßer: Das hätte man früher – sagen wir in diesem Fall mal ein früher von etwa 20 Jahren – auch nicht gedacht: dass sich Wissenschaftler ernsthaft mit Computerspielen auseinandersetzen. Allenfalls mit den etwaigen Auswirkungen von Computerspielen, vornehmlich "Ballerspiele" auf Jugendliche, aber doch nicht ästhetischen Aspekten. Das passiert in Köln aber schon seit gut zehn Jahren – nämlich bei der Konferenz "Clash of realities" an der Technischen Hochschule. Die siebte Ausgabe beginnt heute und dauert bis Mittwoch – mit internationalen Teilnehmern und konsequent in englischer Sprache gehalten. Bei uns im Studio ist jetzt Katharina Tillmanns vom Cologne Game Lab, das Forschungs- und Entwicklungsinstitut rund um das Thema Spiele an der TH Köln. Willkommen zum Corso-Gespräch.
    Katharina Tillmanns: Guten Tag.
    Elsäßer: Frau Tillmanns, "Clash of realities" - welche Wirklichkeiten prallen da wirklich aufeinander?
    Tillmanns: Natürlich ist es in erster Form mit dem Thema "Clash of realities" gemeint, dass das virtuelle auf das reelle pralle, und das natürlich in Bezug auf Computerspiele. Also, wie wir im Hier und Jetzt agieren und was die Computerspielewelt mit uns macht und andererseits sozusagen, wie die Computerspielewelt die Realität aufnimmt. Weiter fortgeschritten kann man aber natürlich auch sehen, dass der Titel unserer Konferenz eine wunderbare Metapher ist, denn Die Fragestellung "Clash of realities" bezieht sich ja nicht nur auf die digitale Welt, die eine konventionelle Form von Computerspielen in einen Bezug nimmt, sondern auf der anderen Seite auch natürlich das Digitale an sich. Und wir sehen ja gerade auch, wie sich digitale Medien ohnehin auf unsere Alltagsrealität auswirken.
    Gesteuert von Technologie und Ästhetik
    Elsäßer: Unsere Gegenwart ist ja von so einer Drück- und Wischhaptik geprägt, ne, dem ständigen Griff in die Jacken-, Hosen- oder Handtasche nach dem mobilen Endgerät und dann dem damit verbundenen nach-unten-starren. Also das hat ja dann mit Sicherheit auch die Gaming-Welt oder Spielewelt beeinflusst.
    Tillmanns: Natürlich sind mobile Endgeräte ein ganz, ganz großer Faktor für, sowohl den Markt, als für ästhetische Fragestellungen. Aber natürlich kommen mit anderen Technologien und da kann man natürlich sagen, wir sind technologiegesteuert auf der einen Seite. Aber natürlich auch Ästhetik gesteuert. Da kommen zum Beispiel mit virtuellen Realitäten, also mit den neuen Consumer-Anwendungen, die für beispielsweise die neuen Head-Up Displays, also virtuelle Realität einem tatsächlich auch in die Jackentasche bringen.
    Elsäßer: Head-Up Display, erklären Sie es für die, die es nicht kennen?
    Tillmanns: Head-Up Display sind diese Brillen, die eben eine andere Welt sozusagen teleportieren kann man fast sagen. Es wird sehr oft der Begriff des Holo-Decks herangezogen, auch wenn Holografie natürlich etwas ursprünglich ganz anderes ist. Aber diese Brillen, die einem sozusagen auch den Blick in die tatsächliche Realität versperren, ermöglichen einem dafür, dann in die virtuelle Realität wirklich auch einzusteigen und alle Körperbewegungen, die man macht, nachzuvollziehen.
    "Es geht auch um Ethik"
    Elsäßer: Ist das schon, kann man sagen, die größte Veränderung in der Welt der Spiele, solange jetzt auch die "Clash of realities" diese Welt beobachten?
    Tillmanns: Die größte Veränderung in der Welt der Spiele ist jetzt sozusagen, was die Aufmerksamkeit auf das Thema angeht Virtual Reality sicherlich, denn wir haben es mit ganz neuen Faktoren zu tun, die wir auch als Game Designer oder auch als Wissenschaftler beleuchten, nämlich auf einmal spielt der Körper im Thema Gaming eine sehr große Rolle. Das ist aber mit Sicherheit nicht das ausschließliche Thema, was uns im Augenblick beschäftigt. Natürlich geht es um ästhetische Fragestellungen, aber auch um die Ethik hinter Computerspielen, wie einerseits die Entwickler damit umgehen, wie andererseits die Rezeptionen, also von Seiten der Konsumenten zu behandeln ist und so weiter. Es ist eine breite Palette, auch die wissenschaftliche und rein theoretische Aufarbeitung von Computerspielen ist ein Thema, was sich immer weiter etabliert.
