Archiv


Konferenz in Essen

Die Universität Duisburg-Essen hatte zu einer internationalen Konferenz rund um den Englischunterricht geladen. Für rund 100 Studenten, Englischlehrer und Wissenschaftler aus elf Ländern ging es in Vorträgen und Workshops dabei vor allem um die Frage, wie man es schaffen kann, dass die Schüler aktiver werden.

Von Stephanie Kowalewski |
    Diejenigen, die sich in Japan, Slowenien, in Großbritannien, Dänemark und Deutschland um einen besseren Englischunterricht bemühen, kennen sich. Die meisten von Ihnen streiten sie seit Jahren für die gemeinsame Sache, und doch gibt es noch so viel zu tun. Da wären zum Beispiel die schlechten Schulbücher, sagt Leni Dam, eine Art heimlicher Star in der Szene, denn sie hat den sogenannten autonomen Unterricht in Dänemark mitentwickelt.

    "Leider muss ich sagen, dass die Schulbücher in den allermeisten Fällen eher ein Hindernis beim Erlernen der Sprache sind, weil die Struktur der meisten Bücher nicht die Sprachentwicklung fördert, sondern das Auswendiglernen und Wiederholen."

    Mit fatalen Folgen, sagt Leni Dam. So seien die deutschen Schüler zwar immer sehr bemüht, grammatikalisch richtig zu sprechen ... .

    "Aber sie können sich nicht wirklich an einer Diskussion beteiligen. Sie können es nicht als ihre Sprache nutzen. Das ist kein gutes Englisch. Das ist nicht das, was ich darunter verstehe."

    Und Lernstandserhebungen wie "Desi" geben ihr recht. Denn ein Ergebnis war, dass zwei Drittel der Neuntklässler an Hauptschulen kaum einen englisch gesprochenen Satz verstehen. Da hilft nur, den Schülern mehr echte Redezeit zu ermöglichen, meint Frank Lacey, Englisch- und Deutschlehrer in Kopenhagen.

    "Die Lehrer sprechen und die Schüler hören zu. Da ist wirklich sehr wenig Kommunikation während des Unterrichts, wo eigentlich die ganze Zeit über geredet werden sollte. Aber auf diese Konferenz hier geht es ja um Autonomie und wie man Schüler aktivieren und sie dazu bringen kann, die Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen. Und das ist es, was ich in Dänemark seit vier, fünf Jahren praktiziere. Und ich denke, das ist der Weg den wir gehen müssen."

    Beim autonomen Lernen sollen die Schüler bereits in die Planung des Unterrichts einbezogen werden, sollen aktiv werden und auch die Themen, über die gesprochen wird, mitbestimmen können, meint Bettina Beetzen-Grün, Lehramtsstudentin im 5. Semester.

    "Und dann könnten die Gruppen bilden, Podiumsdiskussionen machen und dazu könnte man dann Hilfestellung geben, zum Beispiel if-clauses, die if-Sätze. Man kann denen die dann erklären, als Hilfestellung, um ihre Aufgabe zu bewältigen, aber nicht die Grammatik in den Vordergrund stellen ohne Anwendung."

    Das Credo dabei muss also heißen: Weg vom stupiden pauken, hin zu mehr aktivem Dialog, sagt die künftige Lehrerin. Und doch sieht sie genau da eines der großen Probleme.

    "Und daran scheitert es im Moment noch, dass viele Lehrer nicht den Mut haben, vom Kursbuch wegzukommen und nicht ein Buch zu nehmen, sondern wirklich offenen Unterricht zu machen, mehr Storytelling, Geschichten erzählen, und daran denke ich, scheitert es im Moment noch ein bisschen."

    Das liegt vor allem an der Ausbildung der Lehrer, die nach wie vor viel zu theorielastig sei, kritisiert Dieter Wolff, emeritierter Professor für Didaktik der Englischen Sprache an der Bergischen Universität Wuppertal.

    "Eine bessere Lehrerausbildung muss in den Vordergrund gerückt werden ... . In der die Lehrer an die Schulen gehen, dort erproben was sie gelernt haben, und nicht so, wie das im Augenblick ist, dass sie eine theoretische Phase haben, und daran anschließend die Referendarausbildung in der Praxis, wo ja die meisten Ausbilder den Referendaren sagen, vergesst mal alles, was ihr an der Universität gehört habt. Wir fangen hier wieder von vorne an. Das ist falsch, das kann nicht so gehen."

    Sein Fachdidaktik-Kollege von der Universität Duisburg-Essen, Bernd Rüschoff, nickt zustimmen, räumt aber ein, dass sich auf dem Gebiet bereits einiges tute.

    "Wir haben ja zurzeit auch einen Umbruch in der Lehrer- und Lehrerinnenbildung, neue Studiengänge, MA, BA-Modelle, die da gefahren werden. Da ist erfreulicherweise zu verzeichnen, dass der Anteil an Fachdidaktischen Lehrveranstaltungen steigt und dass auch die Theorie-Praxis-Verzahnung steigt. Das finde ich sehr gut. Das ist schon deutlich mehr als früher und ich denke, das wird sicher dann auch irgendwann Früchte tragen."

    Doch selbst wenn die Lehrerausbildung künftig wesentlich besser liefe als bislang, dann wäre ein wirklich guter, offener Englischunterricht hierzulande nur möglich, wenn die Eltern mit ins Boot geholt würden, ist Lienhard Legenhausen überzeugt. Er war bis vor einigen Jahren an der Uni Münster für die Sprach-, Lehr- und Lernforschung verantwortlich und hat derzeit eine Gastprofessur in der Ukraine.

    "Wir haben speziell in Deutschland eine Elternschaft, die – und das ist ja auch gut so - ein Mitspracherecht hat, an dem, was im Unterricht zu passieren hat. Wunderbar. Aber die Eltern haben keine Ahnung, wie Fremdsprachen gelernt und gelehrt werden sollten. Sie haben selber einen Unterricht erlebt und überprüfen das, was mit ihren Kindern passiert, an dem, was sie selber erfahren haben. Deswegen müssen wir zuerst auch mal mit unseren Eltern reden und sie überzeugen, dass ein Unterricht auf andere Füße gestellt werden müsste, wenn etwas besser werden soll."

    Es ist also noch einiges zu tun, so das Fazit der Konferenzteilnehmer, aber man sei auf dem richtigen Weg.