    Elsäßer: Stichwort Ethik. Sind wir da immer noch bei der Frage, ob Computerspielen gefährlich ist, Stichwort "Ballerspiele", oder sind wir weiter?
    Tillmanns: Die Fragestellung taucht natürlich immer wieder auf und natürlich ist die Fragstellung nach Gewaltverherrlichung und der Auswirkung von Gewaltverherrlichung, dadurch, dass man ganz aktiv partizipiert etwas, was immer wieder gerade auftaucht, wenn Computerspiele eine Rolle spielen in einem gesellschaftlichen Vorfall kann man sagen, natürlich ist das Thema sehr sensitiv zu behandeln. Aber wir müssen es nicht so stark in den Vordergrund rücken, als dass wir nicht andere Faktoren, nämlich auch das positive von Computerspielen gleichermaßen behandeln müssen. Fakt ist natürlich, dass unsere gesamte Medienrezeption selbstverständlich eine Auswirkung auf uns als Individuum, als auch natürlich dann auch auf die Gesamtgesellschaft hat, dieser Faktor ist ein spannendes Forschungsprinzip, tatsächlich auch durch alle Gewerke hindurch, durch alle Wissenschaftsbereiche hindurchzieht.
    Elsäßer: Wo sind wir denn da gerade erkenntnismäßig, also was ist denn gerade die überwiegende Meinung zum Beispiel zur Frage: wie gefährlich ist Computer spielen?
    Tillmanns: Man kann nicht sagen, dass es eine überwiegende Meinung gibt, sondern es gibt einen Diskurs , der von verschiedenen Disziplinen behandelt wird und der Diskurs nimmt immer wiedermal in der gesellschaftlichen Wahrnehmung einen Schwerpunkt in die eine oder andere Richtung auf.
    Auswirkungen auf die Spieler
    Elsäßer: Aber wenn wir jetzt mal gucken, auf die 10 Jahre "Clash of realities": Ich gehe mal davon aus, dass damals dieses Thema auch schon da war. Also deshalb finde ich es mal interessant zu sehen - weil sie gerade sagten, es geht mal in die eine oder andere Richtung – wo waren wir damals und wo sind wir heute? Oder sind wir heute wieder dort, wo wir damals waren?
    Tillmanns: Als die "Clash of realities" damals vor 10 Jahren ihren Start genommen hat, war natürlich die Fragestellung von Gewalt bzw. moralischen Aspekten, die Computerspiele in die Gesellschaft hineinbringen, noch der überwiegende Schwerpunkt. Wir haben die Konferenz geöffnet im Verlauf der letzten zwei Jahre bzw. auch schon im Verlauf der letzten Jahre kann man sagen, hat sich der Diskurs breiter gestellt und wir fragen jetzt natürlich nach wie vor in die Richtung von Medienethik, Medienpädagogik: Was machen Spiele mit den Spielerinnen und Spielern, was für Auswirkungen haben Spiele, aber wir fragen auch in die andere Richtung, in Richtung der Gamedesigner, in Richtung der Wissenschaftler, die sich mit Games beschäftigen. Man kann sagen, dass die Frage: Sind Computerspiele gewaltfördernd, bei einem bestimmten Typ Mensch, muss man sagen, immer wieder aufflammt.
    Elsäßer: Im Grunde haben Sie mir jetzt keine Antwort gegeben. Im Grunde heißt dass: um Kenntnisse geht es gar nicht bei der "Clash of realities", sondern es wird immer nur stückweise ein Diskurs vorwärtsgetrieben?
    Tillmanns: Selbstverständlich werden bei der "Clash of realities" Forschungsergebnisse dargelegt, die aus verschieden Disziplinen herausgetragen werden. Man kann sagen, dass diese Forschungsergebnisse auch den gesellschaftlichen Zustand widerspiegeln. Computerspiele sind breiter geworden in den letzten 10 Jahren, d.h. wir haben es nicht nur mit diesem einen Computerspiel zu tun, der immer nur von den Medien wahrgenommen wird
    Elsäßer: Der Egoshooter?
    Tillmanns: Der Egoshooter zum Beispiel oder auch ganz klassische kompetitive Spiele grundsätzlich, sondern Computerspiele sind in die Breite gegangen. Es gibt Segmente, ganz wie beim Kino in Richtung Arthouse, es gibt politische Computerspiele, die wirklich auch eine politische Haltung ganz transparent kommunizieren. Es gibt auch Computerspiele, die auch ganz grundsätzlich Bildung anregen sollen, Stichwort: Serious Games. Und vor dem Hintergrund ist der Diskurs einfach breiter geworden und greift sich einzelne Aspekte heraus.
    Kino und Games vereint
    Elsäßer: Sie sagten gerade Kino, eines des Themen bei der diesjährigen Konferenz ist ja die Verbindung von Spielen und Kino. Scene Ludic Aesthetics heißt das Schlagwort. Ich glaube ein aktuelles Beispiel ist Angry Birds für die Entstehung eines Films aus einem Computerspiel. Gibt es Gesetzmäßigkeiten nach denen so ein Transfer vom Computerspiel ins Kino funktionier oder nicht?
    Tillmanns: Ich glaube, dass Spiele, die auch einen ganz narrativen Faktor haben oder Actionfaktor – also ganz klassische Prinzipien, nach denen lineare Narrationen wie Film eben auch funktioniert, die natürlich eine ganz starke Marke auch besitzen wie Angry Birds, versprechen erstmal natürlich auch Erfolg an der Kinokasse. Wie dann tatsächlich auch die Umsetzung eines Spiels in einen Film funktioniert, ist auf die individuelle Umsetzung zu münzen, das kann man nicht pauschalisieren. Grundsätzlich ist aber unser Thema, unsere Fragestellung: Games und Film natürlich auch darauf gedacht, wie können sich diese beiden Formen jenseits von ihrer rein transmedialen , also der Übertragung von einem Medium in das andere, wie können sich diese beiden Medien zum Teil annähern, was haben sie gemeinsam, was sind aber auch die Unterschiede.
    Elsäßer: Und wo gibt es Annäherung?
    Tillmanns: Es gibt natürlich ganz starke Annäherung in dem klassischen Prinzip innerhalb von Computerspielen sogenannte Cut Scenes hereinzubringen, die sozusagen einerseits die Narration, ganz klassisch nach dem Film im Prinzip erstmal linear übernehmen
    Elsäßer: Also Cut Scene heißt eine Spielszene, wo man nichts macht als Spieler?
    Tillmanns: Cut Scene bedeutet ganz klassisch eine Unterbrechung des Spiels zugunsten einer narrativen Sequenz.
    Elsäßer: Also einer Spielfilmszene.
    Tillmanns: Einer Spielfilmszene, die sich dann einstellt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch ganz klassische Elemente von Dramaturgie und Storytelling, also des Erzählens, die sich auch tatsächlich in Spielmechaniken einbringen lassen.
    "Das erzählerische ist stärker geworden"
    Elsäßer: Also das Erzählmoment ist stärker geworden im Computerspiel kann man sagen in den letzten 10 Jahren?
    Tillmanns: Man kann sagen, dass das erzählerische Element zum einen stärker geworden ist, weil auch eigene Methoden erfunden wurden, nicht nur adaptiert aus dem Film, sondern auch für das Medium eigene Methodiken natürlich stärker geworden sind. Auf der anderen Seite ist aber auch das rein Ludische, nämlich das Spielerische sehr viel stärker geworden, also der Markt geht sozusagen in die Breite und es gibt auch eine klarere Aufteilung der beiden Element zum Teil.
    Elsäßer: Würden Sie sagen, heute macht es mehr Spaß Computerspiele zu entwickeln als vor 10 Jahren?
    Tillmanns: Ich finde es heutzutage experimenteller Computerspiele zu entwickeln, weil natürlich auch Leute aus ganz unterschiedlichen Disziplinen an das Thema Computerspiele andocken und da Inspirationen hereinbringen.
    Elsäßer: Heute beginnt die 7.Internationale "Clash of realities" Konferenz in Köln, die damit gleichzeitig ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Wir sprachen mit Katharina Tillmanns vom Cologne Game Lab der Technischen Hochschule Köln, sie fungiert beim "Clash of realities" als Gastgeberin. Danke für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.